27. Februar 2018
Die Kinderrechtskonvention war im Februar Thema bei den Vereinten Nationen in Genf. Die Hauptaufgabe des entsprechenden Ausschusses ist, die von den einzelnen Ländern vorgelegten Berichte zu überprüfen. Anlässlich der Konventionssitzungen führte ich ein Gespräch mit Alessandra Aula, Generalsekretärin des Internationalen Katholischen Kinderbüros, BICE. Für BICE basieren die Rechte von Kindern auf den Menschenrechten, die für alle gelten, egal ob jung oder alt.
Der Fernsehbericht ist eine gekürzte Fassung. Das gesamte Interview lesen Sie hier:
“Wieso braucht es dann besondere Rechte für Kinder?”
Alessandra Aula: Nun, ich würde hier nicht von besonderen Rechten sprechen....Es ist mehr eine Art Verbindlichkeit, ein Appell an die Erwachsenen in bestimmten Situationen, in denen ein Kind besonders gefährdet ist – ich denke da zum Beispiel an Gerichtsverfahren, bei denen das Kindeswohl berücksichtigt werden muss. Kinderrechte sind Menschenrechte, und ich denke wir tun gut daran, dass zu vertreten.
Die Vorsitzende der UNO Kinderrechtskommission Renate Winter wies darauf hin, dass man als 'Kommission für das Recht der Kinder', natürlich auch mit Kindern arbeite: “Wir laden sie zu unseren Vorbereitungssitzungen ein, sie schreiben uns Rückmeldungen, geben uns Informationen und so weiter ..."--
“Man geht eigentlich davon aus, aber welche Erfahrungen haben Sie bei der Arbeit mit Kindern gemacht: arbeiten Kinder wirklich mit Ihren Organisationen oder anderen Organisationen zusammen und reagieren darauf, oder auch auf die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen? Kann man das beobachten?”
Alessandra Aula: Wie Sie wissen, wird in Artikel 12 der Konvention das Recht der Kinder untermauert, ihrem Alter und ihrer Reife entsprechend mit angehört zu werden. Neuerdings bedeutet dieser Artikel „Partizipation“, so wird das bezeichnet. Man muss dazu sagen, ist dass es wichtig ist, bei Kindern ein Bewusstsein für ihre Rechte zu fördern, sie aber auch zu lehren, dass diese Rechte auch für die anderen gelten und bei ihresgleichen, angefangen bei kleinen Kindern, angewendet werden müssen. An der Basis ist es entscheidend, bewusstseinsbildende Maßnahmen durchzuführen und Kinder mit einzubeziehen, so wie es vor allem in Lateinamerika geschieht, wo wir gesehen haben, dass die Kultur sehr offen dafür ist, Kinder zu sensibilisieren, gegen Gewalt zum Beispiel. Trotzdem denke ich, müssen wir aufpassen, Kinder nicht zu politisieren und zu manipulieren, denn das ist manchmal die Gefahr bei alldem. Einige Gruppen wollen Kinder ins Spiel bringen, damit sie sagen, was sie eigentlich sagen wollen, nicht die Kinder. Das sind Punkte, wo wir und alle Erwachsenen und die internationale Gemeinschaft achtsam sein müssen. Nach welchen Kriterien werden Kinder ausgewählt, wieso ein Kind aus dieser Gemeinschaft und nicht aus jener? Das ist ziemlich kompliziert, würde ich sagen, denn es ist natürlich wichtig, die Stimme der Kinder zu hören, wie es die Konvention fordert, sie einzubeziehen, sie zu sensibilisieren, sie mit einem Bewusstsein von Rechten aufzuziehen, zu Solidarität und Respekt gegenüber ihresgleichen, gegenüber der Familie und der Schule. Es gibt hier auch Richtlinien, die der Europarat gerade entwirft, weil man dort erkennt, dass das nicht gerade leicht ist. Hier gibt es noch viel zu tun, und es wird wohl auch ein wenig ausprobiert, wie man diese Partizipation der Kinder richtig formuliert, denn leicht ist es nicht und wir sind noch nicht damit fertig. Denn wir wollen ja vermeiden, wie ich vorhin schon erwähnt habe, Kinder in gewisser Weise zu manipulieren. Wir brauchen Menschen, die Worte für Kinder vorbereiten, oder auch Kindern zuhören – denn das kommt in Gerichtsverfahren vor – aber wie hört man den Worten eines Kindes auf richtige Weise zu, in Abhängigkeit seines Alters?
“Haben Sie, Ihre Organisation, eine katholische Organisation, denn Einfluss auf die Zielsetzungen des Ausschusses oder den Wortlaut der Rechte des Kindes?”
Alessandra Aula: Nun, ich würde ich sagen, dass das Internationale Katholische Kinderbüro - besonders in diesem Fall - beim Entwurf der Kommission beteiligt war, schließlich waren wir unter den ersten Nichtregierungsorganisationen, die diesen Prozess begleitet haben. Deshalb denke ich schon, dass einige Vorgaben von BICE in die Konvention eingeflossen sind. Denken Sie nur an den Hinweis auf die Würde des Kindes, die ganzheitliche Sicht des Kindes in seiner moralischen und geistlichen Dimension oder die Wiedereingliederung von Kindern, die ihrer Freiheit beraubt worden waren. Es gibt also eine ganze Reihe von Punkten in der Konvention, die Werte von BICE wiederspiegeln. Heutzutage ist es natürlich wichtig, weiterhin mit dem Ausschuss zusammenzuarbeiten – wie Sie ja bereits erwähnt haben. Was wir in diesem Zusammenhang versuchen, ist, so oft wie möglich Leute von der Basis vorzustellen, Leute, die (vor) den Mitgliedern des Ausschusses berichten können, die den Kommissionsmitgliedern zuverlässige Informationen aus erster Hand liefern. Das ist, denke ich, überzeugender und hilft ihnen, solche Dinge zu berücksichtigen. Wenn ich ein aktuelles Beispiel erzählen darf: Wir arbeiteten mit unserem Partner in Georgien am Problem der sexuellen Ausbeutung und des sexuellem Missbrauchs von Kindern und baten den Ausschuss, bei der Überprüfung Georgiens die dortige Regierung zu bitten, eine 24 Stunden erreichbare Telefonhotline für missbrauchte Kinder einzurichten, besonders auch als Möglichkeit in abgelegenen und ländlichen Gebieten. Sie bieten auch Hilfe und Schulungen für die Sozialarbeiter an, um sie für die Arbeit mit Kindern zu qualifizieren, die durch Gewalt traumatisiert sind. Aufgrund der Aussagen unseres Partners und unserer Informationen hat der Ausschuss das in seine Empfehlungen aufgenommen. Mehr noch, die Regierung Georgiens hat im Jahr darauf die Gesetzgebung in diesem Punkt geändert. Das ist nur ein Beispiel…wir könnten natürlich noch mehr darüber berichten, wie die Basis hier als Anwalt wirkt. Der Ausschuss kann dann helfen und Änderungen bewirken. Letzten Endes wollen wir ja genau das, die Gesetzgebung ändern, auf nationaler Ebene neue Gesetze und Richtlinien einführen. Das ist also auch etwas, das in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für die Rechte des Kindes gut funktioniert, zusammen mit der allgemeinen periodischen Überprüfung durch die Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats. So arbeiten katholische und andere NGOs: sie verlassen sich wirklich auch auf den Sachverstand der Basis.
“Man kann also sagen, Sie üben tatsächlich Einfluss aus. Beachten Sie bei Ihren Vorschlägen auch die Lehre der Kirche, welche Kriterien legen Sie an?”
Alessandra Aula, Generalsekretärin des Internationalen Katholischen Kinderbüros, BICE: Wir orientieren uns maßgeblich an der kirchlichen Soziallehre, den Enzykliken der Päpste und dem Evangelium....und das geht aus unserer Sicht mit Entwicklung und Nächstenliebe Hand in Hand. Wenn wir so arbeiten, erkennen wir, dass wir im Gespräch mit Delegierten und Experten Freiraum haben. Und wie ich schon erwähnte, in dem Kommissionstext findet sich die spirituelle und moralische Dimension der Welt wieder – dank der Arbeit der katholisch inspirierten Nichtregierungsorganisationen.
“In der Bibel, im Epheserbrief im 6 Kapitel, Vers 1 lesen wir: Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist. Übergeben die „Rechte zum Schutz des Kindes“ nicht letzten Endes der Regierung anstatt den Eltern die Kontrolle über die Kinder?”
Alessandra Aula: Zunächst einmal zeigt die Konvention Verpflichtungen für Länder auf, und die Länder versuchen dann, die Konvention zugunsten der Rechte von Kindern umzusetzen. Wenn man sich genau ansieht, was in Artikel 5 der Konvention steht, sieht man, dass die Staaten sich verpflichten, den Familien Unterstützung zu gewähren, damit die Familien ihre Kinder fördern, schützen und die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen können. Es gibt also keine Möglichkeit für Staaten, auf dem Boden der Konvention Kinder zu irgendetwas zu verpflichten. Die Bemühungen der Länder sollen dem Schutz der Kinder und der Familien zu Gute kommen. Ich finde, das ist ein sehr wichtiger Punkt, der manchmal auch von einigen Gruppen missverstanden wird. Die Regierungen müssen zum Beispiel Budgets für bedürftige Familien bereithalten, damit die Familien ihrer Rolle (eine Familie zu sein) gerecht werden können. All das ist Inhalt der Konvention.
“Unterscheidet der Text der Konvention zwischen dem Korrigieren und dem Missbrauch von Kindern?”
Alessandra Aula, Generalsekretärin des Internationalen Katholischen Kinderbüros, BICE: Also, es gibt einen besonderen Hinweis in Artikel 19 auf das Verbot jeglicher Form von Gewalt gegenüber Kindern, sexueller, körperlicher oder seelischer Art. Außerdem wird in den Artikeln 32 und 34 auf sexuelle und wirtschaftliche Ausbeutung hingewiesen. Und auch hier verpflichten sich die Länder, Kinder davor zu schützen, Gewalt zum Opfer zu fallen, um welche Gewalt auch immer es sich handelt. Gerade diskutiert man bei der Interpretation der Konvention über körperliche Strafen. Hatten Sie das mit Ihrer Frage gemeint? Falls ja – ich denke, die Konvention meint jede Form von Gewalt, die die körperliche oder seelische Gesundheit eines Kindes gefährden kann.
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“Verteidiger der Elternrechte sagen, dass viele Elternrechte unnötig beschnitten würden. Kinder würden von ihren Vätern und Müttern getrennt und durch Familiengerichte zur Adoption weitervermittelt. Die Sozialämter der Regierungen würden eher ihre eigenen Ziele verfolgen, als den Wert jeder einzelnen Situation zu beleuchten (in jedem einzelnen Fall das Beste zu suchen?). Also im Grunde, dass es hier eine Agenda gebe: die Regierung nimmt den Eltern ihre Kinder weg, um ihren eigenen Plan mit den Kindern durchzusetzen. Wie sehen Sie das?”
Alessandra Aula: Dem kann ich nicht zustimmen. Ich denke, es gibt eine Bewegung gegen die Unterbringung von Kindern in Einrichtungen, und zum Wohl der Kinder. Die Konvention wird besonders in der Justiz immer mehr berücksichtigt. Denn es gibt eben auch die andere Seite, die Fälle, bei denen der Staat im Fall von Gewalt oder Missbrauch in der Familie einschreiten muss. Leider wissen wir, dass die meisten dieser Fälle in der Familie passieren oder im nahen Umfeld der Familie des Kindes. Ja, in diesem Fall muss der Staat eingreifen, die Behörden müssen eingreifen, weil das Kind nicht immer wieder zum Opfer werden soll. Trotzdem muss auch erwähnt werden, dass die Gerichte versuchen, wenn es irgendwie möglich ist, das Kind zum Beispiel in der Verwandtschaft (weiteren Kreis der Familie) unterzubringen oder in einer Pflegefamilie. Es in eine Einrichtung zu geben, ist wirklich die letzte Alternative. Ich denke also, dass es durchaus ein Bewusstsein dafür gibt, wenn auch vielleicht nicht überall. Aber natürlich sind die NGOs und die katholisch inspirierten NGOs hier auf dem Plan, weil wir wissen, wie wichtig es ist, für ein Kind so wenig wie möglich zu verändern, bis es wieder in seiner Familie sein kann.
”Aus Ihrer Sicht – wie steht es, weltweit gesehen, mit der Umsetzung der Rechte des Kindes, wie ist der momentane Stand?”
Alessandra Aula: “In den letzten 30 Jahren wurde eine Kultur der Rechte aufgebaut. Waren wir überall erfolgreich? Nein. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, wir sind mit kulturellen Hindernissen konfrontiert, und wir müssen auch noch daran arbeiten, die Rechtsprechung, die Kinder selbst, Lehrer und Eltern zu sensibilisieren, damit sie diese „Umgebung des guten Umgangs“, wie wir sie nennen, aufbauen. Denn das geht über den Wortlaut von Rechten hinaus. Es geht darum, das Leben mit Kindern auf richtige und angemessene Weise zu gestalten. Oder in unserem Jargon ausgedrückt: kinderfreundlich.”
Die UN-Hauptversammlung verabschiedete die Rechte des Kindes im Jahr 1990. Zurzeit sind alle UN-Mitgliedsstaaten Unterzeichner des Abkommens, bis auf die Vereinigten Staaten, die zwar unterzeichnet, jedoch nur 2 Fakultativprotokolle verabschiedet haben, in dem die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie thematisiert wird.
Dieser Beitrag wurde von U.N.-Korrespondent Christian Peschken in Genf verfasst. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media
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Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Meinung des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.