Am heutigen Sonntag wird im Mainzer Dom nach langer Zeit wieder das Sudarium Christi, also sein Schweißtuch, ausgestellt. Ob es sich tatsächlich um das im Johannesevangelium erwähnte Tuch im Grab Jesu handelt, ist fraglich. Der Publizist Paul Badde hat sich mit den Grabtüchern sehr intensiv beschäftigt. CNA Deutsch veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung das in der Zeitschrift „feuer und licht“ (aktuelle Ausgabe) erschienene Interview mit ihm. Die Fragen stellte Christa Pfenningberger.

Herr Badde, Sie haben sich intensiv mit dem Grabtuch von Turin und dem Schleier von Manoppello beschäftigt; das fand auch seinen Niederschlag in mehreren Büchern. Wie kam es dazu, dass diese Tücher in Ihrem Leben eine entscheidende Rolle spielen?

Wie es dazu kam, habe ich gerade in einem eigenen Buch aufgeschrieben. Das Grabtuch von Turin fasziniert mich seit meiner Kindheit, seit unsere Lehrerin mir in der zweiten Klasse erstmals davon erzählte, als ich sieben war. Das war bei dem Schweißtuch von Manoppello nicht möglich, da es seit über 400 Jahren vollkommen aus dem öffentlichen Bewusstsein gefallen war, obwohl immer noch in fast jeder Kirche die VI. Station der Kreuzwege von dem Schleier einer legendären Veronika erzählt, in dem sich das Gesicht Jesu abgebildet haben soll, als sie sein blutiges Antlitz auf dem Kreuzweg damit abwischte. Gleichzeitig führt diese Legende auf eine falsche Spur, weil das Antlitz in dem Schleier von Manoppello nicht mit Blut gemalt ist und auch mit keiner anderen Farbe, sondern mit Licht. Dieses wahre Bild (vera ikon) ist ein Wunder. Gefunden habe ich es auf einem langen und kurvenreichen Weg von Jerusalem nach Rom, auf dem ich vor allem die älteste Ikone Marias gesucht habe. Davon erzähle ich in meinem letzten Buch.

Im Johannesevangelium ist im 20. Kapitel von zwei Tüchern im leeren Grab die Rede (vgl. Joh 20,3-7). Kann man sagen, dass es sich um das Grabtuch von Turin und das Tuch von Manoppello handelt?

Man kann nicht nur, man muss es so sagen, weil es zu dieser Behauptung und Identifizierung keine vernünftige Alternative gibt.

Bleiben wir noch kurz beim Johannesevangelium. Es ist auffällig, wie genau Johannes die Tücher beschreibt. Das Schweißtuch wird eigens erwähnt, und dass es woanders gelegen hat. Und anschließend schreibt Johannes: „Da ging auch der andere Jünger hinein. Er sah und glaubte.“ Geheimnisvoll! Hat der Glaube des Johannes in diesem Moment mit den beiden Tüchern zu tun? Wie ist diese Stelle zu verstehen?

Hier handelt es ich um eine Schlüsselstelle im Evangelium des Johannes, den wir uns als Kronzeugen des Todes Christi unter dem Kreuz auf dem Golgatha und als Kronzeugen seiner Auferstehung vorstellen müssen, seit er mit Petrus als erster das leere Grab Christi unterhalb des Golgathafelsens aufgesucht hatte.

Denn tatsächlich war dieses Grab ja nicht leer. Es war nur menschenleer. Es befanden sich aber verschiedene Tücher darin, wie Johannes in seinem ebenso knappen und präzisen Bericht festhält, in dem es auf jedes Wort ankommt. In diesem Grab befand sich einmal das lange Leichentuch auf der Grabbank rechts, das sich seit dem Jahr 1587 als „Santa Sindone“ in Turin befindet, und der „gefaltete“ oder „zusammengebundene“ Schleier des „Schweißtuchs, das auf dem Gesicht Jesu gelegen hatte“, und das sich „daneben, an einer besonderen Stelle“ befand, wie Johannes schreibt. Es war ein Lichttuch. Deshalb muss es auch am Eingang der Grabkammer auf dem Boden gelegen haben, weil nur hier, in dieser frühen Stunde, die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne hinreichten. Nur hier, in diesem Eingangsbereich, konnte Petrus den hauchdünnen Schleier aus kostbarer Muschelseide in der unbeleuchteten dunklen Grabkammer überhaupt bemerkt haben. Das extrem feine Material ist nämlich „lichtaktiv“, wie wir erst seit dem Jahr 2004 wissen, und muss dadurch in den ersten Strahlen der Sonne irgendwie geglitzert und die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, sonst hätte Petrus den Schleier auf dem Boden überhaupt nicht sehen können, als er die Grabkammer betrat. Deshalb muss er ihn wohl auch aufgehoben und gegen das Licht gehalten und dabei entdeckt haben, dass ihn plötzlich – wie uns heute noch – in diesem Tuch der lebendige Herr anschaute. Die Wirkung können wir uns gar nicht dramatisch genug vorstellen.

Urplötzlich wusste Simon Petrus in dem Moment: Jesus lebt, den er vor wenigen Stunden noch unter Flüchen verleugnet hatte und den er allein ließ, als er am Kreuz hing und starb. Und er wusste: Dieses Grab ist kein Grab mehr. „Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein“, schreibt Johannes danach lakonisch, und zwar über sich selbst, da er ja dieser andere Jünger war, und „er sah und glaubte“.

Anders als durch diesen Zusammenhang ist dieser Satz überhaupt nicht zu verstehen. Das war unmöglich durch das vier Meter lange Grabtuch, das in der Grabkammer nicht einmal zu entfalten war.
Dieses kleine „Schweißtuch“ hingegen ist das Fundament des Osterglaubens vom auferstandenen Christus von den Toten. Es ist ein unerhörtes Bilddokument und die erste Seite der vier Evangelien, die allesamt viele Jahre und Jahrzehnte später von den Evangelisten aufgeschrieben wurden. Im Labor des „heiligen Grabes“ aber wurde diese erste Seite von Gott selbst „geschrieben“, als unerhörtes Lichtbild des Auferstandenen neben dem „Nichtbild“ des Toten auf dem großen Grabtuch.

Sie waren schon oft in Manoppello, beim sogenannten Volto Santo. Sie sprechen von diesem Bildnis als einem „lebendigen Bild“, einer „Persönlichkeit“. Wie würden Sie das Bild und seine Wirkung beschreiben? Wie ist es, davor zu stehen, es zu betrachten, zu beten?

Es ist jedesmal wie eine persönliche Begegnung, oder besser und genauer, es ist wie die Begegnung mit einer lebendigen Person und kann deshalb durch kein Foto oder keinen Film ersetzt werden und sei die Arbeit ein noch so sublimes Meisterwerk. Vor diesem Angesicht hören die Entdeckungen nie auf, wie in einem Brunnen, der keinen Grund zu haben scheint und der immer tiefer reicht. Eine Hebamme aus Belgien erzählte mir hier erst im letzten Sommer, dass die Farbe im Gesicht Christi in diesem Schleier sie an die Farbe von Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt erinnert. Ist das nicht wundervoll?

In ihrem Buch „Von Angesicht zu Angesicht“ (Paul Badde: Von Angesicht zu Angesicht. Das Antlitz Gottes in Manoppello, 3. Auflage, 2021) sehen Sie eine Verbindung zwischen dem heiligen Erzengel Michael und dem Volto Santo. Wie gehören die beiden zusammen?

Von der Ur-Ikone Gottes in Manoppello mit dem Gesicht des Auferstandenen in seinem Schweißtuch gibt es mindestens acht verschiedene Darstellungstraditionen. Da wird der Bildschleier einmal – besonders im Osten! – von König Abgar aus der Stadt Edessa am Tigris in den Händen gehalten, der davon geheilt worden war, wie es in einer Legende heißt. Das ist das heutige Sanliurfa in Ostanatolien, wo der Schleier zuerst ins Licht der Geschichte trat. Andere Ikonen zeigen den Apostel Judas Thaddäus aus der „Familie des Herrn“ mit dem Tuch, der dieses Erbstück nach dem Tod Marias als natürlicher Erbverwalter wohl persönlich in die Stadt Edessa getragen hat, die ein Drehkreuz der antiken Welt war. Wieder andere Ikonen zeigen den Schleier mit der Gottesmutter Maria. Und eine andere große Bildtradition zeigt den fast unerklärlichen Schleier – allerdings fast nur im Westen – in der Hand der legendären Veronika als eine der trauernden Frauen Jerusalems. Im Westen wird das Schweißtuch auch häufig zwischen Petrus und Paulus abgebildet, weil es jahrhundertelang der größte Schatz in der Stadt der Apostelfürsten in Rom war. Schließlich wurde das hauchdünne Gewebe mit dem Antlitz Christi auch unter den so genannten „Arma Christi“ dargestellt, das heißt, unter den „Waffen Christi“, die allerdings vor allem aus den Marterwerkzeugen bestehen, mit denen Jesus gequält, gefoltert und getötet wurde. Gequält aber wurde Jesus mit dem heiligen Schweißtuch nie. Dieses Gewebe gleicht eher einem ersten Bilderbrief aus jenem Land der Erlösung, in dem „alle Tränen abgetrocknet werden“.

Und dann gibt es noch eine bedeutende Tradition der Darstellung des heiligen Schweißtuchs – und zwar im Osten wie im Westen! –, in der Engel den Bildschleier tragen, besonders aber der Erzengel Michael. Nicht ohne Grund wurde die Michaelskirche vor Manoppello in den letzten Jahrhunderten deshalb auch das neue Zuhause dieses Bildschleiers. Und ein besonderes Zeugnis dieser Tradition sehen wir heute noch hoch oben in der Veronica-Säule des Petersdoms in Rom, die eine der vier tragenden Säulen der Peterskuppel über dem Grundstein von Sankt Peter aus dem Jahr 1506 ist, über der von Bramante geplanten Schatzkammer für das „Sudarium Ierosolymitana“ (das Jerusalemer Schweißtuch). Da sehen wir oben den heiligen Erzengel Michael den Heiligen Bildschleier in die Höhe tragen. Warum das so ist, liegt fast auf der Hand. Denn „Wer ist wie Gott?“, das ist ja der hebräische Begriff Michael (לאכימ, Micha’el). Der Name verdichtet den Auftrag und die Existenz des streitbaren Himmelsfürsten – gegen Luzifer und alle Mächte der Unterwelt, und gegen alle Anmaßungen des gefallenen Engels und Herrschers der Unterwelt. Und wie ließe sich diese Frage klarer beantworten als durch diesen zarten Schleier in Michaels Händen? – „Seht da: ER ist wie Gott! Jesus Christus, der Sohn Gottes allein!“ 

Die Geschicke dieser beiden Tücher, des Grabtuches und des Schleiers von Manoppello, waren sehr wechselhaft. Das Grabtuch hat durch die Entwicklung der Fotographie, also der Möglichkeit fotographischer Negative, eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Der Schleier von Manoppello ist in den letzten Jahrzehnten aus seiner Verborgenheit heraus in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Könnte es sein, dass diese beiden Zeugnisse für unsere Zeit eine besondere Bedeutung haben?

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Da machen Sie auf einen interessanten Zusammenhang aufmerksam. Denn sehen Sie, das Turiner Grabtuch wurde in Europa allgemein schon hochverehrt, seit es im Westen erstmals in dem Ort Lirey in der Champagne im Jahr 1357 öffentlich ausgestellt wurde. Davor hat es sich im Osten befunden, lange Zeit in Konstantinopel. Einen Quantensprung in die Weltöffentlichkeit machte das Grabtuch aber erst, als der Advokat und Hobbyfotograf Secondo Pia 1898 auf seinem ersten analogen Foto der Santa Sindone entdeckte, dass es sich bei dem schemenhaften Schatten auf dem Tuch um so etwas handelte wie das Fotonegativ der Vorder- und Rückseite eines liegenden verletzten Menschen. Es war vollkommen unerklärlich und es war eine Sensation. Danach aber wurde das heilige Leintuch wieder weggesperrt und es geschah 33 Jahre lang bis zu seiner nächsten Ausstellung im Jahr 1931 zunächst einmal überhaupt nichts. Dann erst wurden neue analoge und diesmal sehr hochqualitave Fotos des langen Leinens durch den Turiner Profi-Fotografen Giuseppe Enrie hergestellt, mit denen die wissenschaftliche Forschung der Santa Sindone gleichsam begann.

Bei dem Volto Santo aber, dem heiligen Schweißtuch, erleben wir einen vollkommen anderen Prozessverlauf. Spätestens seit dem zweiten Sonntag nach Epiphanie im Januar des Jahres 1208 wurde es in Europa bekannt, als Papst Innozenz III. diesen Schleier barfuß vom Petersdom in das nahe päpstliche Pilgerhospital Santo Spirito in Sassia trug, um dort die Kranken mit der kostbaren Reliquie zu segnen. Davor befand sich der Bildschleier schon seit Jahrhunderten vor der Allgemeinheit verborgen im Besitz der Päpste, davor auch im Osten. Danach aber zog er Millionen von Pilgern aus ganz Europa nach Rom.

Dies endete abrupt, als das „Sanctum Sudarium“, wie der Schleier in Rom hieß, der aber auch „Veronica“ genannt wurde, am 6. Mai 1527 im sogenannten „Sacco di Roma“ aus dem Petersdom verschwand, bevor Kapuziner ihm im Jahre 1620 auf dem Tarigni-Hügel vor dem Städtchen Manoppello am Fuß des Majella-Massivs eine kleine Kirche als neues Heiligtum errichteten. Doch auch hier wurde der Schleier zunächst für Jahrzehnte eingemauert, bis am Ende des 17. Jahrhunderts in einer Seitenkapelle der kleinen Kirche eine tabernakelartige Schatzkammer für ihn errichtet wurde, aus der die Reliquie pro Jahr zuerst einmal und ab dem Jahr 1717 noch ein zweites Mal für Prozessionen herausgeholt wurde, in denen es die Gläubigen und Pilger zu Gesicht bekamen. Den Rest des Jahres und der Jahre blieb es verborgen bis zum Jahr 1923, als Pater Roberto da Manoppello, der in dieser Zeit Guardian des Konvents bei dem heiligen Gesicht war, vor genau 100 Jahren einen Umbau der gesamten Michaelskirche vornehmen ließ, in dessen Verlauf er das Allerheiligste Sudarium aus dem versperrten Tresor der Seitenkapelle für immer in einen neuen Schrein aus Glas und Marmor verbringen ließ, wo wir es jetzt noch über dem Hauptaltar sehen.

Seitdem dürfen alle Pilger das heilige Schweißtuch Christi vor Manoppello in der päpstlichen „Basilica del Volto Santo“ (wie die ehemalige Michaelskirche heute heißt) über dem Tabernakel oberhalb des Hauptaltars jedenfalls aus nächster Nähe und so frei betrachten, wie das davor in 1890 Jahren nie möglich gewesen war, weder in Rom, noch in Konstantinopel, noch in Edessa! Außerdem wurde in diesem Zusammenhang die Weise der Anschauung noch einmal durch die Elektrifizierung des Schreins sehr verändert und durch die Möglichkeit der Beleuchtung von vorne und von hinten, die diese Schau fast revolutionierte.

Einen letzten Quantensprung dieser Entwicklung haben wir schließlich der Einführung der digitalen Fotografie zu verdanken, die im Unterschied zur analogen Fotografie eine viel intensivere Lichtausbeute erlaubt und das Volto Santo ganz neu erfahren lässt. Dieser Umstand hat Papst Benedikt XVI. auf eine Weise nach Manoppello gelockt und eingeladen, wie das vorher nie möglich war.

Als er deshalb am 1. September 2006 schließlich im schweigenden Gebet vor dem Schweißtuch verharrte, wurden Fotos von diesem Ereignis über die neuen digitalen Kanäle noch am selben Tag in die entferntesten Winkel der Erde katapultiert. Das ist jetzt noch keine 20 Jahre her, in denen sich unendlich viel in der Welt der Wahrnehmung revolutionär verändert hat.

Denn kein halbes Jahr nach dem Besuch Papst Benedikts in Manoppello in den Abruzzen stellte Steve Jobs in San Francisco in Kalifornien am 9. Januar 2007 auf der Macworld-Konferenz das erste iPhone-Modell der Welt vor. Es war eine Revolution der Wahrnehmung, die wir uns bis jetzt kaum bewusst machen. Denn die neuen Smartphones waren ja nicht nur mobile Telefone, mit denen sich auch jede Nachricht im Cyberspace abrufen und lesen ließ, sondern es waren auch Aufnahmegeräte und digitale Fotoapparate und Filmkameras, deren Qualität von Jahr zu Jahr auf schwindelerregende Weise zunimmt. Die Einführung der Smartphones leitete fast unbemerkt und leise das Ende des Gutenbergzeitalters des gedruckten Wortes ein. Denn sehen Sie einmal. Vor zwanzig Jahren etwa waren nur diejenigen Fotografen, die es auch wollten und irgendwie mit Leidenschaft waren. Mit der Einführung der Smartphones aber ist plötzlich jeder Mensch an jedem Ort Fotograf oder Fotografin geworden, fast unabhängig vom Alter und Bildung und Herkunft, ob Professor oder Flüchtlingskind, die ihre Fotos oder Filme in Sekundenbruchteilen weltweit versenden können. Das hat Folgen für die Welt der Wahrnehmung und Kommunikation, von denen wir noch nicht die geringste Vorstellung haben. Noch nie ist deshalb auch das Volto Santo so bekannt gewesen wie heute – und gleichzeitig so unbekannt, weil es in jedem Licht anders erscheint, weshalb auch kein Foto oder Film die faktische Begegnung ersetzen kann.

Es ist anzunehmen, dass Maria, die Mutter Jesu, das Tüchlein über das Gesicht ihres toten Sohnes gelegt hat, bevor dieser, in das Grabtuch gewickelt, in das Grab gelegt wurde. Führt uns das Volto Santo in gewisser Weise auch zur Muttergottes und über sie wieder zum Herrn?

Wir wissen nicht, wer Jesu den extrem kostbaren Schleier aus Muschelseide auf das Gesicht gelegt hat, bevor er ins Grab getragen wurde. Wir wissen nicht, ob es Maria war, seine Mutter, oder Maria Magdalena – oder womöglich die hoch vermögende Frau des römischen Prokurators Pilatus, wie es eine andere Legende wissen will. Aber alle Plausibilität und ein früher Text aus Georgien sprechen dafür, dass dieser Schleier auch Maria selbst nach ihrer Entschlafung bei ihrem Begräbnis von den Aposteln noch einmal auf ihr Antlitz gelegt wurde. In dem Fall aber müssen wir uns vorstellen, dass dieses Muschelseidentuch nicht nur den ersten Atemzug des Auferstandenen verwahrt, sondern auch noch den ersten Augenblick seiner Mutter Maria, bei ihrer körperlichen Aufnahme in den Himmel. Außerdem gleicht Jesus ja nach seiner ganzen DNA-Struktur her seiner Mutter wie keinem anderen Menschen und vice versa. Heute also führt das Volto Santo auf jeden Fall zur Muttergottes und sie führt uns wieder zu ihm.

Christus wird wiederkommen – hilft uns das Volto Santo, wachsam zu bleiben, Ausschau zu halten nach dem Herrn, der wiederkommen wird?

Zuletzt machte die Nachricht die Runde, dass nach jüngsten Umfragen kaum noch ein Katholik in Deutschland und Westeuropa daran glaubt, dass Christus noch einmal zurückkommen wird. Das wundert keinen, der die Kirche in den letzten 50 Jahren beobachtet hat. Dennoch bekennt die betende Christenheit seit dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 gemeinsam den Glauben, dass Jesus Christus „wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten“. Bis zu seiner Rückkehr in Herrlichkeit am Ende der Tage – so weit ist es wohl noch nicht, trotz aller apokalyptischen Zeichen der Zeit am Horizont – können wir in Manoppello diesem barmherzigen Richter schon heute in die Augen schauen.

Johannes Paul II. hat in seinem Schreiben zum dritten Jahrtausend, „Novo Millennio Ineunte“, die Betrachtung des Antlitzes Christi an den Anfang seiner Überlegungen gestellt. „Unser Blick“, so der Papst, „bleibt mehr denn je auf das Antlitz Christi gerichtet“. Und der Papst ermutigt, „Betrachter des Angesichtes Christi zu werden“. Wie können wir das werden und bleiben?

Ganz einfach: Machen Sie sich auf nach Manoppello und befragen Sie dort dieses Gesicht. Werden Sie Pilger und Pilgerin! Dort, vor dem Antlitz des Gottes Jakobs, werden Sie alles weitere erfahren.