Vatikanstadt, 02 Mai, 2025 / 3:30 PM
Mit unter Kardinälen ungewöhnlich scharfen Worten hat der französische Kardinal Philippe Barbarin die mögliche Wahl von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin kritisiert, die von vielen Beobachtern als nicht unwahrscheinlich eingeschätzt wird. „Um ehrlich zu sein, finde ich, dass Kardinal Parolin zwar kompetent ist, aber nicht das Format hat, das man idealerweise von einem Staatssekretär und erst recht von einem Papst erwarten würde“, so Barbarin am Mittwoch gegenüber Paris Match.
Barbarin ist der emeritierte Erzbischof von Lyon, aber mit 74 Jahren weiterhin wahlberechtigt. Papst Franziskus hatte den Rücktritt von Barbarin 2020 angenommen. Zuvor hatte der Kardinal wegen seines Umgangs mit Missbrauch in der Kritik gestanden. Konkret wurde ihm vorgeworfen, einen Bericht über Missbrauch an Minderjährigen nicht an die Polizei weitergeleitet zu haben. Zunächst wurde Barbarin im Jahr 2019 zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein und wurde 2020 freigesprochen. Wenige Wochen später nahm Papst Franziskus das bereits im Jahr zuvor eingereichte Rücktrittsgesuch von Barbarin an.
Am Mittwoch erklärte der Kardinal: „Ich sehe Kardinal Parolin nicht als nächsten Papst, und zwar eher aus einem strukturellen als aus einem persönlichen Grund. Als Staatssekretär ist seine Rolle für die tägliche Führung des Vatikans von grundlegender Bedeutung. Er muss sicherstellen, dass die Verwaltung effizient arbeitet, doch die Ergebnisse bleiben hinter den Erwartungen zurück.“
„Darüber hinaus ist die Mission des Papstes von anderer Natur – er muss seinen Blick auf die Universalkirche und die ganze Welt richten“, führte Barbarin aus. „Das päpstliche Amt erfordert eine umfassende pastorale Sichtweise, während sich der Staatssekretär auf die interne Organisation der Römischen Kurie konzentrieren muss.“
Auf die inzwischen fast schon obligatorische Frage, ob ein kurzes oder ein langes Konklave zu erwarten sei, sagte er: „Ich rechne eher mit einem relativ schnellen Prozess. Dennoch ist Vorsicht geboten, da es immer wieder zu Blockaden kommen kann.“
„Vom ersten Abend des Konklaves an haben wir eine klare Vorstellung von der Verteilung der Stimmen, was von grundlegender Bedeutung ist“, plauderte Barbarin, der bereits 2005 und 2013 am Konklave teilnahm, aus dem Nähkästchen. „Das ist ein Moment der Wahrheit: Vor dem Konklave behaupten die Medien, alles zu wissen, wissen aber nichts; ab dem Abend des ersten Tages des Konklaves wissen wir genau, wohin die Stimmen gehen, während die Journalisten im Dunkeln tappen.“
„Und ich kann Ihnen sagen, dass am selben Abend im Domus Sanctae Marthae, in dem wir wohnen, die Gespräche besonders lebhaft sind, sobald das Wahlgeheimnis zwischen uns gelüftet ist“, fügte er hinzu.
Barbarin sprach nicht nur über Parolin, sondern auch über den französischen Kardinal Jean-Marc Aveline, den Erzbischof von Marseille. Er sei „sicherlich eine Persönlichkeit von großer Qualität“, betonte Barbarin, der gleichzeitig einräumte, dass „in den Diskussionen, die ich geführt habe, sein Name nicht besonders hervorgehoben wurde. Ich habe nicht gehört, dass sich ein Kardinal explizit für ihn eingesetzt hätte.“
„Selbst als wir eine so außergewöhnliche Figur wie Kardinal Lustiger hatten, der über einen beträchtlichen Einfluss verfügte, schlug sich dies nicht in einer bedeutenden Unterstützung bei früheren Konklaven nieder“, erläuterte Barbarin. „Jean-Marc Aveline hat sicherlich große Qualitäten, aber er hat nicht dieselbe internationale Statur. Zum Vergleich: Ich glaube, dass Kardinal Bustillo bei den Wählern des Kardinalskollegiums mehr Interesse weckt.“
Kardinal François-Xavier Bustillo OFMConv ist seit 2021 Bischof von Ajaccio auf Korsika. Papst Franziskus machte ihn 2023 zum Kardinal. Mit 56 Jahren ist Bustillo noch sehr jung.
Barbarin sagte, er könne sich einen Europäer, einen Afrikaner oder einen Asiaten als nächsten Papst vorstellen: „Ein Amerikaner wäre aus geopolitischen Gründen vielleicht komplexer.“
Zum Alter des künftigen Papstes führte der Kardinal aus: „Ich persönlich neige, obwohl ich mich irren könnte, zu der Annahme, dass wir eher jemanden wählen werden, der jünger als 70 Jahre ist. Dies ist lediglich meine Intuition, ohne besondere Informationen. Die Kirche steht vor großen Herausforderungen, die wahrscheinlich ein Pontifikat von einiger Dauer erfordern werden, um eine kohärente Vision umzusetzen.“
Jedenfalls müsse der nächste Papst „zwei grundlegende Eigenschaften besitzen: Er muss ein echter Seelsorger und ein solider Theologe sein. Wir brauchen jemanden, der dem Volk Gottes nahe ist und gleichzeitig ein tiefes theologisches Verständnis hat, denn er wird weiterhin ein Glaubenslehrer sein, dessen Lehre zählt. Für mich verkörperte Johannes Paul II. dieses Modell: ein unermüdlicher Hirte, der so viele Ortskirchen wie möglich besuchte und gleichzeitig eine substanzielle Lehre anbot.“
Das Konklave beginnt am 7. Mai, einem Mittwoch. Am ersten Tag findet ein Wahlgang statt, am zweiten dann vier Wahlgänge. Nach drei Tagen ohne Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Kandidaten ist eine Unterbrechung von höchstens einem Tag vorgesehen, „um eine Pause für das Gebet, für ein zwangloses Gespräch unter den Wählern und für eine kurze geistliche Ansprache durch den ranghöchsten Kardinal aus der Ordnung der Diakone zu haben“, so die Apostolische Konstitution Universi Dominici gregis, die das Prozedere regelt. Das Konklave hat zuletzt nie so lange gedauert, dass eine solche Pause nötig gewesen wäre.
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