Im Fokus der Tagung der UN-Kommission für Wissenschaft und Technik am Ende des vergangenen Jahres in Genf stand der ethische Umgang mit digitalen Technologien. Der Apostolische Nuntius Ettore Balestrero betonte die Bedeutung des Globalen Digitalen Pakts (Global Digital Compact) eine internationale Vereinbarung zur Förderung der digitalen Zusammenarbeit, ethischer Technologieentwicklung und eines gerechten Zugangs zu digitalen Ressourcen für alle Länder und Gesellschaften.

Erzbischof Balestrero forderte einen ethischen Umgang mit digitalen Innovationen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), sowie einen universellen, erschwinglichen Zugang zu digitalen Technologien – auch für benachteiligte Regionen und Entwicklungsländer. Sein Appell: Der digitale Fortschritt muss der Würde des Menschen und dem allgemeinen Wohl dienen.

Wie würden Sie Kritikern entgegnen, die argumentieren, dass eine derart starke Betonung ethischer Grundsätze den digitalen Fortschritt bremsen oder subjektive moralische Maßstäbe auferlegen könnte, die technologische Innovationen eher behindern als fördern?

Ich würde antworten, indem ich zunächst sage, dass Ethik ein Katalysator ist, kein Hemmnis. Ethik ist kein Hindernis für Innovation, sondern bietet vielmehr die Leitprinzipien, die technologische Fortschritte in nachhaltige Bahnen lenken können. Eine ethische Grundlage sorgt dafür, dass sich digitale Technologien auf verantwortungsvolle Weise entwickeln, Risiken minimiert und langfristige Vorteile maximiert werden. Selbst wenn wir historisch zurückblicken, erkennen wir, dass ethische Überlegungen in Bereichen wie Medizin und Umweltwissenschaften eher Durchbrüche vorangetrieben als behindert haben. Nicht alles, was möglich ist, ist auch moralisch vertretbar. Und was moralisch nicht vertretbar ist, ist nicht gut für den Menschen. Wird es dennoch verfolgt, kehrt es sich letztlich gegen den Menschen selbst. Daher sollten wir nicht behaupten, dass Innovation langsamer voranschreitet, wenn digitaler Fortschritt von ethischen Maßstäben abhängt. Vielmehr sollten wir betonen und uns ins Gedächtnis rufen, dass echter digitaler Fortschritt nur durch eine ethisch verantwortungsvolle Umsetzung möglich ist. Außerdem würde ich sagen, dass ethische Rahmenwerke, insbesondere solche, die auf universellen Prinzipien wie der Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit basieren, kulturelle Voreingenommenheiten überwinden können. Diese universellen Prinzipien sind es, die sicherstellen, dass Innovation die unveräußerliche Würde jedes einzelnen Menschen achtet und das Gemeinwohl fördert.

Kritiker argumentieren, dass der von den Vereinten Nationen vorgeschlagene Globale Digitale Pakt das dezentrale, multi-stakeholder-basierte Modell der Internet-Governance gefährden könnte. Sie befürchten, dass dies zu einer zentralisierten Kontrolle führen und die bewährten Selbstverwaltungsmechanismen technischer Schlüsselorganisationen wie ICANN, APNIC und ARIN untergraben könnte, was Offenheit und Interoperabilität des Internets bedroht. Wie vereinbart der Heilige Stuhl seine Unterstützung für eine ethische, globale Daten-Governance mit dem Risiko, ein zentralisiertes UN-Modell zu befürworten, das – so die Kritiker – die grundlegende Offenheit und Neutralität des Internets gefährden könnte?

Zunächst möchte ich eine allgemeine kurze Einführung für das Publikum geben, das vielleicht nicht mit dem von Ihnen erwähnten Global Digital Compact vertraut ist. Auf dem Gipfel der Zukunft, der im September 2024 in New York stattfand, haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen den Global Digital Compact als einen der Anhänge zum Pakt für die Zukunft verabschiedet. Der Global Digital Compact, abgekürzt GDC, befasst sich mit der Internet-Verwaltung, der Regulierung des Internets, Internet-Governance genannt, der Überbrückung der digitalen Kluft, internationalen Regeln für soziale Medienplattformen und der Regulierung von Künstlicher Intelligenz sowie einer Reihe weiterer verwandter Themen.

Das übergeordnete Ziel des Global Digital Compact ist eine inklusive, offene, nachhaltige, gerechte und sichere digitale Zukunft für alle. Dies ist zweifellos ein gutes Ziel, aber wir müssen uns bewusst sein, dass trotz des rasanten Ausbaus digitaler Technologien derzeit 2,6 Milliarden Menschen weltweit offline bleiben, wobei der Großteil von ihnen in Entwicklungsländern lebt.

Wie Sie in Ihrer Frage zu Recht angedeutet haben, gibt es bestimmte offene Punkte, die von der konkreten Umsetzung des GDC, des Global Digital Compact, abhängen werden. Einer dieser Punkte ist sicherlich das komplexe Zusammenspiel von Chancen und Risiken, das mit dem digitalen Fortschritt einhergeht.

Der Heilige Stuhl hat immer wieder betont, dass der potenzielle Nutzen, den die Menschheit aus dem digitalen Fortschritt ziehen kann, davon abhängt, in welchem Maße die neuen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, ethisch verantwortungsvoll genutzt werden. Der Heilige Stuhl unterstützt daher eine ethische globale Daten-Governance, ein Regelwerk für den Umgang mit Daten, um sicherzustellen, dass Technologie der Menschheit dient und das Gemeinwohl fördert.

Dies bedeutet jedoch nicht die Befürwortung einer bürokratischen Zentralisierung auf menschlicher Ebene, sondern vielmehr die Förderung der Zusammenarbeit in Fragen, die nationale Grenzen überschreiten. Dies wird sicherlich internationale Kooperation und den Dialog aller Akteure erfordern, um den digitalen Raum zu schützen und seine Verwaltung, Steuerung, Regulierung zu stärken.

In diesem Zusammenhang ist das Schlüsselwort Subsidiarität. Das bedeutet, dass jeder Akteur im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine Rolle in dieser Governance spielen sollte. Dies gilt für private Akteure, für Unternehmen, für Staaten und für die Vereinten Nationen selbst.

Wenn dieses Prinzip der Subsidiarität respektiert wird, sehe ich keine Gefahr in dem von Ihnen angesprochenen zentralisierten Ansatz der UN, da jeder Akteur seine Rolle wahrnimmt und seinen Beitrag leistet, ohne die Aufgaben anderer zu übernehmen.

Darüber hinaus besteht natürlich auch die Notwendigkeit von Solidarität im Umgang mit der, wie wir sie bezeichnen, Daten-Governance. Wir sollten uns stets der Verantwortung bewusst sein, die wir füreinander tragen. Manchmal besteht die Gefahr, dass ein Prinzip überbetont wird und ein anderes dabei in den Hintergrund gerät. Doch Subsidiarität und Solidarität sollten Hand in Hand gehen.

Wenn dies der Fall ist, besteht keine Gefahr einer UN-Zentralisierung. Vielmehr würde jeder Akteur seinen Beitrag leisten, und die Daten-Governance wäre für alle akzeptabel.

In Ihrer Rede sagten Sie das jeder Mensch die Chance auf volle Entfaltung haben sollte und dass daher ein universeller, bezahlbarer Zugang zu digitalen Technologien und Konnektivität für alle, auch in ländlichen und benachteiligten Regionen, unerlässlich sei. Kritiker argumentieren, dass grundlegende Herausforderungen wie Armut, sauberes Wasser und Basisbildung in den benachteiligten Ländern Vorrang vor digitaler Konnektivität haben sollten. Wie rechtfertigen Sie in diesem Kontext die Priorisierung des universellen Zugangs zu digitalen Technologien?

Nun, wenn Kritiker auf diese Weise argumentieren und diese, sagen wir, provokative Frage stellen, würde ich ihnen antworten, dass diese Frage irreführend und auch falsch ist, weil digitale Konnektivität ein Entwicklungsfaktor ist. Der Heilige Stuhl betont mit großer Klarheit erneut, dass die Beseitigung von Armut in all ihren Formen, einschließlich extremer Armut, die größte globale Herausforderung darstellt.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

Ohne digitale Konnektivität jedoch gibt es keine Beseitigung von Armut. Die digitale Konnektivität als Entwicklungsfrage zu betrachten, schmälert in keiner Weise die Bedeutung der Armutsbekämpfung. Denn Armut lässt sich nicht allein am Fehlen von Geld messen. Vielmehr sollte Armut anhand umfassender Kriterien bewertet werden, die über das Einkommen hinausgehen und nicht-monetäre Indikatoren umfassen – oder besser gesagt, die vielen Entbehrungen, unter denen Millionen von Menschen in ihrem täglichen Leben leiden, wie der fehlende Zugang zu Bildung, zu sicherer und ausreichender Nahrung, zu sauberem Trinkwasser, zu sanitären Einrichtungen, zu Energie und eben auch zur digitalen Konnektivität.

Das ist die Realität: Der Mangel an Geld ist nicht das einzige Element, das Armut verursacht. Der Mangel an Verbindungen ist heutzutage ein weiteres, besonders bedeutendes Element. Alle Entwicklungsländer – ich habe in Kolumbien gelebt – zeigen dies deutlich. Die Regierung dort war und ist nach wie vor bestrebt, die digitale Konnektivität zu fördern, und zwar mit dem Ziel, die Entwicklung der eigenen Bevölkerung voranzubringen und die Armut zu bekämpfen, die in einigen Regionen des Landes noch immer vorhanden ist.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Alex Mur und Laetitia Rodrigues | Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN und CNA Deutsch.

Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.