In „Evangelium vitae“ bekräftigt Papst Johannes Paul II. 1995 die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und tritt zugleich entschlossen für den Lebensschutz ein. Er skizziert die „Verantwortung des Menschen gegenüber dem Leben“, die auch ökologische Bereiche miteinschließt. Das „große Gut des Lebens“ sei unbedingt zu achten, das umfasst auch die „Lebensumwelt“, die Ökologie und zugleich die Ökologie des Menschen. Zur „Verantwortung“ gegenüber dem Leben gehört auch die „Weitergabe des Lebens durch die Zeugung seitens des Mannes und der Frau in der Ehe“. Die Zeugung des Kindes sei ein „zutiefst menschliches und in hohem Maße religiöses Ereignis“: „Wenn wir sagen, die Ehegatten seien als Eltern bei der Empfängnis und Zeugung eines neuen Menschen Mitarbeiter des Schöpfergottes, beziehen wir uns nicht einfach auf die Gesetze der Biologie; wir wollen vielmehr hervorheben, dass in der menschlichen Elternschaft Gott selber in einer anderen Weise gegenwärtig ist als bei jeder anderen Zeugung ‚auf Erden‘. Denn nur von Gott kann jenes ‚Abbild und jene Ähnlichkeit‘ stammen, die dem Menschen wesenseigen ist, wie es bei der Schöpfung geschehen ist. Die Zeugung ist die Fortführung der Schöpfung.“ Bei der Zeugung wird aufgrund der „Erschaffung der unsterblichen Seele“ das „Abbild und Gleichnis Gottes selbst“ übertragen. Die Eheleute seien „Mitarbeiter Gottes“: „So werden Mann und Frau nach Vereinigung in der Ehe zu Teilhabern am göttlichen Werk: durch den Zeugungsakt wird Gottes Geschenk angenommen, und ein neues Leben öffnet sich der Zukunft.“ Zugleich benennt der Papst den „spezifischen Auftrag der Eltern“, nämlich „die Aufgabe, das Leben anzunehmen und ihm zu dienen“, und sich „vor allem gegenüber dem im Zustand größter Schwachheit befindlichen Leben“ zu erweisen.

Unermüdlich tritt Johannes Paul II. für den unbedingten Lebensschutz ein und spricht von der „Würde des ungeborenen Kindes“. Der Mensch ist ein verletzliches Geschöpf, beim Eintritt in die Welt und beim Abschied von der Welt: „Wenn es an direkten und ausdrücklichen Aufforderungen zum Schutz des menschlichen Lebens in seinen Anfängen, insbesondere des noch ungeborenen wie auch des zu Ende gehenden Lebens fehlt, so läßt sich das leicht daraus erklären, daß schon allein die Möglichkeit, das Leben in diesen Situationen zu verletzen, anzugreifen oder gar zu leugnen, der religiösen und kulturellen Sicht des Gottesvolkes fremd ist.“

Besonders im Neuen Testament wird die „unbestrittene Anerkennung des Wertes des Lebens von seinen Anfängen an“ betont: „Die Lobpreisung der Fruchtbarkeit und die beflissene Erwartung des Lebens sind aus den Worten herauszuhören, mit denen Elisabet ihrer Freude über ihre Schwangerschaft Ausdruck verleiht: ‚Der Herr … hat gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit‘ (Lk 1, 25). Aber noch deutlicher verherrlicht wird der Wert der Person von ihrer Empfängnis an in der Begegnung zwischen der Jungfrau Maria und Elisabet und zwischen den beiden Kindern, die sie im Schoß tragen. Es sind gerade die Kinder, die den Anbruch des messianischen Zeitalters offenbaren: in ihrer Begegnung beginnt die erlösende Kraft der Anwesenheit des Gottessohnes unter den Menschen wirksam zu werden.“ Jedes Kind ist von Anfang an von Gott gewollt und geliebt, und jeder Mensch bleibt bis in die Sterbestunde Gottes geliebtes Kind, zu dessen Fürsorge die Angehörigen und all jene, die der Liebe geglaubt haben, bestellt sind. Johannes Paul II. ruft hier auch die Schönheit der Lehre der Kirche ins Gedächtnis, an die gerade in einer Zeit, in welcher der Schutz des Lebens angefochten und relativiert wird, erinnert werden muss: Wir freuen uns über den wachsenden Bauch der schwangeren Mutter, wir sind dankbar für das Baby, das seine kleine Welt entdeckt – und wir begleiten unsere lieben Großeltern, Eltern und andere Mitmenschen auf der letzten Wegstrecke, die schön und traurig zugleich ist, für jene, die uns vorausgehen, für all jene, die sie einfühlsam und bisweilen ohnmächtig bis in die Sterbestunde begleiten.

Gläubige Christen wissen: „Kein Mensch darf jedoch willkürlich über Leben oder Tod entscheiden; denn absoluter Herr über eine solche Entscheidung ist allein der Schöpfer, der, ‚in dem wir leben, uns bewegen und sind‘ (Apg 17, 28).“ Wer dem Evangelium Jesu Christi und der Kirche des Herrn treu verbunden ist, wird für den unbedingten Schutz des Lebens eintreten, insbesondere auch – wie Johannes Paul II. – für die Würde des ungeborenen Kindes, das geliebt sein möchte und das wir lieben dürfen.

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