Es ist erstaunlich, was in der Weihnachtsnacht 1818 in Oberndorf, das damals noch zum Fürsterzbistum Salzburg gehörte, begann. Ein Lehrer, der wegen einer defekten Orgel nicht die Weihnachtsmette spielen konnte, ein junger Priester, dem seine Weihnachtsdichtung von früher, beinahe aus Verlegenheit, zum bekanntesten Weihnachtslied wurde. Zu jeder Weihnacht wird es gesungen und das weltweit. 2018 jährte sich das Ereignis zum 200. Mal.

Jedes Jahr am Heiligen Abend pilgern tausende von Menschen aus aller Welt nach Oberndorf, um vor der Stille-Nacht-Kapelle um 17 Uhr  eine feierliche Gedächtnismesse zu feiern. Dazu wird natürlich in mehreren Sprachen das 'Stille Nacht' gesungen. Diese Feier wird seit 2002 in Bild und Ton live im Internet übertragen – die Webcam ist hier online zu sehen.

'Stille Nacht', eine zarte Melodie, der es gelungen ist, die Herzen so vieler Menschen zu bewegen und Botschafterin des Friedens zu werden. Heute gibt es Übersetzungen in mehr als 330 Sprachen und von mehr als zwei Milliarden Menschen wird dieses Lied weltweit gesungen.

Bei der Heilig-Land-Wallfahrt dieses Frühjahr sangen wir mit unseren Pilgern in einer Höhle auf den Hirtenfeldern von Betlehem das 'Stille Nacht'. Von unseren Gesängen angezogen, gesellte sich eine asiatische Reisegruppe dazu und sang das Lied spontan in ihrer Muttersprache mit. Einer unserer Pilger bemerkte am Ende der Wallfahrt, dass dieser Augenblick ihn auf unserer Heilig-Land-Wallfahrt am meisten berührt hatte.

Ein wenig Zeitgeschichte

Der Beginn dieses Liedes fällt in eine krisengeschüttelte Welt hinein. Die napoleonischen Kriege waren zwar zu Ende und Europa hatte auf dem Wienerkongress eine Neuordnung erfahren, aber gerade das Salzburgerland hatte die endgültige Selbständigkeit verloren. Stadt und Land Salzburg waren nur mehr ein untergeordneter Landkreis der k. und k. Monarchie. Ein Teil Salzburgs, der Rupertiwinkel, kam 1816 zu Bayern, der grössere Teil des Salzburgerlandes kam zu Österreich.

Das durch das Weihnachtslied bekannt gewordene Oberndorf konnte im Salzburgerland verbleiben, während Laufen, das eigentliche Zentrum von Oberndorf, bayrisch wurde. Die Salzach bildete von nun an die natürliche geographische und politische Grenze. Der Jahrhunderte lange Salztransport auf der Salzach bildete die soziale Grundlage der Wirtschaft in Laufen-Oberndorf. Auf Grund der politischen Umwälzungen ging man damals einer unsicheren Zukunft entgegen. Salzburg war das einzige Gebiet Österreichs, welches auf Grund eines politischen Tauschhandels ohne Zustimmung der Bürger, dem Land zugeschlagen wurde. Das Salzburgerland wurde in der Folge verwaltungsmässig Oberösterreich unterstellt. Es war nur mehr ein unbedeutender Landkreis in der k. und k. Monarchie. 

In Oberndorf wurde auf Grund dieses Anschlusses an Österreich eine provisorische  Pfarrei gegründet. Dazu diente die St. Niklauskirche. 1817 kam der junge Priester Josef Mohr als Koadjutor (Hilfspriester)in diese Pfarrei an der Salzach. In dieser historischen Kirche ist das erste Mal das 'Stille Nacht' erklungen. Heute steht von ihr nichts mehr. Am Platz der einstigen Rokoko-Kirche aus dem 18. Jh. sind nur noch ein paar Steine übriggeblieben. Die Stille Nacht-Kapelle steht nun am Platz des einstigen Geschehens. Wegen diverser Hochwasserschäden wurde die einstige Ortskirche immer unansehnlicher und man beschloss sie abzureissen. Das Dorf Oberndorf mit der neuen Kirche wurde ca. 800m flussaufwärts verlegt. Dort wurde auch eine neue Kirche gebaut.

Priester Josef Mohr, der Dichter des Stille Nacht

1816 schrieb der junge Hilfspriester Joseph Mohr ein Weihnachtgedicht in Mariapfarr, seiner früheren Wirkstätte. Was ihn dazu bewog, ist nicht bekannt. Eines ist sicher: Er hatte nicht vor, ein Weihnachtslied zu komponieren. In der Pfarrkirche von Mariapfarr war ein Flügelaltar, der ihn wohl inspirierte in der ersten Weihnachtsstrophe den Text Holder Knab im lockigen Haar zu schreiben. Auf dem Altarbild ist ein blondes, gelocktes Jesuskind auf den Armen Mariens zu sehen, dem die Weisen aus dem Morgenland Gaben bringen. Eine weitere Inspiration für sein Weihnachtsgedicht könnte auch ein Manifest von Zar Alexander I. Pate gestanden haben. In diesem Dokument forderte der Zar von Russland damals alle europäischen Herrscher auf, "ihren Völkern gerecht, huldvoll und mit 'Väterlicher Liebe' gegenüberzutreten". Dieser Appel, der 1815 in fast allen Zeitungen erschien, hatte Mohr bestimmt gelesen. So sind Gedanken davon in die vierte Strophe des Gedichtes übergegangen, in dem es heisst: "Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht Väterlicher Liebe ergoss. Und als Bruder huldvoll umschloss, Jesus die Völker der Welt, Jesus die Völker der Welt."

Es ist viel zu wenig bekannt, dass Mohr ein sechsstrophiges Gedicht geschrieben hat. In unserem KG Nr. 341 sind davon nur fünf Strophen abgedruckt. Die sechs Strophen lauten:

  1. Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht Nur das traute heilige Paar. Holder Knabe im lockigem Haar.

: Schlafe in himmlischer Ruh! : 

  1. Stille Nacht! Heilige Nacht! Gottes Sohn! O wie lacht Lieb' aus deinem göttlichen Mund, Da schlägt uns die rettende Stund! : Jesus in deiner Geburt!  :  
  2. Stille Nacht! Heilige Nacht! Die der Welt Heil gebracht, Aus des Himmels goldenen Höh’n Uns der Gnadenfülle lässt seh’n. : Jesus in Menschengestalt. : 
  3. Stille Nacht! Heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht Väterlicher Liebe ergoss Und als Bruder huldvoll umschloss.

 : Jesus die Völker der Welt. :

  1. Stille Nacht! Heilige Nacht! Lange schon uns bedacht, Als der Herr vom Grimme befreit, In der Väter urgrauer Zeit

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: Aller Welt Schonung verhiess : 

  1. Stille Nacht! Heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht Durch der Engel Halleluja, Tönt es laut bei Ferne und Nah: : Jesus der Retter ist da: :

Als Mohr dann aus gesundheitlichen Gründen als Hilfspriester nach Oberndorf wechseln musste, begegnete er dem Lehrer und Komponist Gruber, der durch das Weihnachtslied sein Freund wurde.

Der Lehrer und Komponist Gruber

Mohr kam im August 1817 als Hilfspriester nach Oberndorf. Hier in diesem Dorf lernte er den Lehrer und Organisten Franz Xaver Gruber kennen. Zwischen beiden entstand eine herzliche Freundschaft. Der Priester war von den vielen Kompositionen Grubers beeindruckt und der Lehrer war vom musikalischen und leutseligen Priester begeistert. Mit der Bevölkerung pflegte Vikar Mohr nämlich einen herzlichen Kontakt. Vor allem waren es die ärmlichen Leute, die es ihm angetan hatten. Da der Hilfspriester keine Haushälterin hatte, musste er sich in Gasthäusern verköstigen. Das bot ihm immer wieder Gelegenheit mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen. Darüber hinaus hatte der Hilfspriester stets die Gitarre mit sich, die er zur Begleitung seiner Lieder und Unterhaltung der Leute einsetzte. Da Oberndorf damals noch kein Pfarrhaus hatte, musste der junge Priester mit dem Messmerhaus vorlieb nehmen, in dem sich auch die Schule befand, in der Gruber unterrichtete und Mohr die Kinder in Religion unterwies.

Die Schicksalsnacht 1818

Es kam der Heilige Abend 1818. Die Orgel war nicht gut bespielbar. Eine Maus soll das Instrument zum Erliegen gebracht haben, heisst es. Auch wenn das eher einer Legendenerzählung entspricht, war die Tatsache: die Orgel funktionierte nicht mehr! Die Weihnachtsnacht stand vor der Tür. Was tun? Weihnachten ohne Orgel. Wie geht das? Fast undenkbar! Doch In dieser schwierigen Situation hatte der erfinderische Josef Mohr einen Geistesblitz. Ihm kam das Weihnachtsgedicht, das er vor gut zwei Jahren in Mariapfarr gedichtet hatte, in den Sinn. Gleich eilte der besorgte Priester ins Nachbardorf Arnsdorf, wo Lehrer und Organist Gruber mit seiner Familie wohnte. Die zwei Freunde setzten sich in der Stube des Lehrers zusammen. Der Priester fragte den Lehrer, ob er nicht zu seinem Weihnachtsgedicht, das er einmal skizziert hatte,  eine Melodie komponieren könnte. Gruber war von diesem Vorschlag begeistert. Er setzte sich gleich hin und schrieb eine Melodie in D-Dur, für zwei Solostimmen, die mit einer Gitarre zu begleiten wäre. Nach mündlicher Überlieferung stellten sich die Beiden, vor die Krippe der Oberndorferkirche hin und begannen mit ihrem weihnächtlichem Gesang. Den Tenor übernahm Vikar Mohr in Begleitung der Gitarre und Komponist Gruber sang dazu den Bass. Aus dem Dorf wurden noch ein paar geübte Sänger dazu geholt. Diese sangen dann die Wiederholung der beiden Schlusszeilen bei jeder Strophe. Das Lied traf die Gläubigen während diesem Weihnachtsgottesdienst mitten ins Herz.

Die Begegnung der zwei Künstler war allerdings nur ein kurzes Intermezzo, aber es war ein sehr nachhaltiges, das seine Spuren bis in unsere Tage hinterliess. 'Stille Nacht' ist mittlerweile das bekannteste Weihnachtslied der ganzen Welt geworden und wird auf allen Erdteilen gesungen, wo Weihnachten gefeiert wird.

Als Vikar Mohr Oberndorf verlassen musste und eine neue Stelle antreten sollte, begleitete ihn sein Freund Franz Gruber bis an die Grenze der Stadt Salzburg. Er hielt Mohr ein rührendes Abschiedsständchen. Nach Grubers Erzählung weinte der Priester bittere Tränen, denn es war ein Abschied für immer. Die zwei Freunde des 'Stille Nacht' haben sich im Leben tatsächlich nie mehr gesehen.

Nach der Überlieferung hat der Priester Mohr, immer als Pfarrvikar, in verschiedenen Kirchen gedient. Oberndorf war sein dritter Wirkungsort. Danach kam er nach Golling, Vigaun, Anthering, Engendorf und Hof. Um 1827 kam er nach Hintersee, wo er erstmals eine Pfarrei selbständig verwaltete. Damals war es in der Erzdiözese Salzburg so Brauch, dass ein Priester sehr oft die Stelle wechselte. Mohr war nicht nur ein Künstler und Musiker, er leistete gerade im sozial-karitativen Bereich, sehr viel Gutes. Als er 1837 nach Wagrain übersiedelte, zeichnete er sich durch eine hervorragende Seelsorgearbeit aus. Der Bau eines Schulhauses ging auf seine Initiative zurück, weiter kümmerte er sich intensiv um den Aufbau der Armenpflege. Gerade auch darin sehen wir, dass der uneheliche Mohr, der in ganz bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen war, sich zeitlebens für schwache, arme und randständige Menschen einsetzte. Er starb ganz verarmt am 4. Dezember 1848 an Folgen einer Lungenlähmung.

Das Weihnachtslied geht um die Welt

Orgelbauer Karl Mauracher aus Kapfing bei Fügen in Tirol, ging nicht als Orgelbauer in die Geschichte ein, sondern als Bote des 'Stille Nacht-Liedes'. Als ihm Josef Mohr und Franz Gruber im März des Jahres 1819 die Noten des Stille Nacht übergaben, war er davon sehr angetan. Der Orgelbauer hatte bald einmal erkannt, welchen Liebreiz und Charme, in diesem einfachen Text und der damit verbundenen Melodie, verborgen war. Ohne Orgelbauer Mauracher wäre das 'Stille Nacht' wohl nicht in der Welt verbreitet worden. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen brachte dieser die Noten des 'Stille Nacht' von Oberndorf ins Zillertal. So kam das noch völlig unbekannte Weihnachtslied zur Familie Strasser nach Laimach bei Hippach. Neben der Landwirtschaft betrieb die Familie  auch eine Handschuhproduktion. Da Vater Lorenz Strasser früh Witwer wurde, halfen ihm seine sieben Kinder auf den verschiedensten Märkten in den deutschen Landen die Handschuhe zu vertreiben. Sie kamen dabei bis nach Berlin. Die Geschwister Strasser sangen auf ihren Geschäftsreisen Tiroler Heimatlieder. Unter diesen Liedern war auch das Stille Nacht. Das erste Mal sangen die Geschwister das 'Stille-Nacht', dass die Melodie von D-Dur auf C-Dur wechselte, weil die Sänger und Sängerinnen weder Noten lesen noch schreiben konnten. Durch diesen musikalischen 'Umbau' erhielt das Lied einen sehr starken Volksliedcharakter. So kam es auch, dass dieses Weihnachtslied bei den Tiroler Volksliedern eingereiht finden.

Karl Mauracher machte ebenso die Geschwister Rainer in Fügen, mit dem 'Stille Nacht' –Lied bekannt. Und so kam es, dass nach einem guten Jahr 1819 das Lied in der Fügener Pfarrkirche in der Christmette 'aufgeführt' wurde.

Von Deutschland nach England

Als im Winter 1822 Kaiser Franz Josef I. von Österreich und Zar Alexander I. von Russland Gäste bei dem Grafen Ludwig von Dönhoff auf dessen Schloss in Fügen zu Gast waren, lud dieser für seine illustre Gesellschaft die Geschwister Rainer ein. Er wollte seinen Gästen eine Freude bereiten, indem die Geschwister ihm das Weihnachtslied vorsangen. Der Zar war so tief beeindruckt, dass er die wackeren Sänger zu sich nach Petersburg einlud. So machten sich die Rainers zwei Jahre danach Richtung Petersburg auf den Weg. Diese Zillertalersänger gingen nämlich zu Fuss von Ortschaft zu Ortschaft. Sie sangen ihre Lieder und wurden in Gasthäusern aufgenommen und verköstigt. Eine wichtige Station war Regensburg. Der Fürst Thurn und Taxis nahm sie freundlich bei sich auf. Zillertalern. Nach weiterem Besuch in deutschen Städten kamen die Geschwister sogar bis nach England.  Erst 1837 kehrten sie nach dieser Grand-Tour in ihre tirolerische Heimat zurück.

Zweite Generation Reiner brachte das Stille Nacht nach Amerika

Die zweite Generation der Reiner Geschwister kam sogar bis nach Amerika. Die Gruppe nannte sich Rainer-Sänger und Rainer-Family. Sie tourten von 1838 bis 1843 durch die USA. Am Heiligen Abend 1839 waren sie in New York, wo sie vor der Hamilton-Statue das 'Stille Nacht' sangen. Wer hätte damals in Oberndorf gedacht, dass dieses Weihnachtslied nach gut zwanzig Jahren schon nach Übersee gelangen würde?

Dieses Lied verbreiteten dann katholische wie evangelische Missionare in die verschiedensten Länder der Welt. Um die Jahrhundert Wende wurde es bereits auf allen Kontinenten gesungen.

Was in der Pfarrstube in Mariapfarr  in dichterischer Weise 1816 entstand, im Mesmerhaus von Oberndorf 1818 mit einer Melodie vervollständigt wurde. Danach hatte es den Grossen Lauf um die Welt begonnen.   

Die Botschaft des Liedes ist immer aktuell

Die Botschaft dieses Liedes macht uns nachdenklich. Es ist nicht einfach ein süss-kitschiges Lied. Es hat Tiefgang. Es wird zur Botschafterin des Friedens und es birgt in sich die Botschaft:

Gott ist einer von uns, ER ist Retter für uns alle geworden. ER ist in der Stille der Nacht Mensch wie du und ich geworden. In seinem Antlitz trägt Gott menschliche Züge. Seine Vaterliebe umfasst alle Menschen und alle Völker. ER ist wirklich der GOTT EMMANUEL, der Gott mit uns!

Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Ansichten der Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. Erstveröffentlichung Dezember 2018. *JMJ*