Warum es Politiker vom Schlag eines Jacob Rees-Mogg nicht in Deutschland gibt, mag mehrere gute Gründe haben. Die Tatsache, dass der britische Abgeordnete praktizierender Katholik ist, und dazu in der Öffentlichkeit mutig steht, sollte jedoch keiner sein. 

Die deutsche Bundestagswahl findet am kommenden 24. September statt. Für nicht wenige katholische Wähler stellt sich die Frage: Für welche Partei soll ich angesichts der Entwicklung der letzten Monate und Jahre diesmal stimmen? In welcher Partei ist eine glaubwürdige Stimme praktizierender Katholiken zu hören, der ich Vertrauen kann?

„Es riecht nach der schlimmsten Form anti-katholischer Bigotterie“

Dass Entscheider und Meinungsmacher in Politik und Medien einen dafür angreifen, katholische Positionen zu vertreten: Das ist kein spezifisch deutsches Thema. Drastisch zeigt das der Umgang der US-Senatorin der Democrats, Dianne Feinstein, mit Amy Coney Barrett vergangene Woche. Das Verhalten der US-Politikerin gegenüber der Rechtsanwältin in einer Anhörung „riecht nach der schlimmsten Form anti-katholischer Bigotterie“, warnte der Theologie-Professor Chad Pecknold gegenüber CNA am 6. September.

Die Frage ist eher, warum die Stimmen praktizierender Katholiken nicht lauter vernehmbar sind.

Etwa die von Jacob Rees-Mogg in der TV-Sendung „Good Morning Britain“. Nach einer kurzen Frage über Einwanderungspolitik und den Brexit nahmen die Moderatoren Piers Morgan und Susanne Reid den Abgeordneten der „Tories“ ins Kreuzverhör, wie Autorin Mary Rezac in einem Artikel für CNA schreibt, zu seinen Ansichten über gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung, die beide in Großbritannien legal sind.

Der 48 Jahre alte Rees-Mogg galt vielen bislang als exzentrischer, wenn auch eloquenter und beliebter Hinterbänkler. Seit kurzem wird der sechsfache Vater jedoch als möglicher Parteichef der Conservatives gehandelt, und sogar als möglicher zukünftiger Premier – obwohl er selber dies abstreitet.

Auf die mehrfach insistierte Frage der TV-Moderatoren nach seiner Meinung zu homosexueller Ehe antwortete Rees-Mogg, dass er die Lehre der Katholischen Kirche unterstützt, und dass diese Lehre „völlig klar“ sei.

Im weiteren Verhör sagte der Abgeordnete für North East Somerset, dass er zwar aus moralischen Gründen gegen homosexuelle Ehe und Abtreibung sei, aber auch zu der katholischen Lehre stehe, dass man andere nicht verurteilen soll. Zudem wies er darauf hin, dass sich die Gesetzeslage im Land nicht verändern werde aufgrund seiner religiösen Ansichten.

„Das sind alles keine parteipolitischen Fragen, es sind Fragen, über die im Parlament frei abgestimmt wird“.

„Sie werden nicht vom Premierminister entschieden, und es besteht keine Frage darüber, ob sie geändert werden sollen. Dafür würde es im House of Commons keine Mehrheit geben", so Rees-Mogg weiter.

Dann fragte Piers Morgan ihn, ob die Bevölkerung einen Entscheidungsträger mit katholischen Ansichten akzeptieren würde.

„Ich denke, dass die Konservativen Gläubigkeit gegenüber sehr viel toleranter sind, und das sollten sie auch“, sagte Rees-Mogg.

„Es ist schön und gut zu sagen, dass wir in einem multikulturellen Land leben, es sei denn, man ist Christ, es sei denn, man hat die traditionellen Ansichten der Katholischen Kirche“, fügte er hinzu.

„Und das scheint mir fundamental falsch zu sein. Die Menschen haben ein Recht darauf, eigene Ansichten zu haben, aber die demokratische Mehrheit hat auch das Recht, die Gesetze im Land so zu haben, wie sie sind, was mit der Lehre der Katholischen Kirche nicht vereinbar ist und auch nicht in Zukunft vereinbar sein wird.“

Katholische Führungskräfte applaudierten dem Zeugnis des britischen Abgeordneten.

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„Gut gemacht, Jacob Rees-Mogg! Danke Ihnen dafür, dass sie sich für Katholiken eingesetzt haben und klar aber sanft die Lehre Christi verkündet haben“, tweete Bischof Philip Egan von Portsmouth.

Luke Coppen, Chefredakteur des britischen Magazins „Catholic Herald“, bestätigte gegenüber Mary Rezac, dass es nicht das erste Mal war, dass ein katholischer Politiker in Großbritannien so antagonistisch angegangen wurde.

„Der Thomas Morus des Frühstücksfernsehens“

„Feindlichkeit gegenüber dem Katholizismus ist in Großbritannien nichts Neues. Tatsächlich ist das heute garnichts im Vergleich dazu, wie es im elisabethanischen Zeitalter zuging“ – einem Zeitalter, in dem es verboten und oft tödlich gefährlich war, Katholik zu sein, bemerkte Coppen.

Statt Angst zu haben vor der manchmal unvermeidbaren Reibung zwischen Glauben und Politik, sollten gläubige Katholiken weiterhin in der Öffentlichkeit dienen, so Coppen.

„Sie sind uns ein Vorbild: wir wollten immer anstreben, der ganzen Gesellschaft zu dienen, denn unser Glaube verpflichtet uns dazu“, sagte er.

Einige Beobachter haben das Zeugnis von Rees-Mogg sogar mit dem des heiligen Thomas Morus verglichen, der gegen die Wiederverheiratung von König Heinrich VIII war, nachdem diesem eine Annullierung seiner Ehe abgelehnt wurde und er daraufhin mit Rom brach und sich zum Oberhaupt seiner eigenen, anglikanischen Kirche machte. Die Treue zur Kirche kostete ihm das Leben, und der heilige Thomas Morus wird often als Schutzpatron der Religionsfreiheit angerufen.

„In der aktuellen Ausgabe des Magazins habe wir eine Schlagzeile, in der Rees-Mogg als 'der Thomas Morus des Frühstückfernsehens' bezeichnet wird“, so Coppen weiter.

„Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, denn er war zwar sehr tapfer, aber er wird dafür wahrscheinlich nicht hingerichtet werden“. Allerdings, fügte Coppen hinzu, würden solche Katholiken im öffentlichen Leben wohl nicht mehr zu bestimmten Dinner-Parties eingeladen werden.

Bischof Mark Davies von Shrewsbury lobte auch Rees-Moggs Worte, und ermutigte Katholiken, weiterhin aktive, gläubige Teilnehmer am öffentlichen Leben zu sein.

„...jenseits des unmittelbaren Aufschreis bin ich mir sicher, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Jacob Rees-Mogg letzten Endes für ihren Mut und ihre Integrität geachtet werden“, sagte er gegenüber Mary Rezac.

„Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Politik ein stärkeres christliches Zeugnis brauchen, nicht den Rückzug gläubiger Katholiken aus der Öffentlichkeit und den Debatten der Gegenwart. Die Herausforderung, vor der Christen heute stehen lassen uns deutlicher erkennen, warum der heilige Thomas Morus der Schutzheilige der Politiker ist“.

Die Bundestagswahl findet am 24. September 2017 statt. Die klugen Stimmen praktizierender Katholiken im Vorfeld mutig, laut und deutlich zu hören, ist sicherlich wünschenswert. 

Gott sei Dank gibt es hierzulande aber auch mutige Stimmen; etwa die von Natalie Dedreux: Sie bewegte die Bundeskanzlerin mit ihrer Frage zur Abtreibung von Kindern mit Downsyndrom.

So unterhaltsam das wäre: Deutschland braucht nicht unbedingt einen "Thomas Morus des Frühstücksfernsehens". Aber es braucht mutige Frauen und Männer, die nicht nur ihren Glauben leben, sondern dafür auch öffentlich einstehen: Klar in der Sache, sanft im Ton.

AC Wimmer ist Chefredakteur von CNA Deutsch. 

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