Redaktion, 07 Oktober, 2025 / 9:00 AM
Auch nach über drei Jahrzehnten ist der Mord an Kardinal Juan Jesús Posadas Ocampo am 24. Mai 1993 am Flughafen von Guadalajara einer der umstrittensten und ungelösten Kriminalfälle Mexikos.
Der Erzbischof von Guadalajara wurde gegen 15:45 Uhr im Parkbereich des internationalen Flughafens mit 14 Schüssen aus automatischen Waffen getötet, während er auf die Ankunft des päpstlichen Nuntius Girolamo Prigione wartete.
Seitdem stehen sich zwei völlig unterschiedliche Narrative der Ereignisse gegenüber: die offizielle Darstellung einer tragischen Verwechslung und die Überzeugung der katholischen Kirche, es handele sich um ein gezieltes Attentat.
Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft (PGR) unter dem damaligen Generalstaatsanwalt Jorge Carpizo vertritt bis heute die Ansicht, dass der zum Todeszeitpunkt 66 Jahre alte Kardinal Opfer einer tragischen Verwechslung geworden sei.
Demzufolge hielten Auftragskiller des Tijuana-Kartells, die von den Arellano-Félix-Brüdern angeführt wurden, den Kardinal für ihren Erzfeind Joaquín „El Chapo“ Guzmán, den Anführer des Sinaloa-Kartells. Die beiden Kartellbosse fuhren angeblich ähnliche Fahrzeuge: weiße Grand Marquis derselben Bauart und Farbe.
Die Schützen stammten hauptsächlich aus der Logan-Heights-Gang aus San Diego und arbeiteten als Auftragsmörder für das Tijuana-Kartell. Sie eröffneten das Feuer auf das vermeintliche Fahrzeug El Chapos.
Als Drahtzieher des Anschlags wurden Juan Francisco Murillo Díaz, auch „El Güero Jaibo“, und Édgar Nicolás Villegas, auch „El Negro“, identifiziert. Laut dieser Version befand sich Guzmán selbst ebenfalls am Flughafen. Er entkam dem Attentat unverletzt und wurde im Juni 1993 in Guatemala festgenommen.
Kirche zweifelt: Indizien für ein gezieltes Attentat
Die katholische Kirche Mexikos hat die offizielle Version von Beginn an vehement bestritten. Kardinal Juan Sandoval Íñiguez, Posadas’ Nachfolger als Erzbischof von Guadalajara, erklärte 2016 in einem Facebook-Video offen, der Mord sei „ein Verbrechen des Staates, begangen von der Bundespolizei, also der PGR-Polizei“.
Er beschuldigte Rodolfo León Aragón, den damaligen Direktor der mexikanischen Bundespolizei, seine Befehle vermutlich von Generalstaatsanwalt Jorge Carpizo erhalten zu haben.
Auch der Gerichtsmediziner Mario Rivas Souza, der die Leiche des Kardinals untersuchte, widersprach dem offiziellen Narrativ. Rivas Souza gab 2007 an, er habe von Präsident Carlos Salinas de Gortari die schriftliche Anweisung erhalten, keine Autopsie an dem Kardinal vorzunehmen.
Der Mediziner stellte fest, dass die Schüsse aus nächster Nähe abgegeben wurden – er sprach von Pulverrückständen am Bart des Kardinals, die nur bei Schüssen aus unmittelbarer Nähe entstehen. „Die Schüsse waren nicht nur direkt, sie waren sehr direkt!“, erklärte Rivas Souza. Der Kardinal wurde von insgesamt 15 Kugeln getroffen.
Mögliche Motive für ein gezieltes Attentat
Es gibt mehrere Theorien, die versuchen zu erklären, warum Kardinal Posadas Ocampo gezielt ermordet worden sein könnte. Der Kirchenmann hatte sich wiederholt kritisch über die Verflechtungen zwischen Drogenhandel und Politik geäußert.
In seiner Funktion als Erzbischof von Guadalajara hatte er die Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und staatlichen Behörden öffentlich angeprangert.
Eine andere Theorie besagt, der Kardinal habe versucht, zwischen den rivalisierenden Kartellen zu vermitteln oder einen Friedensvertrag zwischen den Drogenhändlern und der Regierung auszuhandeln.
(Die Geschichte geht unten weiter)
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Der päpstliche Nuntius Girolamo Prigione führte nach dem Mord geheime Gespräche mit den Arellano-Félix-Brüdern. Dies nährt die Vermutung, dass kirchliche Würdenträger als Vermittler zwischen Kartellen und Staat fungierten.
Widersprüche und ungeklärte Aspekte
Die offizielle Untersuchung weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. Der Gerichtsmediziner Rivas Souza betonte, dass Generalstaatsanwalt Carpizo gelogen habe, als er behauptete, die Schüsse seien von hinten abgegeben worden, denn „er hat die Leiche nicht einmal gesehen“.
Forensikexperten bestätigten, dass es kein Kreuzfeuer gegeben hatte und der Kardinal aus nächster Nähe mit 15 Kugeln getroffen wurde.
Besonders brisant ist die Tatsache, dass Posadas und die Arellano-Félix-Brüder sich kannten. Berichte deuten darauf hin, dass der Kardinal eine Tochter von Benjamín Arellano Félix getauft hatte, als er in Tijuana tätig war. Dies macht eine Verwechslung noch unwahrscheinlicher.
Die ursprüngliche Untersuchung wurde von General Jesús Gutiérrez Rebollo geleitet, der später selbst wegen Drogenverbrechen verurteilt wurde. Dies wirft zusätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der offiziellen Ermittlungen auf.
Mehr als 30 Jahre nach der Tat sind nur noch vier Personen in Haft, während über 30 Verdächtige bereits freigelassen wurden. Unter den Inhaftierten befindet sich Manuel Alberto Rodríguez Rivera, der mutmaßliche Schütze. Francisco Rafael Arellano Félix, der älteste der Arellano-Brüder und einer der Hauptverdächtigen, wurde 2013 in Los Cabos von einem als Clown verkleideten Auftragsmörder erschossen.
Die mexikanische Bischofskonferenz bezeichnete den bis heute ungelösten Mord als „offene Wunde“ in den Herzen der Gläubigen sowie in der Geschichte des Landes.
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