Wir haben die Schlussworte der Johannesoffenbarung gehört, den allerletzten Abschnitt des Neuen Testaments: "Ich, Johannes, hörte eine Stimme, die zu mir sprach: Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn. Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus! – Maranatha". Damit hört das Neue Testament auf.

Es ist ein Zwiegespräch zwischen der Kirche und Jesus. Die Kirche sagt: "Komm, Herr Jesus – Maranatha!" Und Jesus antwortet: "Ja, ich komme bald". Es ist das Zwiegespräch zwischen der Braut und dem Bräutigam. Die Kirche erwartet die Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten. In jeder hl. Messe sagen wir: "Deinen Tod o Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit".

Wir sind also in Wartestellung. Aber dieses Warten ist kein Warten, wie wenn man auf den Beginn eines Theaterstücks wartet. Sondern das ist ein Warten der Braut auf ihren Bräutigam. Wir, die Kirche, sind mit Christus verheiratet. Wir erwarten also nicht irgendetwas, sondern Christus, unseren Bräutigam. Er soll das, was er begonnen hat und was wir im Neuen Testament lesen, zu Ende führen. Er soll den Anfang zu Ende bringen. Er ist das Alpha und Omega – Anfang und Ende –, wie es eben im Text hieß und wie wir bei der Segnung der Osterkerze sagen.

Vor 2000 Jahren hat Christus, der Bräutigam, gesagt: "Ja, ich komme bald. – Amen". War er ein Italiener, dass er sich dermaßen verspätet? Warum dauert das so lange? Eine Antwort gibt das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen, das in diesen Zusammenhang gehört. Denn auch dort verspätet sich der Bräutigam. Im Orient gehört das sozusagen zum Ritus der Heirat. Der Bräutigam lässt auf sich warten, weil er so beliebt ist, dass er auf seinem Weg zur Braut unendlich viele Freunde aufsucht und zu seiner Hochzeit mit einlädt. Das hält die Sache so auf. Das ist aber ein gutes Zeichen, auch für uns heute. Noch viele sollen zu Christus geführt werden, daher dauert das so lange.

Da hilft den wartenden Jungfrauen nur, das Öl in ihren Lampen bereit zu halten, um die dunkle Nacht durchzustehen. Das ist die Antwort auch für uns: Wir brauchen das Öl, damit das Licht nicht ausgeht. Öl steht für Salbung. Wir brauchen die Salbung mit dem Hl. Geist. Wir brauchen Pfingsten. Um bis zum Ende durchzustehen, benötigen wir die Pfingstgabe des Hl. Geistes. Auf dieses Fest gehen wir in diesen Tagen zu.

Pfingsten ist noch nicht die Wiederkunft des Herrn, aber Pfingsten ist das, was wir brauchen, damit wir bis zur Wiederkunft des Herrn durchhalten. Pfingsten ist das Öl in unseren Lampen. Pfingsten ist der Heilige Geist, der uns, der die ganze Kirche überleben lässt, so lange durchhalten lässt, bis der Herr wiederkommt.

2000 Jahre haben wir schon durchgehalten, da kommt es auf ein paar Jahre mehr oder weniger auch nicht mehr an. 2000 Geschichte der Kirche – unsere Geschichte! Wie konnten wir das überleben? Ich rede jetzt gar nicht von unserem je ganz persönlichen Leben, unserem ganz persönlichen Glauben. Da hat jeder seine individuelle Leistungskurve, seine Up’s and Down’s. Jeder hat eine Glaubensbiographie und steht damit sein Leben mehr oder weniger glorreich durch.

Aber ich rede jetzt von uns allen als Kollektiv, als Kirche, als Getaufte, die einen mystischen Leib Christi bilden, die wir zur Kirche gehören, die 2000 Jahre auf dem Buckel hat. Wie hat die Kirche das durchgehalten? Nur mit dem Öl von Pfingsten.

Und das war wahrlich ein Überlebenskampf! Nur ein paar Highlights aus dem 2000-jährigen Überlebenskampf der Kirche. Am Anfang: die konstantinische Wende. Die Kirche wird bald danach Staatskirche. Die Kirche ist sehr zufrieden mit sich. Aber sie ist immer tiefer in diese Welt verstrickt. Weltliches und Geistliches gehen engstens zusammen. Mit dem wachsenden Reichtum wird die Abhängigkeit der Kirche von den weltlichen Machthabern immer drückender.

Aber das Öl reicht, lange 1000 Jahre. Dann rufen alle nach der großen Reform, und die kommt wirklich. Es ist die Reform im 11. Jahrhundert unter Papst Gregor VII.: Die Befreiung der Kirche vom Staat. Stichwort Investiturstreit: Die Könige und Fürsten sollen nicht mehr in die Kirche reinregieren. Auch der Zölibat: Die Priester sollen sich lösen von dieser Welt, sollen wirklich Geistliche werden. Natürlich haben sie erbittert Widerstand geleistet. Sie wollen unbedingt heiraten, und bekanntlich straft Gott, indem er die Wünsche erfüllt.

Doch am Ende gelingt der Befreiungsschlag. Jahrhunderte einer für selbstverständlich und alternativlos gehaltenen Verflechtung von Thron und Altar gehen zu Ende. Die Kirche besinnt sich ganz auf ihren geistlichen Auftrag, auf die reine Lehre, die sieben Sakramente, das asketische Leben. Der hl. Dominikus und der hl. Franziskus tragen ihren Teil dazu bei.

Was für ein Kampf – was für ein Geist! Es ist reichlich Öl in den Lampen. Man glaubt, nun sei die Zeit reif, dass Christus wiederkommt. Das Weltende ist angesagt. Joachim von Fiore hat solche Ideen. Aber der Bräutigam kommt wieder nicht.

Und der Kampf beginnt von Neuem. Die Päpste bekommen – wieder einmal – den Höhenkoller. Was eben noch schön getrennt war: Kirche und Welt – das will der Papst nun beides haben. Bonifaz VIII. kürt sich zum Weltenherrscher. Er will Gobal Player sein. Ein Machtwort muss her: die Bulle "Unam Sanctam". Nicht zufällig lässt sich Bonifaz VIII. mit einer riesigen Tiara auf dem Kopf darstellen, Zeichen seiner Maßlosigkeit.

Doch das ist ihm nicht gut bekommen. Bonifaz wird dafür in der Sala dello schiaffo in Anagni geohrfeigt – der Hl. Geist kann auch austeilen! Die Kirche geht daraufhin erst einmal ins Exil nach Avignon. Parfüm und Wildbret sind angesagt. Leben wie Gott in Frankreich. Aber das Öl hat noch gereicht. Und es musste reichen.

Denn die Kirche hat sich dann auch in der Neuzeit enormen Zerreißproben ausgesetzt gesehen. Der aufklärerische Säkularismus, das Freimaurertum, der innerkirchliche Modernismus. Eine Angriffswelle nach der anderen rollte gegen die Kirche. Der Geist der Welt versuchte tief in die innerste Herzkammer der Kirche einzudringen. Mit aller Kraft konnte sich die Kirche noch einmal behaupten. Ja, im 19. Jahrhundert stand sie so geläutert und klarsichtig da wie kaum zuvor in der Kirchengeschichte.

Machen wir einen Sprung in die heutige Zeit. Jetzt sind wir gerade ins Gegenteil gerutscht. Das Konzil verkündet einen ungebremsten Optimismus und den Glauben an das Gute in der Welt. Gaudium et Spes. Wir teilen Freude und Hoffnung der Welt. Voll guten Willens umarmen wir die Welt. Wir erkennen nun endlich die Zeichen der Zeit an. Wir haben verstanden: Auch wir müssen uns ändern.

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Seither bemühen sich die Theologen, die Priester und die Bischöfe, den Gläubigen die Welt zu erklären. Obwohl es doch eigentlich umgekehrt sein müsste: Wir sollten eigentlich der Welt unseren Glauben erklären, wir sollten eigentlich die Welt dazu bringen, den Geboten Gottes zu folgen und nicht ihren eigenen Wünschen!

Aber momentan rollt der Zug der Kirche, wie es scheint, rückwärts den Berg runter, bis es kracht. Wir laufen im Schweinsgalopp der Welt hinterher, wollen alles segnen, was es in der Welt so gibt; wollen allen Ideen mit Respekt begegnen, gleich wer auf uns spuckt; wollen mit allen Meinungen Schritt halten, um endlich die Windungen dieser Welt zu verstehen.

Als ob Jesus sie uns nicht längst erklärt hätte. Und als ob es nicht unsere erste Aufgabe wäre, Gott zu den Menschen zu tragen. Zumindest sah Jesus noch die Dinge so. Heute haben wir seine Worte im hohepriesterlichen Gebet gehört: "Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hat vor der Erschaffung der Welt. Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich habe dich erkannt, und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht".

Was ist davon übriggeblieben? Kein Zweifel, wir stecken in einer neuen Phase der Kirchengeschichte. Wir sehen uns mitten in einem Überlebenskampf. Nie wurde das Christentum so bekämpft und verfolgt wie heute, nicht nur in China, auch mitten in Europa. Sind wir bereit? Ein bisschen Öl ist zum Glück noch drin. Aber vielleicht tut uns mal eine Ohrfeige gut um aufzuwachen, wie damals Papst Bonifaz VIII.

Professor Dr. Stefan Heid ist Kirchenhistoriker. Der Priester der Erzdiözese Köln ist unter anderem Direktor des Römischen Institutes der Görres-Gesellschaft.

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