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"Gottes Treue in seiner Barmherzigkeit": Kardinal Kasper erinnert an Stefan Andres

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper in der Kirche Sancti Bartholomaei in Insula in Rom im April 2015.

"Barmherzigkeit ist Ausdruck der Treue Gottes": Daran hat Kardinal Walter Kasper bei einer Predigt in der Kirche des Campo Santo Teutonico am heutigen Sonntag erinnert. Der 83-jährige Theologe erklärt dabei das Thema des zu Ende gehenden Jubeljahrs der Barmherzigkeit anhand der Tageslesung vom Zöllner Zachäus.

"Gott verharmlost nicht die Sünde; er hasst sie, weil sie den Menschen zerstört. Er liebt nicht die Sünde, er liebt den Sünder und will ihn aus seinen Verstrickungen befreien, ihm immer wieder neu eine Chance geben", so der emeritierte Kurienkardinal.

CNA dokumentiert den vollständigen Wortlaut der Predigt von Kardinal Kasper.

I. Das Gedenken eines Mannes, eines bedeutenden viel gelesenen Schriftstellers mit einer bewegten Lebensgeschichte führt uns zusammen: Stefan Andres. Sein Leben war geprägt von Umzügen schon in sei er Kindheit, dann als Abwendung vom Nationalsozialismus von Deutschland nach Italien, nach dem Krieg wieder nach Deutschland und als Kritik an der Politik der frühen Bundesrepublik von Deutschland nochmals nach Italien, bis er hier auf dem Campo Santo Teutonico 1970 seine letzte Ruhe fand. Über 30 Jahre später folgte ihm Seine Frau im Jahr 2002 nach.

Den äußeren Umzügen entspricht sein innerer Weg: Von der Theologie zu Literaturwissenschaft, Kunst und Philosophie. Daraus wurde ein   bewundernswert umfangreiches Oeuvre von Romanen, Erzählungen, Dramatischen Werken, Lyrik, Essays und Reiseberichten.

In allem Wandel ist Stefan Andres sich treu geblieben, als Mensch und als Christ. Das  Thema der Treue zu einem gegeben Versprechen, zu einem Gelübde, zur Wahrheit in der spannungsvollen Dramatik von Entscheidung zwischen Freiheit und Schuld bestimmt sein Werke aus dem Geist eines christichen Existentialismus.  

Es ist nicht meine Aufgabe dieses literarische Werk zu analysieren und zu würdigen. Das soll aus berufenerem Mund geschehen. In dieser gottesdienstlichen Feier möchte ich das Thema der Treue als theologisches Thema, besser gesagt: als Grundthema der Bibel aufgreifen. Das heutige Evangelium lädt uns dazu geradezu ein. Es ist das Evangelium von der Treue Gottes, welche sich in der Botschaft der Barmherzigkeit  ihre ganze Dramatik von Schuld und Gnade erweist.

II. Im heutigen Evangelium begegnet uns ein Mann namens Zachäus. Wer war dieser Zachäus, dem Jesus beim Einzug in die Stadt Jericho begegnet?

Er wird als ein reicher Mann beschrieben. Doch sein Reichtum machte ihn nicht glücklich. Das konnte schon deshalb nicht sein, weil er, der als Chef der Zöllner bezeichnet wird, und die hatten keinen guten Ruf. Zöllner galten als Schlaumeier und Betrüger, weil sie nicht nur für den römischen Staat Zölle erhoben sondern dabei auch andere ausnahmen und in die eigene Tasche wirtschafteten. Sie waren zudem Kollaborateure mit der verhassten römischen Besatzungsmacht. So ist die Zachäus durch Betrug zu seinem Reichtum gekommen. Die Leute wussten das. Er war verachtet und wohl auch verhasst. Der Gelbeutel war schon damals der empfindlichste Körperteil des Menschen.

Doch kein Mensch ist nur schlecht. Etwas Gutes, zumindest das Verlangen gut da zu stehen steckt in jedem Menschen. So zählt Zachäus eine ganze Latte von guten Werken auf. Lassen wir es dahingestellt, ob das nur erfundenes Selbstlob oder auch die Wahrheit war. Jedenfalls wollte er aus den Verstrickungen, in denen  er sich befand, heraus; er wollte unbedingt Jesus sehen, von dem der wohl gehört hatte, dass der anders ist und anders urteilt, ja dass bei ihm jeder doch noch eine Chance hat.

So steigt er, klein von Gestalt, auf einen Maulbeerfeigenbaum. Das hat vermutlich komisch und lächerlich ausgesehen und die Umstehenden werden sich auch das ihre gedacht haben und dabei spöttisch das Gesicht verzogen haben.

Doch Jesus war in der Tat anders. Jesus hat einen offenen Blick für den, den die anderen für einen abgefeimten Schuft und Betrüger und für einen charakterlosen Vaterlandsverräter hielten. Trotz der ihn umgebenden Volksmenge, entdeckt er und sieht er den erwartungsvoll auf einem Baum sitzenden Zachäus.   

Jesus dagegen sieht ihn, und er sieht auch in die verborgensten Winkel seines Herzens. Jesus ist nicht gekommen um zu richten sondern um zu heilen. Er ist gekommen um zu retten, was verloren war.  

Deshalb ruft er: Zachäus, steig schnell herab. Noch heute muss ich in deinem Hause sein. Zachäus kann das vor Freude nicht fassen. Doch für alle anderen ist das zu viel. Für sie ist das Verhalten Jesu ein Skandal. Was, bei einem Sünder ist er eingekehrt. Mit einem solchen Kerl will man doch nichts zu tun haben, den muss man meiden, den kann man nur  exkommunizieren.

Doch Jesus denkt und handelt anders; er schließt niemand aus. Er sagt: "Der Menschsohn ist gekommen  um zu suchen und zu retten, was verloren ist." Das ist sein Programm und sein Thema, für das er sich am Ende sogar kreuzigen lässt. Das ist auch das Motto des Heiligen Jahres, das in diesen Wochen zu Ende geht.

III. Was Jesus da sagt ist die Grundbotschaft der Bibel. Die erste Lesung dieses Sonntags aus dem Weisheitsbuch sagt sie in anderer, wunder-schöner Weise: Gott ist ein Liebhaber des Lebens. In der  italienischen Übersetzung heißt es "un amante", ein Liebhaber; wenn man das weiblich formuliert und sagt "una amante", eine Geliebte, dann klingt ist das sogar etwas anrüchig. So war für die Juden das Verhalten und das Wort Jesu anrüchig, skandalös.

Jesus liegt mit seiner Barmherzigkeit quer zu den gängigen Meinungen damals wir heute. Seine Barmherzigkeit ist kein naives Gutmenschentum, keine Christentum light, kein Christentum zu herabgesetzten billigen Preisen, welche schuldhaftes Versagen nicht mehr ernst nimmt und allzu schnell mit dem Schwamm des Verzeihens darüber wischt.

Barmherzigkeit ist Ausdruck der Treue Gottes. Gott bleibt seinem Schöpfung, Gott bleibt dem Menschen, der Krone seiner Schöpfung, Gott bleibt seinem Volk treu. Er gibt niemand auf, wenn dieser sich nicht selbst aufgibt und sich der Gnade Gottes sich nicht endgültig verweigert.

Gott verharmlost nicht die Sünde; er hasst sie, weil sie den Menschen zerstört. Er liebt nicht die Sünde, er liebt den Sünder und will ihn aus seinen Verstrickungen befreien, ihm immer wieder neu eine Chance geben. Seine Barmherzigkeit ist, wie es in den Psalmen heißt, so weit wie die Wolken ziehen; sie ist grenzenlos. Sie ist auch unendlich groß. Thomas von Aquin sagt, die Vergebung sein ein größeres Werk Gottes als die Schöpfung von Himmel und Erde; sie bedeutet Neuschöpfung des Menschen und so wirklich neuer Anfang und immer wieder neue Hoffnung.

Gott ist damit sich selbst treu. Er ist Liebe und er ist seiner in seinem Handeln seiner Liebe treu. In seiner Barmherzigkeit lässt er uns in sein Herz schaffen und offenbart er sein tiefstes, uns Menschen unfassbares Wesen, sein Anderssein, seine Souveränität seine Transzendenz wie seine Zugewandtheit und Nähe zu uns Menschen in der Armseligkeit unserer Verstrickungen. Er löst die uns unlösbaren Knoten und Verknotungen unserer Existenz. Auf ihn  ist immer und in jeder Situation Verlass, Hoffnung gegen alle Hoffnung.

Wir alle sind Zachäus. Die Frohe Botschaft für ihn gilt uns allen: Zachäus, steig herab, du darfst herabsteigen und dich wieder sehen lassen wenn du dich verstiegen hast. Ich verurteile dich nicht; ich kehre bei dir ein, und du bist eingeladen bei mir. in meiner Wohnung, in der Wohnung ewiger Barmherzigkeit zu sein. Sei darum auch du mit deinen Mitmenschen barmherzig; so wie ich barmherzig bin. Amen.  

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