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Wie funktioniert Dogmenentwicklung?

Allegorie eines theologischen Disputs: Abraham van der Eyk schuf die Darstellung 1721

Die katholische Glaubenslehre kann sich entwickeln. Das sollte allen Katholiken klar sein. So wurde etwa erst 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel feierlich von Papst Pius XII. am Allerheiligenfest verkündet.

Wie aber muss man sich die Entwicklung des Dogmas vorstellen? Bedeutet Entwicklung notwendigerweise auch, dass die offizielle Lehre von 2018 der kirchlichen Lehre des Mittelalters widersprechen kann?

Ein derartiger Gedanke sollte treuen Katholiken eher Unbehagen bereiten, und doch ist das Thema brandaktuell, denkt man beispielsweise an die Änderung des Katechismus bezüglich der Todesstrafe oder die Debatte rund um den Kommunionempfang von Personen, die aus verschiedenen Gründen unverheiratet zusammenleben.

Im vorliegenden Buch "Dogma im Wandel" stellt Michael Seewald, der junge Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, verschiedene Theorien und Positionen zur Dogmenentwicklung vor, die sich im Laufe der Kirchengeschichte herausgebildet haben.

Ehe es jedoch in die Geschichte geht, definiert Seewald zunächst die entscheidenden Begriffe Dogma und Entwicklung, bevor er die Heilige Schrift als solche anschaut. Kritik übt er dabei am Ansatz der vorkonziliaren Theologie, welcher die Bedeutung der Bibel nicht hoch genug gehalten habe.

"Franz Diekamp, der […] Neuthomist, bringt dies in geradezu entwaffnender Deutlichkeit zum Ausdruck. Weil das Lehramt 'die nächste und unmittelbare Richtschnur des katholischen Glaubens' (regula proxima fidei) sei, die Bibel aber, da stets 'der Gewährleistung und Auslegung durch das kirchliche Lehramt bedürftig', nur die regula remota fidei darstelle, habe der Schriftbezug der Theologie eine nachrangige Bedeutung und könne gegebenenfalls ganz entfallen."

In der Väterzeit ist besonders Vinzenz von Lérins zu erwähnen, dessen Ansatz bis heute häufig und wohlwollend zitiert wird, wonach nämlich das katholisch sei, was "überall, immer und von allen" geglaubt wurde und wird.

Allerdings sei diese Regel des Vinzenz von Lérins nicht unproblematisch, so Seewald:

"Sie kann nach dem Streit, wenn sich die Lage übersichtlicher gestaltet, begründen, warum der angesteuerte Hafen der richtige sein soll; kriteriologisch im Nebel des Streits den Hafen zu weisen, vermag sie nicht, weil die Kennzeichen, die Vinzenz für die Orthodoxie anführt, von der Heterodoxie in gleicher Weise in Anspruch genommen werden."

Theologie der Neuzeit

Mit dem Mittelalter geht es weiter, wobei natürlich auch Thomas von Aquin erwähnt wird. Spannend wird es dann aber in den nächsten Kapiteln, die sich mit den Ansätzen des 19. und 20. Jahrhunderts befassen – einschließlich der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als dem Relativismus das Tor geöffnet worden zu sein schien.

John Henry Newman, einer der Großen der neuzeitlichen Theologie, wird ausführlich behandelt:

"Das eigentlich Problematische für Newman ist nicht der Umstand, dass es in manchen Dingen Fehlentwicklungen (corruptions) geben kann, die selbst wieder Raum für weitere Entwicklungen schaffen. Das für die Kirche im wörtlichen Sinne Tödliche sieht der englische Gelehrte darin, dass die Kirche den Versuch aufgibt, ihre Idee zeitgenössisch werden zu lassen und sie in eine Erstarrung verfällt, die sie als museales Relikt in die Gegenwart reichen, aber nicht mehr als bewegte und damit die Herzen der Menschen bewegende Größe erlebbar werden lässt. Denn in 'einer höheren Welt mag es anders sein, aber hier unten heißt Leben sich wandeln, und vollkommen zu sein, sich oft gewandelt haben.'"

Die schwere Krise des Modernismus, besonders im Pontifikat von Papst Pius X., sieht Seewald eher unproblematisch. "Bei dem, was von Papst Pius X. 1907 im Dekret Lamentabili sane exitu und wenig später in der Enzyklika Pascendi dominici gregis beschrieben wurde, handelt es sich um eine solche 'genuin römische Erfindung', weil 'das, was an der Kurie als Modernismus herumgeisterte, niemand ernsthaft vertreten hat.'"

Nichtsdestotrotz handelte es sich beim Modernismus um schwerwiegende Fehler und Mängel, sogar Häresien, wie sich spätestens nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil herausstellte. Für Seewald ist das eher weniger relevant. Stattdessen verteidigt er den französischen Theologen Alfred Loisy, der eigentlich nur falsch verstanden worden sei.

Nachkonziliare Theologie

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Was die nachkonziliare Zeit angeht, so präsentiert Seewald drei wichtige Gestalten der deutschen Theologie in größerer Ausführlichkeit. Zunächst handelt es sich um Karl Rahner, sodann Joseph Ratzinger, und schließlich Walter Kasper. Auffällig ist, wie die Präzision der althergebrachten Theologie, von den Kirchenvätern bis hin zur Neuscholastik, abgelöst wird durch einen schwammigen Wortschwall, bei dem man nach dem Lesen kaum weiß, worum es überhaupt geht. Walter Kasper jedenfalls meint, dass die Dogmen "pneumatische Ereignisse in der Kirche" seien, die "aber später auch tötendes Gesetz werden" können, "wenn sie als starre Grenze aufgefasst werden". Wohin ein solches Verständnis führt, kann der Zeitgenosse an den Problemen sehen, die zu Beginn dieser Buchbesprechung kurz skizziert wurden. Andere Beispiele gibt es natürlich.

Michael Seewald ist einerseits zu danken für die wichtige Arbeit einer kurzen, aber umfassenden Zusammenstellung des komplexen Themas der Dogmenentwicklung. Die historische Perspektive allein ist sehr lesenswert. Leider wertet Seewald, häufig subtil, aber durchaus auch im Sinne der äußerst modernen Theologie eines Walter Kasper. Treue Katholiken sollten hier eher skeptisch bleiben und es mit Theologen und Heiligen halten, die sich bewährt haben, wenn auch der Ansatz dieser Personen, wie Seewald korrekt herausarbeitet, nicht absolut zufriedenstellend ist.

Michael Seewald, "Dogma im Wandel. Wie Glaubenslehren sich entwickeln", ist bei Herder erschienen und hat 336 Seiten

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