Mit ausdrücklicher Zustimmung von Papst Paul VI. wurde von der Glaubenskongregation am 29. Dezember 1975 die Erklärung „Persona humana“ veröffentlicht, ein heute besonders in Deutschland in Vergessenheit geratenes Dokument über die Würde der menschlichen Person und den öffentlich sichtbaren Sittenverfall, der mit hedonistischen Formen exzessiver Lustbarkeiten einhergeht und irrigerweise mit einer Entdeckung der Freiheit identifiziert wurde. Die Kirche galt und gilt gerade im Bereich der lehramtlich verkündeten Sexualmoral – damals wie heute – als hoffnungslos unzeitgemäß. Aufgenommen werden vom damaligen Glaubenspräfekten Kardinal Franjo Seper in den Reflexionen wissenschaftliche Erkenntnisse – indessen nicht, um die Apologie der sexuellen Freizügigkeit, wie sie in der Folge der 1968er-Bewegung ausgelebt wurde, kirchlich zu bestätigen.

Die menschliche Person werde „so tief durch die Sexualität beeinflußt, daß diese zu den Faktoren gezählt werden muß, die das Leben eines jeden Menschen maßgeblich prägen“. Betont wird, dass das biologische Geschlecht für die menschliche Person bestimmend sei, verstanden, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Naturwissenschaften, als gegengeschlechtlich gekennzeichnet. Auch die psychologische und geistige Reifung wird genannt. Zugleich diagnostiziert Seper für die Glaubenskongregation einen zunehmenden „Sittenverfall“, erkennbar in der „maßlosen Verherrlichung des Geschlechtlichen“. Über die Kommunikationsmittel und öffentliche Darstellungen sei dieser so weit fortgeschritten, dass diese Glorifizierung in den Bereich der Erziehung eingedrungen sei und die „allgemeine Mentalität vergiftet“ habe. In diesem Umfeld trugen auch Lehrer und andere mit dazu bei, dass Meinungen vertreten und Verhaltensweisen gefördert wurden, „die zu den wahren sittlichen Forderungen des Menschen in Widerspruch stehen“ und „einen freizügigen Hedonismus begünstigen“. Man muss hierbei berücksichtigen, dass die Kirche mitnichten Bigotterie fördert oder für eine Leibfeindlichkeit eintritt, sondern stets die menschliche Sexualität in den Kontext der sittlichen Ordnung einbettet und für Normen einsteht, die dem Evangelium entsprechen und die unantastbare Würde des Menschen schützen. Wenn wir aus heutiger Sicht etwa feststellen müssen, dass die sogenannte Soziologie der Diversität in Erziehungsratgeber und Schulbücher Einzug gefunden hat und eine frühkindliche Sexualpädagogik zur alltäglichen Realität gehört, ahnen wir, wie notwendig ein kirchliches Korrektiv in diesem Bereich wäre.

Kardinal Seper stellt fest, dass auch unter Christen die „sittlichen Normen und Lebensweisen“ mittlerweile „stark erschüttert“ wurden: „Viele fragen sich heute angesichts so vieler weitverbreiteter Meinungen, die der von der Kirche empfangenen Lehre entgegengesetzt sind, was sie noch für wahr halten müssen.“ Die Kirche müsse gegen die „geistige Verwirrung“ und den „Sittenverfall“ vorgehen, namentlich die Bischöfe und die Seelsorger, die durch ihr Hirtenamt dazu verpflichtet sind, für die Lehre der Kirche einzustehen und diese auch hilfreich den Gläubigen zu vermitteln. Seper kennzeichnet die Situation seiner und unserer Zeit: „Die Menschen unserer Zeit sind immer mehr davon überzeugt, daß die Würde und die Berufung der menschlichen Person es erfordern, daß sie im Licht der Vernunft die Werte entdecken, die in ihre Natur gelegt sind, sie unablässig weiterentfalten und im Hinblick auf einen immer größeren Fortschritt in ihrem Leben verwirklichen.“ Die Konsequenz daraus ist oft ein Verhalten, bei dem das kirchlich gebildete Gewissen vollkommen relativiert oder ignoriert wird: „Der Mensch aber kann in den Fragen der Moral bei der Beurteilung der Werte nicht einfach nach seinem persönlichen Belieben verfahren.“ Die Ausrichtung auf Christus wird vergessen, dessen Lehre und Beispiel die „höchste und unveränderliche Lebensnorm“ sei. Betont wird die Orientierung am Naturrecht, die die „wahre Förderung der Würde des Menschen“ bedeute: „Gewiß haben sich in der Geschichte der Zivilisation viele konkrete Umstände und Bedürfnisse des menschlichen Lebens geändert und werden sich noch weiter ändern; doch muß sich jeder Wandel in den Sitten und jede Lebensweise innerhalb der Grenzen halten, die durch die unveränderlichen Prinzipien gesetzt sind, welche in den konstitutiven Elementen und den wesentlichen Beziehungen der menschlichen Person gründen; diese Elemente und Beziehungen übersteigen die veränderlichen geschichtlichen Umstände.“ Darum also darf die kirchliche Morallehre nicht Privatmeinungen oder einem gesellschaftlichen Mainstream unterworfen und beliebig verändert werden, sondern sie muss und soll gerade als lebens- und menschenfreundlich dargestellt und vorgetragen werden. Es ist also vernünftig, in jeder Hinsicht, dem Evangelium Jesu Christi und der Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte treu zu bleiben, darum nicht irgendwelchen Ansichten zu folgen oder sich noch so beherrschenden Strömungen der jeweiligen Zeit unterzuordnen, sondern die Schönheit der Morallehre der Kirche – gerade im Bereich der menschlichen Sexualität – sorgsam zu entdecken und glaubwürdig zu verkünden.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gastautoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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