Der heilige Paul VI. hat am 9. Mai 1975 – im Heiligen Jahr – ein Apostolisches Schreiben publiziert, das ein wenig in die liturgische Farbenlehre des dritten Adventssonntags einführt: "Gaudete in Domino!", also: Freut euch im Herrn!

Können wir uns als ganz normale römisch-katholische Christen eigentlich noch freuen? Verspüren wir die Sehnsucht nach Heil und Erlösung? Oder wollen wir uns nur noch synodal neu erfinden und uns selbst verwirklichen? Ist unser Herz unruhig nach Gott? Paul VI. sagt 1975, man könne die "christliche Freude nicht gebührend preisen". Jeder Mensch hege eine Sehnsucht nach Freude, "vom ersten Staunen des Kindes bis zur heiteren Abgeklärtheit des Alters". Die Freude sei "eine Vorahnung des göttlichen Geheimnisses". Lautere, ungezwungene, für viele von uns vielleicht manchmal unvorstellbare Ausdrücke der Freude erleben wir, wenn wir Menschen begegnen, die an geistigen oder auch körperlichen Beeinträchtigungen leiden. Sie geben sich ganz der Freude hin, so wie sie – zu anderen Zeiten – auch den Schmerz, den sie spüren, nicht verdecken. Jeder Mensch, so Paul VI., könne die "Freude Gottes" in sich erfahren, und ein jeder zeigt dies vielleicht auf seine persönliche, unverwechselbare Weise. Skeptisch blickt der Papst auf seine Zeit: "Die technische Gesellschaft konnte die Gelegenheiten zum Vergnügen vervielfachen, aber die Übel sind zu zahlreich, als dass Freude aufkommen könnte. Denn die Freude erwächst aus anderen Gründen. Sie ist etwas Geistiges. An Geld, Komfort, Hygiene und materieller Sicherheit mangelt es oft nicht; aber dennoch bleiben Überdruss, mürrische Stimmung und Traurigkeit unglücklicherweise das Los vieler. Dies steigert sich nicht selten bis zu Angst und Verzweiflung, die sich durch scheinbare Sorglosigkeit, rauschenden Genuss gegenwärtigen Glücks und durch künstliche Paradiese nicht vertreiben lassen. Spürt man etwa die Ohnmacht, den industriellen Fortschritt in den Griff zu bekommen und die Gesellschaft in menschenwürdiger Weise zu gestalten? Oder handelt es sich eher um Einsamkeit, um einen ungestillten Hunger nach Liebe und Anteilnahme, um eine undeutlich gefühlte innere Leere?" Was der Heilige Vater sensibel vor 45 Jahren beobachtet hat, scheint sich im Zeitalter der Digitalisierung noch verstärkt zu haben. Dennoch ermutigt der Papst, "von der Freude zu sprechen, auf die Freude zu hoffen": "Gerade inmitten all ihrer Not müssen die Menschen von heute die Freude entdecken und deren frohen Klang vernehmen." Wir scheinen lernen zu müssen, dass wir uns über die einfachen und einfach schönen Dinge des Lebens wieder freuen können. Anlässe zur Freude, in Kenntnis des Elends und der Not der Welt, benennt Paul VI., so die "überschäumende Freude über das Dasein und das Leben; Freude der lauteren und geheiligten Liebe; Freude, die Frieden schenkt, über die Natur und die Stille; manchmal herbe, aber echte Freude über gut geleistete Arbeit; Freude und Genugtuung üben die Erfüllung einer Pflicht; die lichte und klare Freude des Reinen, des Dienenden und dessen, der brüderlich Anteil nimmt; die anfordernde Freude des Opfers": "Der Christ kann sie noch läutern, sie vervollkommnen und erhöhen; aber er sollte sie nicht verschmähen. Die christliche Freude setzt einen Menschen voraus, der zu natürlichen Freuden fähig ist. Oft genug ist Christus von diesen Freuden bei der Verkündigung des Reiches Gottes ausgegangen."

Beeinträchtigt aber werde die Freude von der Gottlosigkeit in dieser Zeit. Paul VI. spricht vom modernen Menschen: "Gott scheint ihm eine abstrakte und überflüssige Idee zu sein. Ohne es aussprechen zu können, wird ihm das Schweigen Gottes zu einer Last. Ja, die Kälte und das Dunkel haben ihren Ort vor allem im Herzen des Menschen, wo müde Traurigkeit herrscht. Man kann in diesem Zusammenhang von der Trauer der Nichtglaubenden sprechen, da der menschliche Geist, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist und deshalb von Natur her auf ihn als sein einziges höchstes Gut hin ausgerichtet ist, ihn ohne Glauben nicht klar zu erkennen und nicht zu lieben vermag." Diese Traurigkeit scheint heute weit in die Kirche des Herrn hineinzureichen. Eine himmlische Schwerelosigkeit wünschen wir uns zuweilen sehr – und vielleicht sollten wir wieder mehr beten und weniger klagen, diskutieren und jammern? Paul VI. zeigt deutlich, wie der Mensch heute sich neu freuen kann, nämlich dann, wenn er sich vom Herrn von innen her wandeln und erneuern lässt: "Der Mensch kann also nur dadurch, dass er sich von der Sünde abwendet und wieder Gott nähert, wirklich der geistigen Freude teilhaftig werden. … Aber die Offenbarung vermag diesen Horizont zu öffnen, und die Gnade ist fähig, diese Umkehr Wirklichkeit werden zu lassen." Nicht die Tilgung des Begriffs Sünde schenkt uns Freude, sondern die Abwendung von der Lebenswirklichkeit Sünde macht uns wahrhaft froh. 

Der heilige Paul VI. empfiehlt, zu den "Quellen der christlichen Freude" zurückzukehren. Der Weg zur Freude ist ein Weg der Umkehr und Buße – und die christliche Freude könnte in und um uns neu erblühen. Im Introitus heißt es am dritten Advent: "Freuet euch allezeit im Herrn. Noch einmal sage ich: Freuet euch. Lasst alle Menschen eure Güte erfahren; denn der Herr ist nahe. Um nichts macht euch Sorgen …" In meinem schönen alten, ewig jungen Missale Romanum von 1962 lese ich: "Die Kirche unterbricht heute den Ernst der Adventszeit. Alles in der Liturgie ist auf den Ton der Freude gestimmt. Statt der violetten Gewänder darf der Priester heute rosarote tragen … Die Orgel kann ihr frohes Lied erklingen lassen. Freude herrscht, weil der Heiland mit dem Reichtum seiner Erlösungsgnade nahe ist." Der dritte Adventssonntag lädt uns ganz besonders zur christlichen Freude ein, darum sehen wir ganz einfach rosarot: Freut euch, der Herr ist nahe – gaudete! 

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