Staatsrechtler Kirchhof: Freiraum für Religion „muss beherzt genutzt werden“

Paul Kirchhof
Olaf Kosinsky / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Der renommierte Verfassungsrechtler Paul Kirchhof hat betont: „Der rechtlich gewährleistete Freiraum für Religion und Kirchlichkeit muss beherzt genutzt werden.“ Kirchhof, inzwischen 82 Jahre alt, war lange Jahre Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

Im Interview mit der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (aktuelle Ausgabe) erläuterte er: „Die Verfassung wird nicht im Namen Gottes erlassen, sondern in Verantwortung vor Gott. Es bildet sich hier eine Verantwortungsgemeinschaft, deren Antwort von Gott entgegengenommen wird. Dieser Gottesbegriff ist beim Entstehen des Grundgesetzes ersichtlich durch die christliche Kultur geprägt.“

„Die Verfassung kann nur gedeihen, wenn diese Wurzeln nicht verdorren“, stellte Kirchhof klar. „Zu diesen Wurzeln zählt neben der Aufklärung auch das Christentum.“

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Dabei betonte Kirchhof, das er selbst über das sogenannte Böckenförde-Diktum („Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“) hinausgehe: „Wir sind verpflichtet, diese Voraussetzungen für unser Gemeinwesen zu schaffen. Oder, um in dem Baum-Bild zu bleiben: Wir müssen die Wurzeln hegen und pflegen.“

Mit Blick auf den Freiraum der Kirche, den die Verfassung gewähre, führte Kirchhof aus, dass reale Freiheit „vom Bildungssystem“ abhänge. „Nur wer den Ball zu spielen gelernt hat, hat die reale Freiheit zum Mannschaftssport. Nur wer ein Musikinstrument eingeübt hat, kann sich am Orchester beteiligen. Nur wer mit seinen Eltern zusammen gebetet hat, kommt der Gottesbegegnung näher.“

„Der Religionsunterricht ergänzt und vertieft diese Erfahrung“, so Kirchhof. „Er sollte vor allem existenzielle Fragen behandeln – das Denken über die eigene Existenz hinaus, das Geheimnis Gottes und seine Sichtbarkeit in Gleichnissen.“