03 November, 2025 / 3:30 PM
In dieser Woche treffen sich an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom führende Köpfe aus Kirche, Wissenschaft und Technologie zum Builders AI Forum 2025. Das Forum will zeigen, wie Künstliche Intelligenz (KI) mit christlichen Werten und der kirchlichen Mission in Einklang gebracht werden kann. Ziel ist es, ein internationales Netzwerk aus Theologen, Unternehmern und Investoren aufzubauen, das ethisch verantwortete KI-Lösungen entwickelt – von Bildungs- und Pastoralprojekten bis hin zu neuen sozialen Innovationsmodellen.
Christian Peschken (EWTN) sprach darüber mit Pater Hans Zollner SJ, dem Direktor des Instituts für Anthropologie an der Gregoriana.
Was bedeutet Menschenwürde in einer Zeit, in der Algorithmen über Bildung, Gesundheit oder Sicherheit mitentscheiden? Künstliche Intelligenz operiert nach Kriterien wie Effizienz und Optimierung. Droht dabei nicht die Gefahr, dass Würde zu einem berechenbaren Parameter wird?
Menschenwürde baut auf Identität, Freiheit und Selbstbestimmung auf. Nimmt man diese willkürlich dem Menschen, beraubt man ihn auch in Teilen oder ganz seiner Würde. Dies ist auch dann der Fall, wenn Menschen nur noch als Funktion eines Algorithmus verstanden werden, als vorausbestimmbare Größe ohne Individualität, als Gefangene unentrinnbarer Automatismen. KI wird dann zum Herrschaftsinstrument einiger weniger (die die KI beherrschen bzw. besitzen) über die breite Masse (die von diesen wenigen mittels KI beherrscht wird). Doch es gibt auch eine andere Seite. KI als Problemlösungsinstrument bedeutet nicht unbedingt und automatisch ein Weniger an Würde, sondern vielleicht sogar einen Zugewinn an Würde. Denken Sie zum Beispiel nur an die mit KI gegebenen Möglichkeiten in der Medizin. Wenn zum Beispiel Exoskelette zur selbstbestimmten Bewegungsfreiheit beitragen, Sprachcomputer gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, Gehirnimplantate Blinde sehend machen können – dann ist dies nicht nur ein Zugewinn an Lebensqualität, sondern auch ein Beitrag dazu, Würde konkret erfahrbar zu machen.
Wenn KI beginnt, menschliche Tätigkeiten – Denken, Entscheiden, Kommunizieren – zu übernehmen: Was bleibt dann vom theologischen Verständnis des Menschen als Imago Dei, als Ebenbild Gottes? Muss sich die Theologie ein neues Menschenbild für das digitale Zeitalter erarbeiten?
Nein, im Gegenteil. Das Verständnis vom Menschen als Imago Dei macht genau den entscheidenden Punkt im Umgang mit der KI deutlich. Als Ebenbild Gottes hat der Mensch Anteil an der Schöpfungskraft Gottes. In Bezug auf die KI ist und bleibt der Mensch der Schöpfer, die KI das Geschöpf des Menschen. Das theologische Menschenbild ruft damit die Aufgabe des Menschen in Erinnerung, sich auch um seine eigene Schöpfung zu sorgen und diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen. Konkret heißt dies, die moralischen und ethischen Grundsätze festzulegen, innerhalb welchen Rahmens KI verwendet und eingesetzt werden kann, ohne sich gegen seinen Nächsten als Abbild Gottes und damit gegen Gott selbst zu versündigen.
Wie kann die Kirche ihre prophetische Rolle als ethische Instanz wahren, wenn sie zugleich Partnerin technologischer Innovation werden will? Läuft sie nicht Gefahr, sich ungewollt mit wirtschaftlichen Interessen zu verflechten?
Die Gefahr einer möglichen Verflechtung der Kirche mit wirtschaftlichen Interessen als Argument gegen eine kirchliche Partnerschaft mit technologischer Innovation ist ja wohl überaus schwach. Wollte man so argumentieren, dann müsste man da schon viel eher und in weit mehr Bereichen als nur der KI eine Philippika gegen das kirchliche Gebaren anstimmen. Mir ist jedenfalls kein kirchlicher Skandal wegen wirtschaftlichem Fehlverhalten im Zusammenhang mit KI vertraut, dafür aber sehr wohl im Bereich Aktienanlagen, Immobilien, Schwarzgeld etc. Die prophetische Funktion der Kirche zeigt sich nicht in der Verweigerung gegenüber technologischer Innovation, sondern in der Diskussion über Sinn, Zweck und Grundsätze der Anwendung von KI.
Erkennen Sie in der Rhetorik der Tech-Welt – etwa der Idee, die Welt durch KI „retten“ zu können – eine säkulare Form von Erlösungsdenken? Wie kann die Kirche auf diese „digitale Eschatologie“ reagieren, ohne kulturpessimistisch zu wirken?
Es gibt keine digitale Eschatologie, zumindest erscheint der Begriff digitale Eschatologie widersprüchlich, in gewisser Weise auch unsinnig. Eschatologie hat es mit einer Vision und einer darauf bezogenen Realität zu tun, die über das weltimmanente in die Transzendenz hinausreicht. Es geht dabei genau um die letzten Dinge (Eschaton), die diese Welt, in der wir leben und zu der inzwischen auch KI gehört, umfassen und auch in einer anderen Wirklichkeit, die gläubige Menschen Gott nennen, aufheben. Hier geht es um die Fragen eines ganzheitlichen Heiles, das Körper, Seele und Geist umfasst. KI ist Problemlöser, Modellprüfer, Aufgabenerlediger, Funktionsausführer und wahrscheinlich noch vieles andere mehr, aber kein Eschaton, kein Heilsbringer in der umfassenden christlichen Bedeutung. Um dies den Menschen verdeutlichen zu können, sollte die Kirche wieder mehr über Eschatologie sprechen lernen. Sie hat diesen Bereich der Theologie in neuerer Zeit sträflich vernachlässigt. Wenn sie wieder mehr über Eschatologie spräche, bräuchte sie auch nicht so kulturpessimistisch zu sein. Im Gegenteil. Sie könnte verdeutlichen, wie wichtig und gut es einerseits ist, dass es KI gibt. Andererseits könnte sie dann auch hervorheben, dass es neben, oder besser gesagt, über die KI hinaus auch noch etwas anderes gibt, das uns in Ergänzung beziehungsweise Erweiterung noch weit mehr bereichern kann.
Wenn Rom beim Thema KI vorangeht – wie kann sichergestellt werden, dass diese Debatten auch in den Ortskirchen des globalen Südens ankommen? Besteht nicht die Gefahr, dass eine „katholische KI-Ethik“ ein westliches Projekt bleibt, das an der Lebenswirklichkeit vieler Gläubiger vorbeigeht?
Mit der Differenzierung zwischen Ortskirchen des Nordens und des globalen Südens im Blick auf KI wäre ich zunächst einmal etwas vorsichtig, um nicht gewissen Vorurteilen anheim zu fallen. Wenn Sie zum Beispiel an Indien denken, sind Länder des globalen Südens durchaus in der Lage, nicht nur mit der nördlichen Erdhalbkugel mitzuhalten, sondern auch ernsthaft zu konkurrieren. Darüber hinaus ist weltweit bereits auch schon jetzt im Lebensalltag vieler Gläubigen KI in Form der in den sozialen Medien aktiven Algorithmen präsent und wirksam. Gleichwohl bleibt natürlich wie bei allen anderen Themen, die innerhalb der Weltkirche virulent werden, die Aufgabe der interkulturellen Verständigung und des interkulturellen Austauschs.
Wenn Sie in einem Satz formulieren müssten, was christliche KI von bloß „intelligenter“ KI unterscheidet – wie würde dieser Satz lauten?
Christliche KI ist dem Menschen und seiner Würde gegenüber verantwortete KI.
Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.
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