Wohlwollende, liebevolle Blicke von Eltern, Großeltern und Freunden ruhen auf Liebespaaren, die scheu, behutsam und oft verborgen vor der Welt einander zu entdecken und zu erkennen beginnen. Manche sagen, Liebe sei rauschhaft, eine ungezügelte Leidenschaft, romantisch natürlich. Kennen Sie Johann Wolfgang von Goethes "Egmont"? Im dritten Aufzug ist Klärchen ganz erfüllt und sagt die berühmten Worte: 

 

"Freudvoll 

Und leidvoll, 

Gedankenvoll sein; 

Langen 

Und bangen 

In schwebender Pein, 

Himmelhoch jauchzend, 

Zum Tode betrübt; 

Glücklich allein 

Ist die Seele, die liebt."

 

1788 erschien Goethes Drama, ein Trauerspiel, keine Liebeskomödie. Klärchens Mutter erwidert ängstlich, ein wenig schroff und nüchtern: "Laß das Heiopopeio!" Anders gesagt: Sei realistisch. Der Überschuss an Sehnsucht und Lust garantiert noch nicht das, was wir Liebe nennen, und verbürgt keine Stabilität. Auch Karol Józef Wojtyła hat in seinen moraltheologischen Traktaten, in den Enzykliken im Pontifikat und auch in den Gedichten über Liebe nachgedacht. Er weiß, dass der Bund fürs Leben nicht aus der Fantasie erwächst, dass es nicht hinreichend ist, dass ein Junge und ein Mädchen, dass ein Mann und eine Frau einander herzlich zugetan, vielleicht vor Leidenschaft entbrannt sind, sondern dass an Gottes Segen alles gelegen ist. Ebenso weiß er, dass nicht alle, die mit Hingabe und Gewissheit das Ja-Wort sagen, wirklich ehefähig sind. Dieses Problem ist durch den Glaubensschwund in den letzten Jahren und Jahrzehnten noch sehr viel deutlicher zutage getreten: Wer von den gläubigen Katholiken ist heute wirklich sakramentsfähig?  

Wojtyła verfasste ein Gedicht, das er "Kinder" nannte:

 

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"Sie wachsen flugs heran durch Liebe.

Und dann auf einmal sind sie erwachsen, wandern Hand in Hand in der großen Menge – 

Ich weiß, daß in ihren Herzen der Puls der Menschheit schlägt.

 

Sie haben sich Hand in Hand am Ufer niedergelassen.

Noch schweben sie über dem Wasser.

Doch wird es immer so sein – wenn sie aufstehn, von dannen gehn?"

 

Schwebend, von Glücksgefühlen berauscht, auch von aufrichtiger Zuneigung getragen – aber der Theologe und Philosoph sieht nicht den Moment, sondern er schaut hinaus ins Weite. Die Verliebten wirken wie entrückt. So bleibt es nicht. Verliebtheit genügt nicht, der Rausch vergeht. Davon spricht, auf andere Weise, auch Klärchens Mutter in Goethes "Egmont". Der spätere Papst fährt fort:

 

"Oder anders: Der Kelch des Lichts, geneigt zwischen Gräsern,

muß einen fremden Grund in jedem von ihnen zeigen.

Das, was in euch begann, wird es nicht bald verwesen,

werdet ihr Gut und Böse immer unterscheiden?"

 

(Der Gedanke ist eine seltsame Weite, Freiburg 1979, 16 f.)

 

Die Liebenden dürfen Gott in ihrer Beziehung nicht außen vor lassen. Was sie verbindet, reicht über ihr Gefühl, ihre Vernunft, ihr Versprechen hinaus. Ob sie das beide ganz wissen, wenn sie das Ja-Wort sprechen? Noch laufen diese beiden Kinder, Junge und Mädchen, Mann und Frau, als Kinder Gottes, Hand in Hand – wie schwebend – durch diese Welt. Sie träumen, hoffen, sind verliebt, lieben einander. Aber wissen sie, dass das Sakrament tiefer reicht als ein weltliches Versprechen? Was Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Nicht jeder aber, der das Ja-Wort spricht, verfügt über die notwendige Reife. Der Liebesbeziehung unter Mann und Frau geht die Gottesbeziehung voraus, und auch die Gottesbeziehung darf in der Ehe nicht verkümmern oder erlöschen. 

Die "Kinder" sind vom Alter her vielleicht erwachsen, aber sind sie auch tauglich für das Sakrament der Ehe? Sie lieben sich doch, denken die Angehörigen, und wünschen ihnen das Beste. Jeder von uns hat Liebespaare vor Augen, Ehepaare, sakramental verbunden, und die meisten von uns kennen oder erinnern sich an sehr persönliche Schwebezustände. Jeder kennt auch Schwierigkeiten, vielleicht auch die Einsamkeit in der Zweisamkeit. Die Frage, die der große Heilige stellt, macht nachdenklich: "werdet ihr Gut und Böse immer unterscheiden?" Wir denken an den jungen König Salomo, der um ein hörendes Herz bat, um Gottes Willen zu entsprechen, Gut und Böse zu unterscheiden – und wir sehen an seinem Beispiel auch, dass wir nicht aufhören dürfen, darum zu beten. Liebe und Ehe wachsen, gedeihen und leben vom und im Gebet. Der gute Wille genügt nicht. In den Herzen der jungen Liebenden schlägt der "Puls der Menschheit" – ein schöner, frohmachender und hoffnungsvoller Gedanke. Möge jungen Liebenden, die sich trauen, auf das Sakrament der Ehe zuzugehen, immer ein hörendes Herz füreinander, für Gott und Seine Kirche geschenkt sein. An Gottes Segen ist alles gelegen.

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