6. August 2022
Der heilige Paul VI. veröffentlichte am 25. Juli 1968 die bis heute binnenkirchlich angefochtene Enzyklika „Humanae vitae“. Das Lehrschreiben über die Weitergabe des Lebens löste Resonanzen aus wie kaum ein anderer vom Stellvertreter Christi publizierter Text. Der Papst selbst wurde kritisiert, verhöhnt und angefeindet. Wer „Humanae vitae“ heute liest und bedenkt, entdeckt eine schöne, reife und ernsthaft abwägende, aber auch theologisch klar argumentierende Enzyklika.
Die „Weitergabe des Lebens“ nennt Paul VI. für die Ehegatten, die „freie und bewußte Mitarbeiter des Schöpfergottes“ seien, eine Aufgabe, die Freude schenke, aber auch in neuerer Zeit mit Problemen und „Veränderungen“ einhergehe. Genannt werden das Bevölkerungswachstum, soziale Nöte, Hunger und Armut sowie Arbeits- und Wohnverhältnisse, ebenso einen „gewissen Wandel in der Auffassung von der Persönlichkeit der Frau und ihrer Aufgabe in der menschlichen Gesellschaft“. Neue Auffassungen über den „Wert der Gattenliebe in der Ehe und in der Beurteilung des ehelichen Verkehrs im Hinblick auf diese Liebe“ seien aufgekommen. Darüber hinaus weitet sich der „staunenswerte Fortschritt des Menschen in der Beherrschung der Naturkräfte“ aus: „Diese Herrschaft sucht nun der Mensch auf sein ganzes Leben auszudehnen: auf seinen Körper, seine seelischen Kräfte, auf das soziale Leben und selbst auf die Gesetze, die die Weitergabe des Lebens regeln.“ Eine Reihe von Fragen seien entstanden und das Nachdenken über eine „erlaubte und vorausschauende Geburtenlenkung“ habe eingesetzt: „Kann man nicht die Meinung vertreten, daß das Ziel des Dienstes an der Fortpflanzung mehr dem Eheleben als Ganzen aufgegeben sei als jedem einzelnen Akt? Man stellt auch die Frage, ob bei dem gesteigerten Verantwortungsbewußtsein des heutigen Menschen nicht die Zeit gekommen sei, wo die Weitergabe des Lebens mehr von Vernunft und freier Entscheidung bestimmt werden sollte als von gewissen biologischen Regelmäßigkeiten.“
Dies führe zu einem Nachdenken über die „Prinzipien der Ehemoral“ und zur „Auslegung des natürlichen Sittengesetzes“ durch das kirchliche Lehramt. Paul VI. richtet sich auf eine „Gesamtschau des Menschen“ aus: „Die Frage der Weitergabe menschlichen Lebens darf – wie jede andere Frage, die das menschliche Leben angeht – nicht nur unter biologischen, psychologischen, demographischen, soziologischen Gesichtspunkten gesehen werden; man muß vielmehr den ganzen Menschen im Auge behalten, die gesamte Aufgabe, zu der er berufen ist; nicht nur seine natürliche und irdische Existenz, sondern auch seine übernatürliche und ewige.“
Das gelte auch für Fragen der Geburtenregelung. Die „eheliche Liebe“ müsse von Gott her gesehen und verstanden werden, mitnichten sei diese ein „Produkt des Zufalls“ oder ein „Ergebnis des blinden Ablaufs von Naturkräften“, sondern „vom Schöpfergott in weiser Voraussicht so eingerichtet, daß sie in den Menschen seinen Liebesplan verwirklicht“: „Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott zusammenzuwirken bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens. Darüber hinaus hat für die Getauften die Ehe die hohe Würde eines sakramentalen Gnadenzeichens, und bringt darin die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck.“ Die eheliche Liebe sei die „vollmenschliche Liebe“, die „sinnenhaft und geistig“ zugleich verstanden werden müsse, also nicht der Entsprechung eines Triebes, sondern ein „Entscheid des freien Willens, der darauf hindrängt, in Freud und Leid des Alltags durchzuhalten, ja dadurch stärker zu werden: so werden dann die Gatten ein Herz und eine Seele und kommen gemeinsam zu ihrer menschlichen Vollendung“.
Die eheliche Liebe „geht aufs Ganze“: „Wer seinen Gatten wirklich liebt, liebt ihn um seiner selbst willen, nicht nur wegen dessen, was er von ihm empfängt. Und es ist seine Freude, daß er durch seine Ganzhingabe bereichern darf. Die Liebe der Gatten ist zudem treu und ausschließlich bis zum Ende des Lebens; so wie sie Braut und Bräutigam an jenem Tag verstanden, da sie sich frei und klar bewußt durch das gegenseitige eheliche Jawort aneinander gebunden haben.“ Paul VI. hebt die Treue der Paare hervor, die in rechter Weise disponiert den Bund der Ehe geschlossen haben, eine Treue, die mitunter schwer, aber nicht unmöglich werden könne: „Treue entspricht nicht nur dem Wesen der Ehe, sie ist darüber hinaus eine Quelle innigen, dauernden Glücks. Diese Liebe ist schließlich fruchtbar, da sie nicht ganz in der ehelichen Vereinigung aufgeht, sondern darüber hinaus fortzudauern strebt und neues Leben wecken will.“
Der Papst greift eine Formulierung von „Gaudium et spes“ auf und bezeichnet konzilsgerecht die Zeugung und Erziehung von Nachkommen als wesenhaft für die Ehe und die eheliche Liebe. Kinder seien die „vorzüglichste Gabe für die Ehe“.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gastautoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.
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