Am 16. April 2019 wird Benedikt XVI. – so Gott will – in dem Kloster "Mater Ecclesiae" auf dem Vatikan-Hügel 92 Jahre alt werden. Von seinem Fenster aus kann er auf den Komplex des alten apostolischen Palastes schauen, wo Papst Leo XIII. am 20. Juli 1903 mit 93 Jahren als ältester Papst starb, den es bis dahin gab – und der am Ende selbst alle Hochfeste wie Ostern und Weihnachten nur noch in der Sixtinischen Kapelle feierte und niemals im Petersdom. Auch darum ist Papa Benedictus vor sechs Jahren am 11. Februar 2013 mit einer kurzen lateinischen Erklärung von seinem Amt zurückgetreten. Denn "man kann die Weltkirche heute nicht mehr von der Sixtinischen Kapelle aus regieren", sagte er in unserem letzten Gespräch vor Jahren. "Heute kann ein Papst nicht so einfach abklingen".

Er hätte es wohl gekonnt, doch er fühlte sich auch den Aufgaben, die den Päpsten im letzten Jahrhundert – etwa unter seinem heiligen Vorgänger – zugewachsen waren, im Gehorsam verpflichtet. Das war für ihn eben auch die Teilhabe an den überaus anstrengenden Weltjugendtagen, die den zarten Oberhirten schon im Voraus erschreckten. Über diese Herausforderung wollte er sich nicht mehr hinwegsetzen, nachdem er schon seine Wahl am 19. April 2005 nur mit großem Bangen angenommen hatte, weil er der Ansicht war, es sei "zu viel", einem 77-jährigen am Ende seines Lebens noch einmal diese übermenschlich schwere Aufgabe zuzumuten. Außerdem sei er dafür nicht geeignet. Deshalb hatte ihn das Amt zunächst auch wie die herabfallende Stahlklinge einer Guillotine erschreckt. Dennoch hatte er die Wahl gläubig angenommen und seine Aufgabe nach bestem Vermögen ausgefüllt. Doch 2012 fühlte er seinen Tod nahen und trat dann zurück, bevor er, wie er fürchtete, vielleicht zum ohnmächtigen Pflegefall würde.

Er hatte sich geirrt, wie wir wissen. Stattdessen begann damals nur noch einmal sein letzter persönlicher Kreuzweg in einem neuen Leben "als Mönch", wie er dachte, im unablässigen Gebet und Gottesdienst. Aber auch das Messopfer kann der Priester aus Leidenschaft seit Monaten schon nicht mehr selber zelebrieren und nur noch sitzend an ihm teilnehmen, in einem Opfer ganz neuer Art. Er hat den Geist des christlichen Abendlands verkörpert, als ein Schwergewicht der Überlieferung und Vernunft, und ist hellwach bis heute. Doch inzwischen fällt ihm das Sprechen schwer, nachdem ihm ein Leben lang das Gespräch und der Ge-sang und Dialog gleichsam wie das Leben selbst erschienen waren. 

Im Besucherzimmer des alten Hochgelehrten erklärt auf einem Gemälde ein Knabe am Strand seinem alten Lieblingsheiligen Augustinus immer noch gerade, es sei leichter, den Ozean mit einer Muschel in ein Grübchen zu füllen, als mit dem Verstand das Geheimnis der Dreifaltigkeit zu ergründen. Eine bäuerlich-barocke Darstellung der stillenden Gottesmutter erinnert daneben an die ferne bairische Heimat. Seine letzte Kapelle aber ist gar nicht barock, sondern nur ganz besonders schlicht. Vierzehn Kartons des Lübecker Wahlrömers Friedrich Overbeck (1789–1869) zieren hier die Wände, nach deren Vorbild die Majolica-Stationen des Kreuzwegs im Campo Santo Teutonico, dem deutschen Fried-hof neben Sankt Peter, gefertigt wurden, denen Joseph Ratzinger als Kardinal im Gebet so oft nachgegangen ist. Die Stirnseite der Kapelle aber schmückt links neben dem Kreuz in der Mitte eine Ikone der Auferstehung Christi und rechts eine russische Ikone, die Kardinal Roger Etchegaray dem 264. Nachfolger des Apostels Petrus einmal geschenkt hat, die dessen letztes Verlangen in einem einzigen Bild zusammenfasst. Denn hier sehen wir den heiligen Simeon mit dem Christkind im Arm, als der Seher gerade das "Nunc dimittis" anstimmt, das Abendlob aus den Stundengebeten der Kirche:

"Nun lässt du, Herr, deinen Knecht / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. / Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / das du vor allen Völkern bereitet hast, / ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel."

Bis jetzt aber, hat der Herr seinen Knecht noch nicht scheiden lassen.

Bitten wir deshalb um den Beistand des heiligen Joseph für jene letzte Wegstrecke, auf der Benedikt – so Gott will – zwischen Kreuzweg und Fegefeuer vielleicht zum allerältesten Papst werden wird, den die Kirche je erlebt hat, und der sich das Paradies, das er so sehnsüchtig erwartet, seit jeher wie jene Tage vorstellt, als er mit seinem Bruder und seiner Schwester noch der kleinste Bub seiner Eltern war. Auf das Leben!

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Vatican Magazins.

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