Das Corona-Jahr brachte ein digitales Update, so glauben viele Hauptamtliche in der Kirche, die teilweise bis heute von virtuellen Gottesdiensten schwärmen. Müssten wir nicht alle viel aufgeschlossener für digitale Formate sein? Ach, müssen muss kein Mensch. Indessen, der Privatdozent Dr. Christian Schramm, der Leiter der Hildesheimer Bibelschule, berichtet über die digitale Bildungsoffensive, die „Digitale Domschule“, in seinem Bistum:  „Wir lernen nicht für die Schule, … sondern wir lernen fürs Leben.“ – Non scholae sed vitae discimus. Dieses Bonmot ist von Generationen von Schüler*innen satirisch-ironisch umformuliert worden: »Wir lernen nicht für die Schule, sondern wir lernen für die Katz‘/Tonne!« Womit wir auf eine höchst zentrale Herausforderung gestoßen sind, die auch für die Digitale Domschule relevant ist.“

Über die „höchst zentrale Herausforderung“ denken die Initiatoren vielleicht noch nach – welche mag das sein? In jedem Fall stammt das „Bonmot“ vom römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca und ist, anders als Dr. Schramm vermutet, nie von Schülern ins Gegenteil verkehrt worden, vielleicht aber von Schulmeistern in den analogen „Zwangsanstalten“ (Thomas Mann) namens Schule gestern und heute. Der Philosoph Seneca war nämlich klug genug, seinem Schüler Lucilius im 106. Brief zu schreiben: „Non vitae, sed scholae discimus. = Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“ Generationen von Schülern haben das seither erfahren und bestätigt. Seneca hat das in der Antike klar erkannt. Manchmal sind Philosophenworte Gold wert.

„Satirisch-ironisch“ könnte man eher über die „Digitale Domschule“ sprechen, denn auf der Homepage lesen wir: „In einer von Komplexität geprägten Gesellschaft ist Lernen permanenter Prozess und Kernaufgabe von Menschen und Organisationen. Digitale Transformationen sind hierfür Auslöser und Grunddynamik sowie Teil einer Führungsstrategie, die einen Umgang mit den vorliegenden Herausforderungen sucht.“ Dieser gravitätisch-feierlich formulierte Satz verfügt über ein hohes Narkosepotenzial. Ob für diesen Gedanken, der unter der Rubrik „Die Idee“ verzeichnet ist, dasselbe gilt wie für den Aspekt „Campus“? Denn dort weisen die Gestalter der Homepage auf etwas sehr Wichtiges hin: „Wir sind in der Digitalen Domschule noch in einer Testphase. Wir probieren aus und lernen erst einmal selbst. Die Inhalte auf dieser Seite sind zu Testzwecken gesammelt worden. Bitte nehmen Sie die Texte, Bilder und Fragen nicht ernst.“ Der Hinweis ist sicher freundlich gemeint. Aber wer die Homepage besucht, weiß sofort – die Lern-, Test- und Erprobungsphase dauert an. Was lernen wir also in der „Digitalen Domschule“? Natürlich begegnen uns auch dieselben Fragen wieder: „Was haben Kirche und Digitalisierung damit zu tun? Und wie kann digitale Bildung bei der Veränderung von Kirche helfen?“

Die deutschkatholische Kirchenveränderungspartei bewegt sich, von sich selbst und ihren Ideen begeistert, seit einiger Zeit schon auf dem „Synodalen Weg“ – manchmal analog, manchmal digital und immer mehr fort von Rom. Auch der Frankfurter Pastoraltheologe Wolfgang Beck schwärmt von der kirchlichen Online-Welt: „Natürlich nutzen in der Corona-Pandemie auch die Kirchen digitale Tools intensiver. Und es zeichnet sich ab, dass viele Entwicklungen erhalten bleiben. Dass Menschen für eine einfache Konferenz hunderte Kilometer durchs Land fahren, gehört hoffentlich der Vergangenheit an. Aber in den Kirchen gibt es auch sehr viele Akteur:innen, die noch von einer Rückkehr in frühere Verhältnisse und Arbeitsweisen träumen. Entscheidend scheint mir aber, dass die Gegenüberstellung von digitalen und analogen Elementen zunehmend verschwindet und hybride Arbeitsformen und Vermischungen zunehmend dominieren. Daraus dürften sich für alle Bereiche des kirchlichen Lebens Effekte ergeben. Und die sind zu gestalten, nicht zu verteufeln. Das kirchliche und auch theologische Nachdenken darüber hat eigentlich gerade erst begonnen.“ Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, aber wenn die Kirche heute bildungsorientiert online gehen will – bleibe ich angesichts solcher Formate lieber konsequent offline. 

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