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Stirbt das Christentum in Syrien aus?

Zerstörte Stadt Darʿā im Südwesten von Syrien (Symbolbild)

Stirbt das Christentum in Syrien aus? Um auf diese drohende Gefahr hinzuweisen, besuchen Msgr. Amer Kassar, der Generalvikar der syrisch-katholischen Erzdiözese Damaskus, und Dr. Nabil Antaki, ein Facharzt für Innere Medizin und Leiter der Blauen Maristen in Aleppo, Mitte September 2023 die Bundeshauptstadt Berlin. In Begleitung von Pfarrer Peter Fuchs von Christian Solidarity International Deutschland treffen sie dort Priester, Diplomaten, Politiker und Journalisten. Beim Deutschen Orient-Institut, der Katholischen Akademie und dem Institut St. Philipp Neri referieren sie über die aktuellen Herausforderungen der syrischen Christen.

„Die militärische Situation“, erläutert Dr. Antaki, „ist derzeit eingefroren“. Während die syrische Regierung bereits 70 Prozent des Landes wieder unter Kontrolle hat, dominieren im Nordwesten die Türkei, im Nordosten Kurden und die USA und in der Provinz Idlib islamistische Gruppen. Die wirtschaftliche und humanitäre Situation verschlimmere sich dagegen stetig. Die akute Inflation treibe die Preise in die Höhe. Es herrsche ein Mangel an Elektrizität, Benzin, Medikamenten und Grundnahrungsmitteln wie Brot, weshalb etwa 90 Prozent der Bevölkerung auf materielle Unterstützung zum Überleben angewiesen sei, verdeutlicht Antaki.

Die wesentlichen Ursachen für diese Schieflage seien die Wirtschaftssanktionen der USA und der Europäischen Union, die Folgen der Corona-Krise, die Finanzkrise im Libanon und das Erdbeben im Frühjahr 2023. Besonders problematisch sei, dass sich diese Probleme gegenseitig verstärkten. So seien in Aleppo Menschen durch das Erdbeben ums Leben gekommen, da die eingestürzten Gebäude bereits während des Krieges beschädigt worden waren, aber aufgrund des durch die Sanktionen herbeigeführten Mangels nicht vollständig rekonstruiert werden konnten, erzählt Antaki.

Zu diesen allgemeinen Missständen kommt die demographische Krise der syrischen Christenheit hinzu. Msgr. Amer Kassar schildert, viele Pfarreien seien überaltert, was in den Seminaren, Klöstern, Jugend- und Pfadfindergruppen für Nachwuchsmangel sorgt und die Geistlichen vor neue Herausforderungen stellt, da sie sich verstärkt um die materiellen Nöte ihrer Gläubigen zu kümmern hätten. Die Hauptursache für den demographischen Niedergang sei die Emigration. Hinzu komme der Kindermangel vieler christlicher Familien, die ihren Kindern zwar eine gute Ausbildung bieten wollen, oft aber nur im Hinblick auf die dadurch verbesserten Chancen im Ausland. Dieser Exodus der Christen erschwere den Wiederaufbau und gefährde die langfristige christliche Präsenz vor Ort, die für die Identität Syriens prägend sei. Im gesamten Nahen Osten seien christliche Gemeinschaften „Zivilisationen des Friedens“ und „Zeugnis der Nächstenliebe“, erklärt Kasser. Nun gebe es in Syrien nur noch ungefähr 500.000 Christen, vor dem Krieg seien es aber rund zwei Millionen gewesen.

Die Versuchung, auszuwandern, werde zudem durch psychologische Folgen des Krieges wie Traumata, Depressionen, Schlaflosigkeit sowie Todes- und Existenzängste vergrößert: „Wenn ein Mensch gezwungen ist, die Grundlagen des täglichen Lebens aufzugeben – Beziehungen, Essen, Lernen unter jungen Menschen, Familienbande – hat dies schwerwiegende Auswirkungen auf seine psychische Gesundheit. Gleichzeitig mit der massiven Auswanderungswelle sinkt das Bildungsniveau täglich“, beschreibt Kasser die derzeitige Lage.

So vielschichtig wie die Probleme mögen auch deren Lösungen sein. Ein entscheidender Ansatz ist laut den beiden syrischen Christen jedoch die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien, was die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und internationalen Handels ermögliche. Antaki betont, die Sanktionen seien ineffektiv, illegal, tödlich und korruptionsfördernd, wohingegen ihr Ende den Syrern eine Zukunftsperspektive geben und dadurch auch die Auswanderungswelle beenden würde. An die deutsche und europäische Politik gewandt, sagt er: „Bitte nehmt uns wieder in die internationale Gemeinschaft auf.“

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