Wie durch viele andere afrikanische Staaten auch führen durch Nigeria unsichtbare Trennlinien zwischen Völkern und Glaubensbekenntnissen. Um dem entgegenzuwirken und die notwendige Stabilität des Staates sicherzustellen, setzten die Schöpfer der nigerianischen Verfassung auf eine klare Trennung von Staat und Religion. Dennoch riefen einige der islamisch dominierten Bundesstaaten im Norden des Landes die Scharia aus und praktizieren seither eine archaische Rechtsprechung. Wer gegen islamisches Gesetz verstößt, muss im Zweifelsfall mit seinem Leben bezahlen. Denn Blasphemie zählt dort zu den Kapitalverbrechen. Vor allem Christen müssen sich immer wieder in solchen Fällen vor Gericht verantworten, seitdem 1999 zwölf nordnigerianische Bundesstaaten die Scharia in ihre Strafgesetzbücher aufnahmen.

Jüngstes Opfer dieser an sich verfassungswidrigen Rechtsprechung ist Rhoda Jatau, eine christliche Krankenschwester. Sie ist derzeit wegen Gotteslästerung vor dem Obersten Gericht im nordnigerianischen Bundesstaat Bauchi angeklagt. Nach über einem Jahr Untersuchungshaft will das Gericht am 27. November das Urteil über sie verkünden.

Jataus Verteidigungsteam hofft auf einen Freispruch und reichte einen dementsprechenden Antrag bei einer Anhörung am 16. Oktober ein. Unter den Zuhörern waren nicht nur Journalisten und Menschenrechtsbeobachter, sondern auch Jataus Ehemann Ya'u Adamu. „Es war ein bewegender Anblick, als sich das Paar nach vielen Monaten wiedersah“, berichtete der Menschenrechtsaktivist Solomon Mwantiri, der für Christian Solidarity International (CSI) den Prozess beobachtete. CSI hat sich für Jataus Freispruch und ihre Freilassung aus dem Gefängnis eingesetzt.

Der Vorwurf gegen die fünffache Mutter: Sie soll in Zusammenhang mit einem Video gegen die Blasphemiegesetze verstoßen haben, indem sie angeblich den Lynchmord an der christlichen Studentin Deborah Yakubu verurteilt habe. Der Prozess wurde immer wieder vertagt und verschoben. Menschenrechtsaktivisten deuten dies als Verzögerungstaktik, um sie in Haft zu halten. Sie machen deutlich, dass die Staatsanwaltschaft keine Argumente hat, die einer Prüfung vor Gericht standhalten könnten. In einem gleichartigen Fall, dem von Luka Binniyat, einem christlichen Journalisten aus Süd-Kaduna, gingen die Behörden ähnlich vor. Nachdem der Fall die Aufmerksamkeit internationaler Medien auf sich zog, wurde der Angeklagte jedoch freigelassen.

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen sind solche Prozesse schrecklich, weil deren Ausgang im Prinzip unberechenbar ist. Dahinter steckt aber ein größeres Problem: Während die nigerianische Verfassung religiöse Bezüge ausschließt, urteilen zwölf Bundesstaaten nach religiösem Recht. Eine Usance des friedlichen Zusammenlebens der Religionen im Land sieht vor, dass Präsident und Vizepräsident nie der gleichen Religion angehören sollen. Dennoch sind seit einigen Jahren beide Ämter von Muslimen besetzt. Obwohl es ihre Aufgabe wäre, setzen sie sich nicht gegen den islamischen Terrorismus im Land durch, der allein in diesem Jahr über 2.500 Christen das Leben kostete. International nähert sich Nigeria immer stärker islamischen Staaten an. Während Deutschland auf Öl und Gas aus Afrikas größter Volkswirtschaft hofft, führt die Gewalt gegen Christen dazu, dass das Land immer mehr kippt. Reagiert der Westen erst dann wieder, wenn es zu spät ist?

Franklyne Ogbunwezeh ist für die Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International als Leiter der Genozid-Prävention in Südsahara-Afrika tägig und kämpft für die Freiheit der Angeklagten.

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