Die Messe am 10. Mai 2020 war die erste heilige Messe der Gemeinde nach den Restriktionen zur Eindämmung der Infektionen mit dem Coronavirus in der Covid-19-Pandemie. 

Oft war katholische Kirche beziehungsweise die heimische Gemeinde für mich ein Ort der Auszeit vom gesellschaftlichen, politisch bestimmten Kontext. Mit den Entscheidungen zu Hygieneauflagen innerhalb der Kirchen und dem offiziell protestlos hingenommenen Verbot von Gottesdiensten, sank meine Achtung vor der Institution Kirche ausgesprochen stark. Erneut. Ich war wirklich zutiefst irritiert und konnte es nicht fassen. Im Laufe der Wochen verblaßte die Empörung und wich einer tiefen Enttäuschung, die irgendwann eher im Hintergrund mitlief. 

Die Ankündigung der ersten Messe in den Vermeldungen fand ich seltsam: wenn man wirklich kommen wollte, dann könne man kommen, aber nicht zu viele und man solle selbst beurteilen, ob man sich das wirklich antun wolle. Die Situation sei ja weiterhin sehr gefährlich. Klang eher ausladend und nicht einladend.

Dann kam ich mit den Kindern zum Gottesdienst und wurde darauf hingewiesen, dass wir tatsächlich alle einen Mundschutz bräuchten. Darauf war ich nicht vorbereitet. Stand auch nicht in den Vermeldungen. Ich schob also mein Tuch etwas höher und mußte dann tatsächlich eine Diskussion darüber führen, dass die Kinder keinen Mundschutz bräuchten. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich am liebsten wieder gegangen, da sich Mundschutz mit Gottesdienst für mich nicht verträgt. Mundschutz verträgt sich auch mit dem normalen Alltag für mich nicht. Aber ich wollte endlich wieder einen katholischen Gottesdienst in einer Kirche.

Nach der verpflichtenden Händedesinfektion wurden wir deutlich und wiederholt darauf hingewiesen, dass die abgezählten Murmeln, die jeder in die Hand bekam, nicht zum Spielen für die Kinder seien und die Kinder sie auch nicht in die Hand nehmen dürften! 

Und zu guter Letzt im Begrüßungsreigen, wurde uns mehrfach gesagt, dass wir nicht so viel Platz in Anspruch nehmen dürften, der Abstand zur (nicht anwesenden) Person zwei Reihen vor uns sei sonst nicht groß genug. Wir sollten also schön gequetscht, ganz am Rand sitzen bleiben. Mit drei kleinen Kindern.

Auch andere Personen konnten sich nicht aussuchen, bei welcher Markierung sie sitzen wollten, sondern wurden umgesetzt.

Das war das "Willkommen" von den Ordnern in der Kirche. 

Die Messe begann. Der Kaplan kam mit durchsichtigem Ganzgesichtsschutz und den Messdienern, die alle FFP3-Masken trugen! Ehrlich gesagt sahen die Messdiener aus der Entfernung aus, als hätten sie Schweinsnasenmasken auf. Dieser Gedanke ist im Kontext von Kirche/GOTTESDIENST absolut nicht angemessen, leider kommen diese Assoziationen und leider verstetigten sie sich. Es sah absolut lächerlich aus!

Die ersten Worte, die der Kaplan sprach, waren die Verhaltensregeln:

Abstand halten!

Nicht singen!

Die Kirche sehr zügig an der Seitentür nach dem Gottesdienst verlassen!

Das Grundstück sehr zügig verlassen, nicht stehen bleiben!

Die Kommunion wird über kleine Schälchen verteilt. (!)

Dann wurde die Messe eröffnet und es kam die Begrüßung. Selbst ein introvertierter, wortkarger Pfarrer hätte zumindest das Wort "Freude" oder "schön" ausgesprochen. Aber es kam nur die Bemerkung, dass wir lange nicht gemeinsam gefeiert hätten und dass wir dankbar sein sollten für alles Gute, was Gott uns in der Zwischenzeit erwiesen hat.

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Erwartet hatte ich ein: ENDLICH KÖNNEN WIR WIEDER GEMEINSAM GOTTESDIENST FEIERN! HALLELUJA! SCHÖN, DASS SIE GEKOMMEN SIND! 

Nein, das habe ich ehrlich nicht erwartet. Meine Erwartung war aber schon, dass es auch für die Pfarrer zumindest eine spürbare Freude sein sollte, endlich wieder mit Gemeinde gemeinsam die Messe zu feiern beziehungsweise wieder als Gemeinde gemeinsam die Messe zu feiern! 

Bis zu diesem Zeitpunkt schienen wir aber aufwendig zu organisierende Störfaktoren zu sein. Nicht explizit für den Pfarrer, sondern insgesamt von der Atmosphäre.

Es fiel mir ehrlich schwer den Gottesdienst mit innerer Teilhabe zu feiern. 

Die Orgel spielte Lieder aus dem Gotteslob mit mehreren Strophen, aber wir durften nicht singen. Auch der Organist sang nicht. Es war so absurd! Hätten sie wenigstens Instrumentalstücke gewählt, hätten sie eine klassische stille Messe gefeiert – aber so wirkte das Ganze wie gewollt und nicht gekonnt, als ob so getan würde, als sei alles gleich, nur halt ein bisschen anders, würde schon keiner merken. Aber es paßte nichts zusammen. 

Dann kam die Wandlung, die Kommunion. Der Leib Christi wurde auf abgezählte Schälchen verteilt, eine Hostie in jedes Schälchen, die vor den Stufen auf Tischen standen. Mit dem Hinweis auf  Abstand! Abstand! Abstand! sollten dann alle nach vorn gehen, sich ein Schälchen nehmen und zügig, wortwörtlich im Gehen zum Abstelltisch für die Schälchen, die Hostie kommunizieren. Nicht stehenbleiben! 
Wie diese Kommunion theologisch, liturgisch vertretbar ist, erschließt sich mir nicht. 

Der Rest des Gottesdienstes war schnell vorbei. Anders kann ich es nicht formulieren. Dem erneuten Hinweis, die Kirche zügig zu verlassen, kam ich sehr gerne nach.

Nach dem Gottesdienst wurden die ausgeteilten Murmeln und "Kommunionschälchen" selbstverständlich desinfiziert. 

Ich kann leider noch nicht sagen, aus welchem Grund mich das alles so sehr innerlich aufregte. Wahrscheinlich ist, dass meine Wahrnehmung von der Institution Kirche auf einmal einen greifbaren Anlass hatte, ein anschauliches Beispiel, das ich erlebte. Nichts vom Hörensagen oder Lesen, sondern ich stand mittendrin und erlebte, wie die Kirche sich selbst in gewisser Weise aufgibt. Sie macht mit in den Absurditäten und übertreibt diese noch. Sie bietet keinen geschützten Raum mehr vor dem oben bereits genannten "neuen Alltag". Für scheinbare Sicherheit gibt sie sich und ihre Losgelöstheit vom Irdischen auf. Sie wird so weltlich, wie sie weltlicher nicht sein kann. 

Und: sie macht mit bei der "Angst vor dem Tod", Angst vor dem Unkontrollierbaren, Angst vor Krankheit. Wie können Priester diese Angst auch noch bedienen?! In der Osterzeit! Christi Himmelfahrt! Der Mensch ist menschlich. Der Mensch ist sterblich. Der Mensch ist verletzlich. Das macht das Leben wertvoll. Aber nicht jede Krankheit bedeutet Tod, auch wenn jede Krankheit eine Trockenübung für den letztendlichen irdischen Abschied sein kann. Und für uns Christen gibt es das Wissen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Ein Wissen, dass die meisten Menschen verloren haben. Und die Priester frischen nicht mal jetzt dieses Wissen auf, sondern klammern sich an falsche Sicherheiten, als ob "der Tod" beziehungsweise Gottes Vorsehung sich davon beeindrucken lassen würde.

(*) Name der Redaktion bekannt. 

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