In dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ nimmt der heilige Johannes Paul II. die gegenwärtige Situation in den Blick, damit auch bestehende „ernste Probleme“. Die stets neue Verkündigung des Evangeliums muss die Signaturen der Zeit berücksichtigen: „Nicht selten werden dem Mann und der Frau von heute in ihrer ehrlichen und tiefen Suche nach einer Antwort auf die täglichen ernsten Probleme ihres ehelichen und familiären Lebens Ansichten und Vorschläge angeboten, die zwar verlockend sind, aber die Wahrheit und Würde der menschlichen Person mehr oder weniger verletzen. Dieses Angebot wird oft von der mächtigen und weitverzweigten Organisation der Medien gestützt, welche die Freiheit und die Fähigkeit zur objektiven Beurteilung unterschwellig gefährden.“ Die menschliche Person sei in Gefahr, und es gelte, sich für die Wahrheit einzusetzen: „Die Kirche schließt sich ihnen mit ihrer evangelischen Unterscheidungsgabe an, indem sie ihren Dienst an der Wahrheit, der Freiheit und der Würde jedes Mannes und jeder Frau anbietet.“

Johannes Paul II. mahnt, dass es um die „ganze Wahrheit“ und die „volle Würde von Ehe und Familie“ gehe, die gerettet und verwirklicht werden müsse. Die „evangelische Unterscheidungsgabe“ komme der ganzen Kirche zu – den Hirten, aber auch den Laien: „Die Laien haben sogar aufgrund ihrer besonderen Berufung die spezifische Aufgabe, im Licht Christi die Geschichte dieser Welt auszulegen; ist es doch ihr Auftrag, die zeitlichen Wirklichkeiten nach dem Plan Gottes, des Schöpfers und Erlösers, zu erhellen und zu ordnen.“

Der „übernatürliche Glaubenssinn“ bestehe aber nicht oder notwendigerweise in der „Übereinstimmung der Gläubigen“. Johannes Paul II. legt klar dar – und formuliert einen entscheidenden Kontrapunkt zu den heutigen Vorstellungen, die auf dem deutschen Synodalen Weg vertreten werden: „Die Kirche sucht, indem sie Christus folgt, die Wahrheit, welche sich nicht immer mit der Meinung der Mehrheit deckt. Sie horcht auf das Gewissen und nicht auf die Macht und verteidigt so die Armen und Verachteten. Die Kirche weiß auch die soziologischen und statistischen Forschungen zu schätzen, wenn diese sich zur Erfassung des geschichtlichen Umfeldes, in dem sich das pastorale Wirken vollziehen muß, nützlich erweisen und wenn sie zu einer besseren Erkenntnis der Wahrheit verhelfen; diese Forschungen allein können jedoch nicht ohne weiteres als Ausdruck des Glaubenssinnes betrachtet werden.“

Es sei die Aufgabe des „apostolischen Amtes“, das „Bleiben der Kirche in der Wahrheit Christi zu gewährleisten und sie immer tiefer darin einzuführen; die Hirten müssen deshalb den Glaubenssinn in allen Gläubigen fördern, die Echtheit seiner Ausdrucksformen verbindlich abwägen und beurteilen und die Gläubigen zu einer immer reiferen Unterscheidung im Licht des Evangeliums erziehen“ – dies, und nur dies, entspricht der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Johannes Paul II. wendet sich der „Lage der Familie in der Welt von heute“ zu und erkennt positive Aspekte. Das Bewusstsein der „persönlichen Freiheit“ habe zugenommen. So werde der „Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Ehe, der Förderung der Würde der Frau, der verantworteten Elternschaft, der Erziehung der Kinder größere Aufmerksamkeit“ geschenkt. Die „ekklesiale Sendung“ für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft werde neu betont, auch die spirituelle und materielle Unterstützung von Familien untereinander nehme zu.

Nicht übersehen werden dürften aber auch negative Entwicklungen, etwa die „Verkümmerung fundamentaler Werte“, die durch eine „irrige theoretische und praktische Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute“ entstanden sei. Weiterhin nennt Johannes Paul II. die „schwerwiegenden Mißverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehung zwischen Eltern und Kindern“ und die Schwierigkeiten bei der „Vermittlung der Werte“ in der Familie. Er beklagt die „steigende Zahl der Ehescheidungen; das weit verbreitete Übel der Abtreibung; die immer häufigere Sterilisierung; das Aufkommen einer regelrechten empfängnisfeindlichen Mentalität“.

Verbunden seien diese Phänomene mit einer „Zersetzung von Begriff und Erfahrung der Freiheit“, die als „autonome Kraft der Selbstbehauptung“ verstanden werde – für das „eigene, egoistisch verstandene Wohlergehen“, nicht aber als die Fähigkeit, den „Plan Gottes für Ehe und Familie“ zu verwirklichen. In den reichen Ländern wachse der „übertriebene Wohlstand“ und die Konsumorientierung, aber das Leben werde „oft nicht als Segen, sondern als eine Gefahr betrachtet, gegen die man sich verteidigen muß“.

Der heilige Papst bezieht sich auf Augustinus und stellt eine heilsgeschichtliche Perspektive vor, die die Naivität einer Sicht auf die Geschichte enthüllt, die in ihr nur einen „notwendigen Fortschritt zum Besseren sieht“. Es bestehe ein „Kampf zwischen Freiheiten, die einander widerstreiten“. Die Geschichte sei nach der bekannten Formulierung des heiligen Augustinus „ein Konflikt zwischen zweierlei Liebe: der Liebe zu Gott bis hin zur Verachtung seiner selbst und der Liebe zu sich bis hin zur Verachtung Gottes (vgl. Augustinus, De civitate Dei, XIV, 28: CSEL 40, II, 56 f.)“.

Was Johannes Paul II. 1981 klarsichtig erkennt und betont, sehen wir heute wieder – die Familie ist bedroht, nur Christus und die von ihm gestiftete Kirche schenken eine verlässliche Ausrichtung auf die Wahrheit.

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