Der kritisch-reflektierte Christ von Welt steht auch in katholischen Buchhandlungen vor einem breiten Sortiment an Wellness-Schriften, farblich hübsch gestaltet, mit dekorativen Blumen, Blüten und Sonnenglanz verziert. Spirituelles gefällt, mit Sentenzen versehen, von den Worten Jesu über die Kirchenväter bis hin zu Margot Käßmann, Hape Kerkeling und Anselm Grün. Oder suchen Sie nicht erbauliche Sprüche von Konfuzius oder Lao-Tse? Der Weg ist das Ziel. Der "Synodale Weg" sowieso. Er hat vielleicht kein Ziel, aber ein Weg ist das schon. Also irgendwie ist dann auch, frei nach dem chinesischen Denker, dies ein Weg, der sein Ziel in sich selbst findet. Natürlich sind die ersten Wegbegleiter in Buchform bereits erschienen, andere Bände sind in Vorbereitung. Sehnsüchtig erwartet werden auch neue Gesprächsbücher. Reformfreudige Bischöfe von heute werden uns nicht enttäuschen und sicherlich bereitwillig ihre kirchlichen Erneuerungspläne erläutern. Vielleicht stellt ein kluger Journalist sogar ganz unerwartet dabei einmal die Gretchenfrage: "Wie hältst du’s mit der Religion?"  

Buchhändler warnen, anders als Apotheker, nicht vor Risiken und Nebenwirkungen, und schon gar nicht vor Häresien und Apostasien. Oder vor einem unklaren religiös-esoterischen Allerlei. "Tu alles, was guttut", dazu bekannte sich einst der Schlagersänger Udo Jürgens in einem Song. In der Göttinger "Citykirche" St. Michael fand 2019 eine Wortgottesfeier mit Yoga statt. Fernöstliche Entspannungsübungen vor dem Allerheiligsten – auch dazu finden sich gewiss schon Ratgeber, Anleitungen und Handbücher. Ob jemand gelegentlich im "Codex Iuris Canonici" noch nachschaut, was erlaubt ist und was nicht? Abgeschafft – neukatholisch gesprochen: ortskirchlich relativiert – ist das Kirchenrecht nämlich bislang nicht, nebenbei bemerkt. Dasselbe gilt auch für das Messbuch. Mancherorts verziert es dekorativ den Altar. Gelegentlich wird es noch symbolisch aufgeschlagen. Das Messbuch gilt nach wie vor, auch im "Novus Ordo". Die Liturgie der Kirche ist auch kein unverbindlicher Vorschlag, sondern eine Vorschrift. Der "Schott", das Messbuch, ist sogar in modernen kirchlichen Buchhandlungen noch erhältlich. Ich erinnere mich gern daran, wie ich als Kind dem Hochgebet folgte und so den verwinkelten, wunderschönen Bau der Liturgie kennenlernte, ein kostbares, reichhaltiges Gewebe. Kinder, die heute mitlesen, werden vielleicht ihre Eltern gelegentlich fragen: "Was der Priester da sagt, steht aber gar nicht im Messbuch. Warum macht er das so? Darf er das überhaupt?" Wenn Fragen wie diese gestellt werden, erwacht die Kirche in den ganz jungen Seelen. Auch und gerade deswegen ist der "Schott" immer noch eine gute Buchempfehlung. Je weniger das Messbuch beachtet wird, desto unverzichtbarer wird es.

Zeitgeistlich Interessierte werden sich möglicherweise eher mit neuen theologischen Büchern versorgen, davon anregen, inspirieren und bestätigen lassen. Sie mögen sich mit den Bänden vergnügen und Einsichten jeglicher Art erwerben. Sie alle kennen auch diese Überlegungen: Wir müssen unseren Horizont erweitern und uns weiterbilden. Ganz normale Katholiken fragen sich vielleicht skeptisch und aus gutem Grund: "Muss ich das auch lesen? Muss ich das wissen?" Zwei Kirchenlehrer geben uns darauf eine Antwort. Thomas von Aquin besuchte, so wird erzählt, seinen berühmten Kollegen Bonaventura. Er wollte sich dessen Bibliothek anschauen. Bonaventura zog einen Vorhang beiseite und deutete auf das Kreuz. Thomas verstummte. Er hatte alles Wesentliche verstanden. Vom heiligen Bruder Konrad ist überliefert, dass er zu sagen pflegte: "Das Kreuz ist mein Buch." Lesen können wir alles Mögliche, und genauso gut können wir das vielleicht auch einfach lassen. Ja, das Kreuz ist auch heute unser Buch – und wir nehmen auf je eigene Weise Anteil an der Passion unseres Herrn Jesus Christus.    

Das könnte Sie auch interessieren:

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. Erstveröffentlichung am 17. August 2019. 

 

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.