Die Enzyklika „Caritas in veritate“ sieht Benedikt XVI. als Antwort der Kirche auf die Herausforderung der Globalisierung, die dazu führen kann, dass die „ethische Wechselbeziehung von Gewissen und Verstand“ nahezu ausbleibt, während die Abhängigkeit der Menschen und Völker voneinander zunimmt: Nur mit der vom Licht der Vernunft und des Glaubens erleuchteten Liebe ist es möglich, Entwicklungsziele zu erreichen, die einen menschlicheren und vermenschlichenderen Wert besitzen. Das Teilen der Güter und der Ressourcen, aus dem die echte Entwicklung hervorgeht, wird nicht allein durch technischen Fortschritt und durch bloß vom Kalkül bestimmte Beziehungen gewährleistet, sondern durch das Potential der Liebe, die das Böse durch das Gute besiegt (vgl. Röm 12, 21) und die Menschen dafür öffnet, in ihrem Gewissen und mit ihrer Freiheit aufeinander einzugehen.“

Wir sehen heute insbesondere vielfach ein falsches Verständnis der Autonomie und eine verbreitete Ahnungslosigkeit über den Begriff Freiheit, der vielfach mit existenzialistischen Formen der Selbstverwirklichung verwechselt oder mit einem säkularen Hedonismus sowie mit einer postmodernen Beliebigkeit identifiziert wird. Die Kirche, und daran erinnert Benedikt XVI., habe „zu allen Zeiten und unter allen Gegebenheiten eine Sendung der Wahrheit zu erfüllen für eine Gesellschaft, die dem Menschen und seiner Würde und Berufung gerecht wird“. Der Wahrheitsbegriff ist heute weithin verloren gegangen, ja aufgegeben – sichtbar wird dieser nicht nur in der Wissenschaftsphilosophie, die Partikularethiken aufbringt, fördert und fordert, sondern insbesondere auch auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland, der die Wahrheit, die Christus selbst ist, bewusst verkennt und ignoriert.

Eine Kirche, die die „Sendung der Wahrheit“ preis- und aufgibt, vergisst ihre Verwurzelung im Credo. Benedikt XVI. führt aus: „Ohne Wahrheit verfällt man in eine empiristische und skeptische Lebensauffassung, die unfähig ist, sich über die Praxis zu erheben, weil sie nicht daran interessiert ist, die Werte – und bisweilen sogar die Bedeutungen – zu erfassen, mit denen diese zu beurteilen und nach denen sie auszurichten ist.“ Ohne die Wahrheit verfällt alles. Die „Treue zum Menschen“ erfordere die „Treue zur Wahrheit“. Nur die Wahrheit, nicht die Meinung, sei „Garant der Freiheit“ und eröffnet die „Möglichkeit einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung“: „Darum sucht die Kirche die Wahrheit, verkündet sie unermüdlich und erkennt sie an, wo immer sie sich offenbart. Diese Sendung der Wahrheit ist für die Kirche unverzichtbar. Ihre Soziallehre ist ein besonderer Aspekt dieser Verkündigung: Sie ist Dienst an der Wahrheit, die befreit. Offen für die Wahrheit, gleichgültig aus welcher Wissensrichtung sie kommt, nimmt die Soziallehre der Kirche sie auf, setzt die Bruchstücke, in der sie sie häufig vorfindet, zu einer Einheit zusammen und vermittelt sie in die immer neue Lebenspraxis der Gesellschaft der Menschen und der Völker hinein.“

Deutlich betont hier Benedikt die Soziallehre der Kirche, dass die Kirche eine integrierende Kraft hat durch das Licht des Glaubens und die vom Glauben erleuchtete Vernunft. Sie tut auch in der Soziallehre nichts anderes, als „Dienst an der Wahrheit“ zu tun. Damit ist die Soziallehre der Kirche weitaus gegenwartsbezogener etwa als eine Soziologie der von Foucault inspirierten Humanwissenschaften, die heute so oft beschworen werden, als seien sie wahrheitsbezogen – denn die Kirche nimmt die Realität der Armut, der materiellen Not und damit die soziale Frage ernst. Die Kirche sieht das Leid des anderen – im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Das Konzil vertiefte, was seit jeher zur Wahrheit des Glaubens gehört, daß nämlich die Kirche, da sie im Dienst Gottes steht, bezüglich der Liebe und der Wahrheit im Dienst der Welt steht.“

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