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Warum man den Glauben nicht vom konkreten Leben trennen darf

"Das war für mein Glaubensleben eine ungeheuer wichtige Erfahrung: ich bin als Christ nicht aufgerufen zu einem selbst zusammengebastelten Gott zu beten, sondern zum lebendigen Gott, der mir durch die Kirche beibringt, wie er am liebsten geehrt und geliebt werden will – durch das Gebet der Kirche."

Gott ist Mensch geworden. Das ist so unfassbar, so überraschend, so großartig, dass man sich an diesem Geheimnis gar nicht sattstaunen kann. Aber was heißt das eigentlich konkret für uns Gläubige? Dass auch unser Glaube sozusagen "Fleisch annehmen", in unserem Leben sichtbar werden muss. Bei vielen Christen besteht nämlich die Gefahr, den Glauben vom konkreten Leben zu trennen.

Wie geht das also dieses Fleischwerden des Glaubens? Durch Mittler, also Menschen und Lebensumstände, die Gott uns auf den Weg setzt, um uns zu helfen unseren Glauben konkret umzusetzen: Familie, Freunde, der Beruf sein.

Ich will Priester werden. Das bedeutet, dass für mich dieses Mittler seit nunmehr sechs Jahren das Priesterseminar der Gemeinschaft Sankt Martin ist. Das drückt sich konkret vor allem in drei Bereichen aus: Liturgie, Gemeinschaftsleben, Gehorsam.

In das Gebet der Kirche eintreten

Eine der schwierigsten, aber gleichzeitig segensreichsten Umstellungen beim Eintritt ins Seminar, war der Umstand, dass es plötzlich feste und regelmäßige Gebetszeiten gab. Vorher war ich es gewohnt zu beten, wenn und wie mir danach war. Plötzlich aber sollte ich beten, ganz egal in welchem Seelenzustand ich mich befand und dies noch dazu in der Eucharistie und im Chorgebet nach festgefügten, vorgegebenen Gebetsworten.

Ich hatte zunächst den Eindruck, plötzlich unfromm zu sein. Verspürte ich vorher immer beim Gebet große Glücksgefühle (weil ich eben nur dann betete, wenn ich mich danach fühlte), so kam mir nun alles innerlich so trocken vor. Aber dann verstand ich: beim Gebet kommt es nicht darauf an, was und ob ich was "spüre". Gott ist in jedem Fall da. Die Kirche lud mich nun schlicht dazu ein, konkret in ihr jahrtausendealtes Gebet einzutreten, mit dem schon vor mir unzählige Generationen Gott lobten.

Das war für mein Glaubensleben eine ungeheuer wichtige Erfahrung: ich bin als Christ nicht aufgerufen zu einem selbst zusammengebastelten Gott zu beten, sondern zum lebendigen Gott, der mir durch die Kirche beibringt, wie er am liebsten geehrt und geliebt werden will – durch das Gebet der Kirche. Mein sehr subjektives Gebet, wurde dadurch Schritt für Schritt in der Kirche und in ihrem Glauben Fleisch.

"Wenn jemand sagt: 'Ich liebe Gott!', aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. " (1 Joh 4, 20)

Im Seminar von morgens bis abends, bei Gebet, Essen, Studium und Freizeit immer unter denselben Mitbrüdern zu leben ist nicht immer nur Freude, sondern auch eine Herausforderung. Dann kommt es unweigerlich zu Reibereien. Da gilt es dann seinen Glauben, seine Liebe zu Gott und den Menschen konkret umzusetzen.

"Ja, aber ihr versteht das nicht, liebe Mitbrüder! Ich bin ein großer Mystiker und mein Glaube drückt sich vor allem in meinem innerlichen Herzensverhältnis mit dem Herrn aus."

Das mag sein, aber wenn Dein geistliches Innenleben nicht in konkreter Nächstenliebe umgesetzt wird, dann stimmt was nicht. An den Früchten erkennt man den Baum, sagt Christus. Das kann manchmal ziemlich demütigend sein, gerade weil es so konkret ist.

Lernen, den Willen eines anderen zu tun

Kirche bedeutet Gemeinschaftsleben, Gemeinschaftsleben bedeutet Regeln, Regeln heißt Gehorsam. So in etwa kann man es ausdrücken, was es konkret heißt zu lernen, den Willen Gottes zu tun. Der drückt sich nämlich konkret im Willen der Kirche und der Personen aus, die mir Gott auf den Weg gestellt hat um mich anzuleiten. In meinem Fall, meine Oberen.

Ein konkretes Beispiel: Es ist 23 Uhr, nach der Regel des Seminars Schlafenszeit und man liest ein gerade ein spannendes Buch. Licht aus oder noch kurz weiterlesen? Was machen die paar Minuten schon aus? "Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut dies auch bei den großen." (Lk 16, 10)

Gott ist konkret. Unser Glaube auch. Das mag fordernd sein, aber nur deshalb, weil Gott will, dass wir uns nicht einer Illusion hingeben, sondern tatsächlich uns und die Welt verändern. Im Kleinen wie im Großen. Dazu brauchen wir spirituellen Realismus, den Realismus eines inkarnierten Glaubens.

Matthäus Trauttmansdorff ist Seminarist der Gemeinschaft Sankt Martin in Frankreich. Der gebürtige Österreicher wird dort voraussichtlich am 24.Juni 2017 zum Diakon geweiht.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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