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"Venezuela befindet sich in einer humanitären Krise"

Der Venezuela-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Reiner Wilhelm, beim Besuch einer Familie in einem Armenviertel der venezolanischen Stadt Coro. In der Pfarrgemeinde kochen die Menschen gemeinsam, um dann insbesondere arme Familien, behinderte und alte Menschen mit Suppe zu versorgen.

"Die Vereinten Nationen und die deutsche Bundesregierung müssen die humanitäre Notlage endlich auch offiziell anerkennen. Nur so kann der Druck auf die venezolanische Regierung erhöht werden, endlich einen Korridor für die überlebensnotwendigen Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen zu öffnen", ist der Venezuela-Experte Reiner Wilhelm überzeugt.

Dreieinhalb Wochen hat Wilhelm sich ein Bild von der Situation in dem südamerikanischen Land und der Arbeit der Adveniat-Projektpartner gemacht. 87 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, wie zuletzt eine Studie der drei angesehenen Universitäten in der Hauptstadt Caracas belegt.

Dabei verfügt Venezuela über die größten Erdölreserven weltweit, ist reich an weiteren Bodenschätzen – wie zum Beispiel Gold, Diamanten und Coltan – und es gibt riesige, fruchtbare Ackerflächen, auf denen problemlos zwei Mal im Jahr die Ernte eingefahren werden kann. "Doch die Regierung eines ‚Sozialismus des 21. Jahrhunderts‘ unter den Präsidenten Nicolas Maduro und seinem Vorgänger Hugo Chavez haben Venezuela in das Armenhaus des Kontinents verwandelt", kritisiert Wilhelm. "Die Menschen wühlen im Müll nach Essbarem. Medikamente wie Antibiotika oder Insulin gibt es im Land längst nicht mehr zu kaufen. Und für den Mindestlohn mit sämtlichen staatlichen Zulagen, den weite Teile der Angestellten erhalten, kann man gerade einmal ein Kilo Maismehl, ein Kilo Zucker und ein Kilo Fleisch kaufen."

Die einzige Institution, die noch das Vertrauen der Bevölkerung genießt ist die katholische Kirche. "Die Kirche ist die einzige Opposition im Land, die sich an der Seite der Menschen für politische und soziale Veränderungen einsetzt", so Wilhelm. In den Pfarrgemeinden werden die wenigen Medikamentenspenden, die meist nur über verschlungene Wege ins Land kommen, an diejenigen verteilt, die sie am dringendsten benötigen. In vielen Diözesen sind in den letzten Jahren Suppenküchen entstanden. Es sind häufig die Gemeindemitglieder selbst, die Gemüse, Reis, Nudeln und in manchen Fällen auch Fleisch spenden, um dann gemeinschaftlich zu kochen und das Essen vor allem mit denen zu teilen, die es am dringendsten brauchen. "Die venezolanische Kirche von der Basis bis zur Bischofskonferenz lebt Solidarität und sozialen Ausgleich in einem Land, dessen Regierung die Menschen und die Ressourcen gnadenlos ausplündert", stellt Adveniat-Referent Wilhelm fest.

Die Jugend aus allen Schichten der Bevölkerung stimmt inzwischen mit den Füßen ab. Offiziell zwei Millionen – Schätzungen gehen allerdings von der doppelten Zahl aus – haben das Land bereits verlassen.

"Viele Familien leben in Venezuela von den Dollars und Pesos, die ihnen die Verwandten aus den Nachbarländern schicken", berichtet der Venezuela-Experte von seinen Erfahrungen vor Ort. Bis sich für die Menschen die Hoffnung auf ein neues und besseres Leben wenigstens in einigen Fällen erfüllt, liegt ein harter und gefährlicher Weg vor ihnen. "Entlang der Grenze zu Kolumbien sind die Menschen schutzlos der Willkür der Nationalgarde, der Drogen- und Menschenhandels-Mafia sowie den kolumbianischen Guerilleros und Paramilitärs ausgesetzt", erläutert Wilhelm.

Das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt die kirchlichen Einrichtungen vor Ort direkt, damit sie Gesundheitszentren bauen, Suppenküchen unterhalten und die Migranten entlang der Grenze betreuen können. "Als Weltkirche dürfen wir die venezolanische Kirche nicht allein lassen. Sie braucht unsere bedingungslose Unterstützung, um als letzte funktionierende und glaubwürdige Institution des Landes den Menschen in ihrer unbeschreiblichen Not zu helfen", appelliert Wilhelm.

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