Im Römerbrief des Apostels Paulus, aus dem Martin Luther bekanntlich die zentralen Einsichten und Aussagen seiner reformatorischen Theologie ableitete, wird an einer Stelle von der besonderen Macht des göttlichen Geistes gesprochen: interessanterweise jedoch nicht in Gestalt von umwerfenden Ereignissen, die an die vom Himmel fallenden Feuerzungen des Pfingstfestes erinnern, sondern in einer leisen, zu Herzen gehenden Feststellung.

Die Rede ist vom Geist, der unserer Schwachheit aufhilft, und mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott für uns eintritt. Der Heilige Geist ist also nicht nur die machtvolle Kraft, die das Antlitz der Erde erneuert, sondern auch der Fürsprecher, der wie ein Anwalt an unserer Seite steht und sich um unser Leben und um unsere Zukunft sorgt. Nach der Botschaft, die Paulus in seinem Römerbrief niederschrieb, und die den suchenden Glauben Martin Luthers geradezu elektrisiert hat, ist jeder Mensch allein durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit gerettet: befreit von seinen Ängsten, seiner gottlosen Verbohrtheit, von der depressiven Einsicht in ein vermeintlich sinnloses Leben.

Man könnte einwerfen, dass der Mensch nur deswegen kleingeredet wird, als Erdenwurm, um Gottes Liebe und Erbarmen umso strahlender aufleuchten zu lassen. Eine solche Taschenspielerei ist der christlichen Verkündigung jedoch völlig fremd. Auch die Erfahrung von Schuld und Sünde ändert nichts an der Tatsache, dass die Würde jedes Menschen, als Gottes Ebenbild, unantastbar ist und bleibt.

Die Heilige Schrift lehrt uns, zwischen Sünder und Sünde zu unterscheiden. Und so ist es kein Widerspruch, sondern eine besonders kühne Aufrichtigkeit, wenn wir Menschen uns trotz jener unverlierbaren Hoheit auch unsere Zerbrechlichkeit eingestehen. Dass wir – um mit Paulus zu sprechen – oft das Gute, das wir im Innersten wollen, preisgeben und in einer faszinierten Blindheit des Augenblicks dann doch das Böse tun. Wer kennt nicht Beispiele dafür im eigenen Leben?!

Das Christentum ist realistisch genug, um in einem Atemzug von der Hoheit und der Erbärmlichkeit des Menschen zu reden. Der französische Philosoph Blaise Pascal hat dies als grandeur et misère de l’homme bezeichnet. Wenn dann Gottes Geist uns in den unrühmlichen Momenten unserer Existenz begegnet, geschieht es mit der zärtlichen Behutsamkeit einer Freundin, eines Freundes, die sich nicht von uns abwenden, sondern Trost spenden und Solidarität üben, uns vor uns selbst verteidigen und in Schutz nehmen: die Liebe und das Erbarmen Gottes erahnen lassen.

Dass es dabei manchmal "ums Ganze" geht, wird mit jenem Hinweis auf das "unaussprechliche Seufzen" angedeutet. Gottes Geist leidet mit, er lässt sich selbst verwunden im Drama von Gut und Böse.

Paulus führt seinen Hinweis auf den Geist, der unserer Schwachheit aufhilft, mit folgender Feststellung ein: "Wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen". Es gibt Situationen, in denen wir verstummen und keine Worte des Gebetes mehr finden. Gerade auch in diesem verzweifelten Stammeln oder einer wortlosen Hilflosigkeit haben wir einen, der für uns eintritt.

Es ist Gottes Heiliger Geist, der uns zuraunt: "Hab' keine Angst! Du bist nicht allein!"

Monsignore Wolfgang Sauer ist Ehrendomkapitular der Erzdiözese München und Freising und war u. a. langjähriger Geistlicher Direktor des Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuches (IFP), Missionsdirektor der Erzdiözese Freiburg und Mitglied verschiedener Gremien und Verwaltungsräte katholischer Hilfswerke.

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