In „Fides et ratio“ erinnert Johannes Paul II. daran, dass „jede von der Kirche angestellte Reflexion“ ausnahmslos „auf der Grundlage des Bewußtseins“ erfolge, „Verwahrerin einer Botschaft zu sein, die ihren Ursprung in Gott selbst hat“: „Die Erkenntnis, die sie dem Menschen anbietet, rührt nicht aus ihrem eigenen Nachdenken her, und wäre es noch so erhaben, sondern aus dem gläubigen Hören des Wortes Gottes (vgl. 1 Thess 2, 13).“ Der Glaube setzt die Offenbarung des lebendigen Gottes voraus, beruhe auf einer „völlig ungeschuldeten Initiative, die von Gott ausgeht, um die Menschheit zu erreichen und zu retten“: „Gott als Quelle der Liebe will sich zu erkennen geben, und die Erkenntnis, die der Mensch von Ihm hat, bringt jede andere wahre Erkenntnis über den Sinn seiner eigenen Existenz zur Vollendung, zu der sein Verstand zu gelangen vermag.“ Der Mensch kann sich an Meinungen und Weltanschauungen binden und diese für wahr halten, aber dadurch werden sie nicht wahr. Die Wahrheit kann er sich nicht ausdenken: „Die Wahrheit, die Gott dem Menschen über sich und über sein Leben übergeben hat, ist eingebettet in Zeit und Geschichte. Sie ist natürlich ein für allemal im Geheimnis des Jesus von Nazaret verkündet worden.“ Die Geschichte werde zu dem Ort, an dem Gottes Handeln für die Menschheit erkennbar werde: „Die Menschwerdung Gottes erlaubt es, die ewige und endgültige Synthese vollzogen zu sehen, die sich der menschliche Geist von sich aus nicht einmal hätte vorstellen können: das Ewige geht ein in die Zeit, das Ganze verbirgt sich im Bruchstück, Gott nimmt die Gestalt des Menschen an. Die in der Offenbarung Christi zum Ausdruck gekommene Wahrheit ist somit nicht mehr in einen engen territorialen und kulturellen Bereich eingeschlossen, sondern öffnet sich jedem Mann und jeder Frau, der die sie als ein für allemal gültiges Wort annehmen will, um dem Dasein Sinn zu geben.“ Ist uns dies heute bewusst? Staunen wir vor dem Geheimnis des Glaubens? Beten wir den Herrn im Sakrament an? Folgen wir in Demut und Liebe treu der Kirche des Herrn und den Geboten? Oder leben wir so, als ob es Gott nicht gäbe?

Johannes Paul II. schreibt, dass das Geheimnis Gottes bleibe und nicht gänzlich offenbar werde, aber dass der Mensch gläubig „seine Zustimmung zu diesem göttlichen Zeugnis“ gebe: „Das heißt, er anerkennt voll und ganz die Wahrheit dessen, was geoffenbart wurde, weil Gott selbst sich zu ihrem Garanten macht. Diese dem Menschen geschenkte und von ihm nicht einforderbare Wahrheit fügt sich in den Horizont der interpersonalen Kommunikation ein. Sie drängt die Vernunft, sich der Wahrheit zu öffnen und ihren tiefen Sinn anzunehmen. Darum ist der Akt, mit dem man sich Gott anvertraut, von der Kirche stets als ein grundlegender Entscheidungsvorgang angesehen worden, in den die ganze Person eingebunden ist. Verstand und Wille setzen bis zum äußersten ihre geistige Natur ein, um dem Subjekt den Vollzug eines Aktes zu erlauben, in dem die persönliche Freiheit im Vollsinn gelebt wird. Im Glauben ist also die Freiheit nicht einfach nur da; sie ist gefordert. Ja, der Glaube ermöglicht es einem jeden, seine Freiheit bestmöglich zum Ausdruck zu bringen. Mit anderen Worten, die Freiheit verwirklicht sich nicht in Entscheidungen gegen Gott.“ 

Die Vernunft versuche das Geheimnis zu verstehen, aber die rechte Einsicht eher die bleibend „verborgene Wahrheit …, auf die der Verstand verwiesen wird und von der er nicht absehen kann, ohne das ihm angebotene Zeichen selbst zu zerstören“ – die Wahrheit ist gegenwärtig im Allerheiligsten Sakrament des Altares: „Die Glaubenserkenntnis hebt also das Geheimnis nicht auf; sie macht es nur einsichtiger und offenbart es als für das Leben des Menschen wesentliche Tatsache.“ 

Nicht weltliche Denkansätze, nicht die verweltlichten Theologien und subjektive Religionsphilosophien, sondern die „christliche Offenbarung ist der wahre Leitstern für den Menschen zwischen den Bedingtheiten der immanentistischen Denkweise und den Verengungen einer technokratischen Logik; sie ist die äußerste von Gott angebotene Möglichkeit, um den ursprünglichen Plan der Liebe, der mit der Schöpfung begonnen hat, vollständig wiederzufinden“: „Dem Menschen, der sich nach Erkenntnis des Wahren sehnt, wird, sofern er noch imstande ist, den Blick über sich selbst und die eigenen Pläne hinaus zu erheben, die Möglichkeit gegeben, das natürliche Verhältnis zu seinem Leben dadurch wiederzugewinnen, daß er den Weg der Wahrheit geht.“ So bekräftigt der heilige Papst: „Die Wahrheit, welche die Offenbarung uns erkennen läßt, ist nicht die reife Frucht oder der Höhepunkt eines von der Vernunft aufbereiteten Denkens. Sie erscheint hingegen mit dem Wesensmerkmal der Ungeschuldetheit, bringt Denken hervor und fordert, als Ausdruck der Liebe angenommen zu werden. Diese geoffenbarte Wahrheit ist in unsere Geschichte gelegte Vorwegnahme jener letzten und endgültigen Anschauung Gottes, die denen vorbehalten ist, die an ihn glauben oder ihn mit aufrichtigem Herzen suchen.“ In diesen Glauben wachsen wir als Christen unser ganzes Leben hindurch hinein, in Gemeinschaft mit unserer Familie, mit den Schwestern und Brüdern im Glauben, mit den Heiligen, mit der Gottesmutter Maria. Gott bettelt um unsere Liebe – bis in die Sterbestunde hinein, wenn er uns das große Amen zuspricht und wir für immer nach Hause gehen dürfen.

Die bisher bei CNA Deutsch veröffentlichten Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken von Johannes Paul II. im Überblick.

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