CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 22. Sonntag im Jahreskreis.

„Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen“ (Mk 7,8): Darüber müssen wir sorgfältig nachdenken, denn die Religiosität der Katholiken ist stark von Überlieferungen geprägt, und es kann auch vorkommen, dass es sich um Überlieferung der Menschen handelt, die das Gebot Gottes preisgeben.

Das Wort Gottes führt uns zunächst dazu, eine Unterscheidung hinsichtlich der Überlieferungen zu machen. Es gibt menschliche Traditionen, die vom Wort Gottes ausgehen, sich dann aber davon entfernen und sich verabsolutieren. Ein Beispiel dafür sind die pharisäischen Bräuche der rituellen Waschungen und Reinigungen (Mk 7,2–4), die sich auf das Buch Levitikus beziehen konnten, in dem Waschungen als Symbole der moralischen Reinheit vorgeschrieben waren (auch im Opferritus während der Messe wäscht sich der Priester die Finger und sagt mit leiser Stimme: „Herr, wasch ab meine Schuld und von meinen Sünden mache mich rein“).

Im Pharisäertum waren diese Riten durch akribische Normen geregelt, die dem Denken und Verhalten des religiösen Menschen die Freiheit nahmen: Alles wird durch Gesten, Zahlen und vorgegebene Formeln geregelt, die Bedeutung von allem geht verloren, alles wird auf materielle Einhaltung reduziert. Dieser Haltung liegt die Konzentration auf das Äußere zugrunde, um sich selbst nicht in Frage zu stellen: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir“ (Mk 7,6, zitierend Jes 29,13).

Jesus nennt diejenigen, die sich so verhalten, „Heuchler“, weil sie sich als Anbeter Gottes ausgeben, aber was sie suchen, ist nicht Seine Ehre, sondern die Stärkung der eigenen Macht: Sie haben das Gebot Gottes zugunsten der menschlichen Ordnung geopfert. Ihr Kult ist nutzlos.

Die Frage liegt ganz in diesen beiden Worten: „Äußerlichkeit und Innerlichkeit“; oder wenn man will: „Fleisch und Geist“. In Joh 6,63 sagt Jesus: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts.“ Wir wissen jedoch, dass der Geist, wenn er nicht Fleisch wird, nicht in dieser Welt wirkt: „Er ist“, aber „er ist nicht da“. Die Pharisäer folgen dem Fleisch ohne Geist, und ein Fleisch ohne Geist ist ein Leichnam. Und dennoch brauchen wir das „Fleisch“, wir brauchen Rituale, Regeln.

Letztendlich handelt es sich um den immerwährenden Konflikt zwischen Materialismus und Spiritualismus oder, wenn man will, zwischen Traditionalismus und Progressismus. Der Traditionalismus ist tendenziell materialistisch, denn nur das, was materiell ist, kann unverändert weitergegeben werden. Der Progressismus hingegen ist spiritualistisch, weil er Veränderung und Neuheit anvisiert, was aber letztendlich dazu führt, dass Gottes Gebot selbst geändert wird und gemäß dem „Geist der Zeit“ verformt wird.

Das Gebot Gottes kann jedoch weder im Materialismus entfremdet noch im Spiritualismus zunichte gemacht werden. Wir sind daher nicht aufgefordert, auf Volksbräuche, Rosenkränze, Prozessionen, Kreuzweg und Wallfahrten zu verzichten, sondern sie zu einer Gelegenheit zu machen, auf das Wort Gottes zu hören.

„Nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist und die Macht hat, euch zu retten!” (Jak 1,21). Man kann sich nicht mit Traditionen und Andachten retten, wenn man dabei stehen bleibt, Gott mit seinen Lippen zu ehren, während das Herz weit weg ist von ihm. Man wird gerettet, wenn man das Wort, das in einen selbst eingepflanzt wurde, in Sanftmut annimmt, es gerne in sich aufnimmt – bereit, sich führen zu lassen und zu gehorchen. Was ist dieses Wort? Es ist das Evangelium Christi.

Was bedeutet es, dass es in uns eingepflanzt wurde? Es bedeutet, dass es wie ein guter Samen ist, der, wenn er in guten Boden fällt, gute Früchte trägt. Wann wurde dieses Wort gesät? Jetzt säen wir es: Wenn wir den Lesungen der Messe zuhören; aber auch, wenn wir den Rosenkranz beten und innehalten, um die Geheimnisse der Kindheit Jesu, seiner Offenbarung, der Passion, der Auferstehung „zu betrachten“ – aber wirklich zu betrachten! Auch wenn wir auf dem „Kreuzweg“ das Wort Gottes hören und mit dem Herzen beten.

Tatsächlich können alle unsere religiösen Überlieferungen und Traditionen zu einer Gelegenheit werden, das Wort Gottes aufzunehmen. Aber wenn sie es nicht werden, dann nützen sie nichts: Sie retten uns nicht, sie sind eine vergebliche Verehrung, sie sind Gebote von Menschen und nicht von Gott.

Bewahren wir daher das Wort Gottes, das wir gehört haben, im Gedächtnis. Tag für Tag in der kommenden Woche lasst uns prüfen, wie viele Gelegenheiten wir haben, auf das Wort Gottes zu hören, und bemühen wir uns, es in die Tat umzusetzen. Und wir werden sehen, dass sich unser Leben verändern wird.

Auch für uns wird die Prophezeiung des Moses wahr: Ihr sollt die Gebote des Herrn, eures Gottes, bewahren, auf die ich euch verpflichte. Ihr sollt sie bewahren und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung in den Augen der Völker. Wenn sie dieses Gesetzeswerk kennenlernen, müssen sie sagen: In der Tat, diese große Nation ist ein weises und gebildetes Volk. Denn welche große Nation hätte Götter, die ihr so nah sind, wie der Herr, unser Gott, uns nah ist, wo immer wir ihn anrufen? Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsentscheide, die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege (Dt 4,2.6–8)?

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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