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Wie soll ein Priester heute sein? Theologisch denken mit Johannes XXIII.

Bei der Weihe eines Priesters im Petersdom am 26. April 2015

Über die Lebensform, die Aufgaben und die Sendung des Priesters wird gegenwärtig viel diskutiert, innerhalb und außerhalb der Kirche. Besonders die Teilnehmer des Gesprächsforums mit dem Münsteraner Bischof Dr. Felix Genn werden sich auf dem "Synodalen Weg" engagiert darüber austauschen.

Auch ein Papst, der besonders von progressiv gesinnten Katholiken verehrt und zuweilen verklärt wird, hat sich hierzu geäußert. Der heilige Johannes XXIII. gehört vielleicht auf gewisse Weise zu den unbekanntesten Päpsten der neueren Kirchengeschichte. Diese Überlegung mag zunächst verblüffen. Eine wenig gelesene Enzyklika Johannes‘ XXIII. – "Sacerdotii nostri primordia" – wurde vor etwa sechzig Jahren, am 1. August 1959, veröffentlicht. Wie seine verehrten Vorgänger und Amtsnachfolger spricht der Papst über das Leben und Wirken des heiligen Johannes Maria Vianney. Er erinnert sich an seine erste Wallfahrt nach Ars, bekundet seine aufrichtige Verehrung für den Heiligen und wendet sich an die Priester der Kirche:

"Auf dem steilen Pfad zu diesem Hochziel priesterlicher Lebensgestaltung geht der heilige Johannes Maria Vianney uns allen wegweisend und bahnbrechend voran. Uns ist es ein Herzensanliegen, mit diesem neuen Mahnwort vor allem die Priester von heute dazu aufzurufen. Wir kennen durchaus ihre Sorgen und Schwierigkeiten; Wir wissen, welche Hindernisse heute dem Wirken des Seelsorgers im Wege stehen. Wenn es Uns schmerzt, dass einige Priester sich im Taumel der Zeit dahintreiben lassen und vor Erschöpfung ermatten, so wissen Wir doch aus Erfahrung, dass die überwiegende Mehrzahl der anderen eine unerschütterliche Treue und einen beseelten Eifer an den Tag legen, die sie nicht selten zu den hochherzigsten Leistungen befähigen."

Der Papst erinnert an den Geist der Armut und Keuschheit. Der Pfarrer von Ars entsagte den unbeständigen, vergänglichen Gütern dieser Welt. Sein Herz stand für die Notleidenden weit offen. Die Sünder suchten ihn. Niemanden wies er ab. Er war, ist und bleibt ein Vorbild für alle Priester. Johannes XXIII. zitiert seinen großen, bewunderten Vorgänger Pius XII. mit den Worten:

"Mitten in der Verderbnis der Welt, in der alles käuflich und verkäuflich ist, müssen sie frei von jeglicher Selbstsucht wandeln, in heiliger Verachtung für jede niedrige Gier nach irdischem Gewinn, auf der Suche nach Seelen und nicht nach Geld, nach Gottes Ehre und nicht nach ihrer eigenen."

So wird die lebendige Erinnerung an den heiligen Pfarrer von Ars auch eine Mahnung, den Verlockungen, Verführungen und Versuchungen in einer von Dekadenz, Unmoral und Relativismus beherrschten Welt zu trotzen.

Bereits vor gut 60 Jahren warnte Papst Johannes eindringlich vor dem Zeitgeist, vor einer sexualisierten Welt. Auch Priester leben in einer Welt, die mancherorts "durch lockere Sitten und ausgelassene Sinnenlust geradezu verseucht ist". Der Papst sagte dies wohlgemerkt vor der sogenannten sexuellen Revolution, die im Gefolge der 1968er-Bewegung stattgefunden hat. Der Papst dämonisiert nicht, aber er charakterisiert eindeutig die herrschende Lebenswirklichkeit. Wahrscheinlich würde er deswegen heute von zeitgeistlich gesinnten Moraltheologen und postmodernen Kirchenreformern massiv kritisiert.

Johannes XXIII. ruft die Priester zum gehorsamen Dienst auf:

"Ihr wisst übrigens, ehrwürdige Brüder, dass Unsere Vorgänger aus neuerer Zeit die Priester oft und ernsthaft gewarnt haben vor der großen Gefahr eines wachsenden Bedürfnisses des Klerus nach Unabhängigkeit, sei es gegenüber dem kirchlichen Lehramt, sei es bezüglich der Seelsorgsmethoden wie auch hinsichtlich der kirchlichen Disziplin."

Der Priester, der auch ein Vorbild für jeden Katholiken sein soll, ist dazu bestellt, die Kirche zu lieben. Der Papst benennt die wichtigste pastorale Aufgabe überhaupt: das Gebet. Er schreibt, kein Priester solle den "Wert der äußeren Tätigkeit überschätzen und sich so sehr von einer geschäftigen Betriebsamkeit erfassen lassen", so dass die "Seele darob Schaden leidet". Der Priester hat die Kirche in ihrer weltlichen Gestalt nicht umzugestalten, sondern er soll sich in das Gebet der Kirche aller Zeiten und Orte eingliedern. Johannes XXIII. zeigt den Wert der eucharistischen Frömmigkeit. Der Priester, der vor dem Tabernakel bete, stärke durch sein Beispiel auch die Gläubigen. Er soll würdig das eucharistische Opfer feiern. Der Papst schreibt nachdenklich:

"Wenn gewisse Priester der ersten Liebe ihres Weihetages allmählich untreu werden, ist es dann nicht dem Umstand zuzuschreiben, dass sie nie ganz im Klaren waren über die gegenseitigen Beziehungen zwischen dem persönlichen Lebensopfer und dem Messopfer?"

In der modernen Welt werden Priester oft verhöhnt und verachtet. Auch der Pfarrer von Ars war schon galligem Zynismus und sprungbereiter Feindseligkeit ausgesetzt. Das Kreuz war in seinem Alltag gegenwärtig. Er nahm dieses Leiden dankbar auf sich: "Nach dem Vorbild der apostolisch gesinnten Männer aller Zeiten hatte er im Kreuz das wirksamste Mittel erkannt, um etwas beizutragen zum ewigen Heil der ihm anvertrauten Seelen. Aus Liebe zu ihnen ertrug er, ohne zu klagen, Verleumdungen, Vorurteile und Widerwärtigkeiten aller Art." Ein "großes Unglück" sei, so sagte heilige Johannes Maria Vianney, "die seelische Abstumpfung" jener Priester, die sich mit der Wirklichkeit der Sünde einrichteten und diese achselzuckend akzeptierten.

Der heilige Johannes XXIII. appelliert an die Priester und ruft sie im Namen des Herrn auf, "der Kirche mit unverbrüchlicher Treue" zu dienen. Die Bischöfe mögen sie väterlich begleiten und unterstützen, die Gläubigen für sie inständig beten: "Die eifrigen Christen blicken heute voller Erwartungen zum Priester auf. In einer Welt, wo die Macht des Geldes, die Verlockungen zur Sinnenlust und die Überschätzung der Technik weit und breit Triumphe feiern, wollen die Menschen im Priester einen Mann sehen, der im Namen Gottes spricht, der von starkem Glauben und selbstloser Nächstenliebe beseelt ist."

Johannes XXIII. spricht, als hätte er vor Jahrzehnten von der schwierigen Aufgabe des Priesters heute gewusst. Im Umfeld des erschütternden Missbrauchsskandals ist sogar von einem nachvollziehbaren "Generalverdacht" gegenüber Priestern gesprochen worden. Der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer hat dies mehrfach, so auch in einer Predigt zum Jahrestag seiner Bischofsweihe kritisch zurückgewiesen, deutliche Worte gewählt und seine tiefe Dankbarkeit wie unverbrüchliche Loyalität gegenüber den unschuldigen Geistlichen seines Bistums bekräftigt.

Erinnern wir uns an die Worte des heiligen Johannes XXIII.: "Gewiss, das Leben der Priester ist oft schwer. Kein Wunder, sind sie doch vor allen anderen der Arglist und den Verfolgungen der Kirchenfeinde ausgesetzt. Ganz richtig bemerkte der Pfarrer von Ars: Wer die Religion ausrotten will, greift in seinem Hass zuerst die Priester an. Aber selbst inmitten dieser harten Anfechtungen schöpfen die eifrigen Priester tiefes und wahres Glück aus dem Bewusstsein ihrer Sendung. Vom Herrn und Heiland sind sie dazu berufen, einer hochheiligen Sache zu dienen: der Rettung der Seelen und dem Wachstum des mystischen Leibes Christi." Den Teilnehmern am Gesprächsforum "Priesterliche Lebensform" sei diese Enzyklika zur Lektüre besonders empfohlen – und allen anderen Katholiken auch, Klerikern wie Weltchristen.

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Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. Erstveröffentlichung 28.9.2019

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