Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass sich der heilige Johannes Paul II. im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ so eingehend der Spiritualität widmet. Doch ohne das Gebet würde die Familie geistlich verdorren. So betont der Papst das „Gebetsleben“, das „betende Gespräch mit dem Vater durch Jesus Christus im Heiligen Geist“, das in der Familie gepflegt werden soll: „Das Familiengebet hat seine besonderen Merkmale. Es ist ein gemeinsames Beten von Mann und Frau, von Eltern und Kindern. Die Gemeinschaft im Gebet ist zugleich Frucht und Forderung aus jener Gemeinschaft, die durch die Sakramente der Taufe und der Ehe geschenkt wird.“

Situationen des Alltags können als „Anruf Gottes“ verstanden werden, und die Beter antworten gotteskindlich darauf: „Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, Geburten, Geburtstage und Hochzeitstage, Abschiede, Getrenntsein und Wiedersehen, wichtige und einschneidende Entscheidungen, Todesfälle im Kreis der Lieben und ähnliches mehr — all das sind Marksteine der Begegnung der Liebe Gottes mit der Geschichte der Familie, wie sie auch Anlaß zur Danksagung sein sollen, des Bittens, der vertrauensvollen Überantwortung der Familie an den gemeinsamen Vater im Himmel. Die Würde und die Verantwortung der christlichen Familie als Hauskirche können nur mit der beständigen Hilfe Gottes gelebt werden; wer sie in Demut und Vertrauen erbittet, dem wird sie auch zuteil.“

Das Wachstum im Glauben vollzieht sich auf dem Weg des Gebets. Die Eltern haben die Aufgabe – gemeinsam mit den Paten – ihre Kinder zu begleiten und zum Gebet zu erziehen, sie sind Weggefährten bei der „fortschreitenden Entdeckung des Geheimnisses Gottes“. So ist das „lebendige Zeugnis“ notwendig für die Gebetserziehung. Wenn Eltern nicht mehr beten, so beten auch die Kinder nicht: „Nur wenn Vater und Mutter mit den Kindern zusammen beten und so ihr königliches Priestertum ausüben, erreichen sie die Herzensmitte ihrer Kinder und hinterlassen dort Spuren, die von den Ereignissen des späteren Lebens nicht ausgelöscht werden können.“

Zugleich ist es wichtig, dass Eltern und Paten die Kinder zur Liturgie der Kirche hinführen und sie wachsam wie liebevoll begleiten, den Schatz und die Schönheit des Glaubens auch im Gebet zu entdecken. So lernen die Kinder die „Notwendigkeit eines wachsenden inneren Mitvollzugs“ kennen. Ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils empfiehlt Johannes Paul II. hier auch das Stundengebet und die Orientierung an den Zeiten und Festen des Kirchenjahres: „Zur häuslichen Vorbereitung und Fortsetzung der in der Kirche gefeierten Gottesdienste greift die christliche Familie zum Privatgebet mit seiner reichen Vielfalt von Formen. Diese bezeugt den außerordentlichen Reichtum, in dem der Heilige Geist das christliche Beten beseelt, und kommt zugleich den verschiedenen Bedürfnissen und Lebenssituationen des Menschen entgegen, der sich an den Herrn wenden will. Außer dem Morgen- und Abendgebet sind auch nach den Hinweisen der Synodenväter ausdrücklich zu empfehlen: das Lesen und Betrachten des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift, die Vorbereitung auf den Sakramentenempfang, die Herz-Jesu-Verehrung mit der entsprechenden Weihe, die verschiedenen Formen der Muttergottesverehrung, das Tischgebet, die Pflege des religiösen Brauchtums.“

Ganz besonders weist Johannes Paul II. auf das Rosenkranzgebet hin. Die „echte Marienverehrung“ sei auf die „geistlichen Haltungen“ der Mutter Jesu ausgerichtet. Wer mit Marias Augen auf Christus schaut und dem Beispiel der Gottesmutter folgt, der wird die wachsende „Einheit der Familie in der Liebe“ erfahren und die „Entfaltung ehelicher und familiärer Spiritualität“ erleben: „Maria, die Mutter Christi und der Kirche, ist ja auch in besonderer Weise die Mutter der christlichen Familien, die Mutter der Hauskirchen.“

Das Gebet sei – so setzt Johannes Paul II. gegen den säkularen Geist der Zeit – mitnichten ein „Ausweichen vor den täglichen Anforderungen“, sondern vielmehr der „stärkste Antrieb für die Übernahme und volle Verwirklichung der Verantwortung, die der christlichen Familie als erster und grundlegender Zelle der menschlichen Gemeinschaft zukommt“: „So entspricht die wirksame Teilnahme an Leben und Sendung der Kirche in der Welt der jeweiligen Treue und Tiefe des Gebetes, mit dem sich die christliche Familie dem fruchtbaren Weinstock, Christus, dem Herrn, verbindet. … Aus der lebendigen Verbindung mit Christus durch Liturgie, Hingabe und Gebet kommt auch die Fruchtbarkeit der Familie in ihrem besonderen Dienst an der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, der von sich aus gewiß zu einer Umgestaltung der Welt führt.“

Diese Hoffnung hegte Johannes Paul II. – und vielleicht sind wir alle berufen, heute an unserem Platz in der Welt daran mitzuwirken, dass ein Leben im Gebet, in Treue zur Kirche des Herrn, zu einer geisterfüllten Neuordnung der säkularen Gesellschaft führen kann und zu einer Entwicklung beiträgt, die auch bei der Unterscheidung der Geister in Kirche und Welt hilft. Beten wir vielleicht gerade in Zeiten wie diesen darum, dass die Katholiken die Schönheit und Menschenfreundlichkeit der kirchlichen Morallehre immer besser kennen und lieben lernen. Mögen die christlichen Familien immer beispielhaft den Glauben und die Moral der Kirche durch ihr Zeugnis und Beispiel sichtbar machen und sich im Gebet auf Christus ausrichten.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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