Redaktion, 30 November, 2025 / 6:40 PM
Papst Leo XIV. ist im Libanon eingetroffen und beginnt damit den zweiten Teil seiner ersten Apostolischen Reise nach dem Amtsantritt im Mai. Zunächst traf er sich zu Gesprächen mit Präsident Joseph Khalil Aoun, dem Parlamentspräsidenten Nabih Berri und dem Ministerpräsidenten Nawaf Salam. Danach sprach er vor Vertretern der Regierung und der Zivilgesellschaft sowie vor Diplomaten.
Im Libanon sei der Friede „eine Sehnsucht und eine Berufung, ein Geschenk und eine stets offene Baustelle“, begann der Pontifex seine Ansprache. „Bei unserem heutigen Treffen möchte ich mit Ihnen ein wenig darüber nachdenken, was es bedeutet, unter sehr komplexen, konfliktgeladenen und unsicheren Umständen Friedensstifter zu sein.“
Die Tagesschau berichtete am Donnerstag zur Lage im Land: „Nahezu jeden Tag beschießt Israel den Libanon, vor allem mithilfe von Drohnen, die gezielt Autos oder Häuser ins Visier nehmen. Und das trotz der offiziellen Waffenruhe, die vor einem Jahr in Kraft trat.“
„Fast jedes Mal gibt es Tote, oft auch Zivilisten“, hieß es außerdem. „Erst vor wenigen Tagen starben in der Stadt Sidon mindestes 13 Menschen. Zuletzt griff Israel auch die südlichen Vororte der Hauptstadt Beirut an und tötete dort unter anderem den Generalstabschef der Schiitenmiliz Hisbollah, Haitham Ali Tabatabai.“
Papst Leo sagte vor diesem Hintergrund den Anwesenden: „Ihre Widerstandsfähigkeit ist ein unverzichtbares Merkmal echter Friedensstifter: Friedensarbeit ist nämlich ein ständiges Neuanfangen. Das Engagement und die Liebe zum Frieden kennen keine Angst vor scheinbaren Niederlagen und lassen sich nicht von Enttäuschungen beugen, sondern behalten Weitblick und vermögen alle Gegebenheiten hoffnungsvoll auf sich zu nehmen und anzunehmen. Es braucht Zähigkeit, um Frieden zu schaffen; es braucht Beharrlichkeit, um das Leben zu bewahren und wachsen zu lassen.“
„Um uns herum, fast überall auf der Welt, scheint eine Art Pessimismus und ein Gefühl der Ohnmacht zu herrschen“, fuhr der Papst fort. „Die Menschen scheinen nicht einmal mehr in der Lage, die Frage nach dem zu stellen, was sie tun können, um den Lauf der Geschichte zu ändern. Die großen Entscheidungen scheinen von wenigen getroffen zu werden, oft zum Nachteil des Gemeinwohls, und das erscheint wie ein unausweichliches Schicksal. Sie haben stark gelitten unter den Folgen einer Wirtschaft, die tötet, unter der globalen Instabilität, die auch in der Levante verheerende Auswirkungen hat, unter der Radikalisierung verschiedener Gruppierungen und unter Konflikten: Aber Sie haben immer wieder einen Neuanfang gewollt und geschafft.“
Anschließend ging Leo auf ein zweites Merkmal der Friedensstifter ein: „Sie sind nicht nur in der Lage, neu anzufangen, sondern sie tun dies vor allem auf dem beschwerlichen Weg der Versöhnung. Es gibt nämlich persönliche und kollektive Wunden, deren Heilung viele Jahre, manchmal ganze Generationen erfordert. Wenn sie nicht behandelt werden, wenn man beispielsweise nicht daran arbeitet, die Erinnerung zu heilen, und diejenigen einander anzunähern, die Unrecht und Ungerechtigkeit erlitten haben, dann ist es schwierig, zum Frieden zu finden. Man bleibt stehen, ein jeder in seinem Schmerz und seinen eigenen Beweggründen gefangen. Die Wahrheit kann hingegen nur durch Begegnung in Ehren gehalten werden.“
Es gebe dabei „keine dauerhafte Versöhnung ohne ein gemeinsames Ziel, ohne Offenheit für eine Zukunft, in der das Gute über das Böse siegt, das in der Vergangenheit oder Gegenwart erlitten oder zugefügt wurde. Eine Kultur der Versöhnung entsteht daher nicht nur von unten, aus der Bereitschaft und dem Mut einiger weniger, sondern bedarf auch der Autoritäten und Institutionen, die das Gemeinwohl über das Partikularwohl stellen.“
Das Gemeinwohl sei „mehr als die Summe vieler Interessen: Es nähert die Ziele der Einzelnen einander soweit wie möglich an und führt sie in eine Richtung, in der alle mehr erreichen als wenn sie alleine vorgehen würden. Der Friede ist in der Tat viel mehr als ein stets prekäres Gleichgewicht zwischen Menschen, die getrennt unter einem Dach leben. Friede bedeutet, als versöhnte Menschen in Gemeinschaft zusammenleben zu können.“
„Schließlich möchte ich noch ein drittes Merkmal von Friedensstiftern hervorheben“, sagte Leo sodann. „Sie wagen es, zu bleiben, auch wenn dies Opfer erfordert. Es gibt Momente, in denen es einfacher ist, zu fliehen, oder es einfach bequemer erscheint, woanders hinzugehen. Es erfordert wirklich Mut und Weitsicht, im eigenen Land zu bleiben oder dorthin zurückzukehren und auch schwierige Bedingungen als der Liebe und Hingabe würdig anzusehen.“
In diesem Zusammenhang kam Leo auf das Thema Migration zu sprechen und betonte, die Kirche sei „nicht nur um die Würde derjenigen besorgt, die in andere Länder auswandern, sondern möchte, dass niemand zur Auswanderung gezwungen wird und dass jeder, der dies wünscht, sicher zurückkehren kann. Die Mobilität der Menschen stellt zwar eine enorme Chance der Begegnung und gegenseitiger Bereicherung dar, doch hebt sie nicht die besondere Bindung auf, die einen jeden mit bestimmten Orten verbindet, denen er seine Identität in ganz besonderer Weise verdankt.“
Mit Blick auf die gesamte Region fragte er: „Was kann getan werden, damit insbesondere die jungen Menschen sich nicht gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen und auszuwandern? Wie kann man sie motivieren, den Frieden nicht anderswo zu suchen, sondern dabei zu mitzuhelfen, ihn in ihrer Heimat sicherzustellen und selbst mitzugestalten?“
Außerdem hob Leo „die unverzichtbare Rolle der Frauen im mühsamen und geduldigen Engagement für die Bewahrung und den Aufbau des Friedens“ hervor. „Vergessen wir nicht, dass Frauen eine besondere Fähigkeit zur Friedensstiftung haben, weil sie es verstehen, tiefe Bindungen zum Leben, zu Menschen und zu Orten zu pflegen und zu entwickeln. Ihre Teilnahme am sozialen und politischen Leben wie auch am Leben ihrer religiösen Gemeinschaften ist – ähnlich wie die Energie, die von jungen Menschen ausgeht – weltweit ein Faktor echter Erneuerung.“
Der Friede sei „ein Geschenk, das von Gott kommt und vor allem in unseren Herzen wohnt“, schloss Papst Leo seine Ansprache. „Er ist wie eine innere Bewegung, die nach außen strömt und uns befähigt, uns von einer Melodie leiten zu lassen, die größer ist als wir selbst, nämlich der Melodie der göttlichen Liebe. Wer tanzt, schreitet leichtfüßig, ohne auf dem Boden zu trampeln, und bringt seine Schritte mit denen der anderen in Einklang. So ist der Friede: ein geistbewegtes Unterwegssein, das das Herz hörend und es den anderen gegenüber aufmerksamer und respektvoller werden lässt.“
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