Am Ostersonntag feiert Benedikt XVI. seinen 90. Geburtstag. Es ist schwer, das lange Leben des emeritierten Papstes kurz zusammenzufassen. Aber es gibt doch so etwas wie einen "roten Faden" in seinem Leben.

Es ist der Dienst am Glauben der Kirche, der Dienst eines einfachen und bescheidenen Arbeiters im Weinberg des Herrn, wie er sich selbst am Tag seiner Wahl zum Papst nannte.Versuchen wir, den fünf großen Etappen seines Lebensweges nachzugehen und dabei seinen Einsatz für den Glauben ins Licht zu heben.

1. Kindheit, Jugend und Ausbildung bis zur Priesterweihe (1927-1951)

Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 in Marktl am Inn geboren. Er war das jüngste von drei Kindern, die dem Ehepaar Joseph und Maria Ratzinger geschenkt wurden. Seine ältere Schwester Maria wurde 1921 geboren, sein älterer Bruder Georg 1924. Nur vier Stunden nach der Geburt wurde Joseph getauft. Der 16. April war in jenem Jahr der Karsamstag. Weil die Auferstehungsfeier damals noch am Vormittag des Karsamstags begangen wurde, war er der erste Täufling mit dem eben geweihten Osterwasser. "Dass mein Leben so von Anfang an ... ins Ostergeheimnis eingetaucht war, hat mich immer mit Dankbarkeit erfüllt, denn das konnte nur ein Zeichen des Segens sein. Freilich – es war nicht Ostersonntag gewesen, sondern eben Karsamstag. Aber je länger ich nachdenke, desto mehr scheint mir das dem Wesen unseres menschlichen Lebens gemäß zu sein, das noch auf Ostern wartet, noch nicht im vollen Licht steht, aber doch vertrauensvoll darauf zugeht" (Aus meinem Leben, 8).

Joseph wuchs im Schoß einer gläubigen Familie auf. Sein Vater war Gendarm, ein Mann des Rechtes: "Mein Vater war ein sehr gerechter, aber auch ein sehr strenger Mann. Aber wir haben immer gespürt, dass er streng war aus Güte. Und deswegen konnten wir seine Strenge wirklich gut annehmen" (Salz der Erde, 49). Seine Mutter, die aus Südtirol stammte, sorgte sich um Haus und Familie und ergänzte den Vater durch ihre Milde: "Die Mutter hat immer schon das, was an ihm vielleicht zu streng war, durch ihre Wärme und Herzlichkeit ausgeglichen" (Salz der Erde, 49). Der Vater wurde aus beruflichen Gründen oft versetzt. So zog die Familie 1929 nach Tittmoning, 1932 nach Aschau am Inn und 1937 nach Hufschlag bei Traunstein. Der katholische Glaube war ein fester Bestandteil des Lebens: "Zu allen Mahlzeiten wurde gebetet. Wenn es irgendwie vom Schulrhythmus her möglich war, gingen wir ... jeden Tag in die Messe und am Sonntag gemeinsam in den Gottesdienst. Später, als mein Vater pensioniert war, wurde meistens auch der Rosenkranz gebetet; ansonsten hat man der schulischen Katechese vertraut" (Salz der Erde, 51).

Nach der Erstkommunion wurde Joseph bald, wie sein Bruder Georg, Ministrant. In ganz jungen Jahren wünschte er sich das Schott-Messbuch, um die Liturgie besser verstehen zu können: "Es war ein fesselndes Abenteuer, langsam in die geheimnisvolle Welt der Liturgie einzudringen, die sich da am Altar vor uns und für uns abspielte. Immer klarer wurde mir, dass ich da einer Wirklichkeit begegnete, die nicht irgendjemand erdacht hatte... Dieses geheimnisvolle Gewebe von Text und Handlungen war in Jahrhunderten aus dem Glauben der Kirche gewachsen" (Aus meinem Leben, 23).

Über der Jugend von Joseph Ratzinger schwebten die dunklen Wolken des Nationalsozialismus. Der Vater stand als Gendarm im Dienst des Staates. Als entschiedener Gegner Hitlers war er heilfroh, 1937 in Pension gehen und sich nach Hufschlag bei Traunstein in eine ländliche Gegend zurückziehen zu können. In Traunstein besuchten alle drei Kinder das Gymnasium. Joseph war ein sehr begabter Schüler, zeigte großes Interesse für Griechisch und Latein, und übersetzte bald lateinische Hymnen in schönes Deutsch. Während des Krieges, es war 1943, musste er aber zusammen mit den anderen Seminaristen aus Traunstein als Luftwaffenhelfer nach München. 1944 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Nach einer kurzen Gefangenschaft konnte er im Juni 1945 nach Hause zurückkehren. Zeitlebens kämpfte er für die Freiheit des Gewissens und gegen jede Ideologie, weil er den Terror des Nazi-Regimes persönlich erlebt hatte.

In diesen Jahren reifte im Herzen von Joseph Ratzinger – wie auch seines Bruders Georg – die Berufung zum Priestertum. So traten sie beide 1946 in das Priesterseminar in Freising ein. Dort und auch im Seminar in München hatten sie hervorragende Professoren, die sie in den Reichtum der katholischen Theologie einführten und das Gespräch mit den großen Fragen der Zeit nicht scheuten. Joseph zeigte große Freude am Studium, lernte aber auch, dass zum Priestertum die Bereitschaft zum Dienst an den Menschen gehört: "Ich konnte ja nicht Theologie studieren, um Professor zu werden, auch wenn dies mein stiller Wunsch war. Aber das Ja zum Priestertum bedeutete für mich, ja zu sagen zur ganzen Aufgabe, auch in ihren einfachsten Formen" (Salz der Erde, 59).

Am 29. Juni 1951 wurden Joseph und auch sein Bruder Georg Ratzinger von Kardinal Faulhaber im Dom zu Freising zu Priestern geweiht. Dieser Tag blieb ihm unvergesslich: "Wir waren über vierzig Kandidaten, die auf den Aufruf hin Adsum sagten: Ich bin da – an einem strahlenden Sommertag, der als Höhepunkt des Lebens unvergesslich bleibt. Man soll nicht abergläubisch sein. Aber als in dem Augenblick, in dem der greise Erzbischof mir die Hände auflegte, ein Vöglein – vielleicht eine Lerche – vom Hochaltar in den Dom aufstieg und ein kleines Jubellied trällerte, war es mir doch wie ein Zuspruch von oben: Es ist gut so, du bist auf dem rechten Weg" (Aus meinem Leben, 71). Als Primiz-Spruch wählte er sich die Worte des Paulus: "Wir wollen nicht Herren über euren Glauben sein, sondern Diener eurer Freude" (2 Kor 1,24). Die Freude am Glauben durchzieht sein ganzes Leben.

2. Seelsorger und Professor (1951-1977)

Im Augst 1951 trat er seinen Dienst als Kaplan in der Pfarrei "Heilig Blut" in München an. Dort wirkte der bekannte Pfarrer Blumschein, der nicht nur zu anderen sagte, ein Priester müsse glühen, sondern wirklich ein innerlich glühender Mensch war" (Aus meinem Leben, 74). Dieses große priesterliche Vorbild half dem Neupriester, seine Aufgaben mutig anzupacken: "Ich hatte sechzehn Religionsstunden in fünf verschiedenen Klassen zu halten... Jeden Sonntag musste ich wenigstens zweimal zelebrieren und zwei verschiedene Predigten halten; jeden Morgen saß ich von 6 bis 7 Uhr im Beichtstuhl, am Samstagnachmittag vier Stunden. Jede Woche waren mehrere Beerdigungen in den verschiedenen Friedhöfen der Stadt zu halten. Die ganze Jugendarbeit lag auf meinen Schultern, und dazu kamen die außergewöhnlichen Verpflichtungen wie Taufen, Hochzeiten, usw." (Aus meinem Leben, 74). Die Arbeit mit Kindern und deren Familien wurde ihm bald zu einer großen Freude. Freilich wurde ihm auch bewusst, wie weit die Denkwelt vieler Kinder schon vom Glauben entfernt war und wie wenig der Religionsunterricht noch Deckung im Leben der Familien fand.

Im darauffolgenden Jahr wurde er wieder an das Freisinger Priesterseminar gerufen, um dort eine Vorlesung über die Pastoral der Sakramente zu halten und das Doktorat zu machen. Nur ein Jahr brauchte er für seine Dissertation über "Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche". Schon damals wurden die Grundweichen für sein theologisches Denken gestellt: "Der Ausgangspunkt ist zunächst einmal das Wort. Dass wir das Wort Gottes glauben, dass wir versuchen, es wirklich kennenzulernen und zu verstehen und dann eben mitdenken mit den großen Meistern des Glaubens. Von daher hat meine Theologie eine etwas biblische Prägung und eine Prägung von den Vätern, besonders von Augustinus" (Salz der Erde, 70). In seiner Dissertation zeigte Ratzinger von Augustinus her, dass die Kirche nicht von uns, sondern von Gott gebaut wird, und dass sie auch nicht für sich selber da ist, sondern dafür, dass Gott von den Menschen erkannt wird. In der Kirche geht es um das Geheimnis Gottes.

Der junge Doktor der Theologie war fest verankert im Glauben der Kirche und zugleich aufgeschlossen für die Herausforderungen der Zeit. Schon bald übernahm er in Freising die Lehrstuhlvertretung für Dogmatik und beeindruckte die Studenten durch seine Gabe, den Kern des Glaubens einsichtig zu machen. Um eine Professur übernehmen zu können, musste er aber eine Habilitationsschrift anfertigen. Im Gespräch mit seinem Lehrer, Professor Söhngen, kam er auf den großen Franziskanergelehrten Bonaventura. Er wollte dabei auf die Frage antworten, weshalb die Offenbarung und der Glaube nicht rückwärtsgewandt sind und die Menschen nicht an eine vergangene Zeit binden: "Bonaventura hat darauf geantwortet, indem er den Zusammenhang von Christus und Heiligem Geist gemäß dem Johannes-Evangelium stark herausgestellt hat: Das historische Offenbarungswort ist endgültig, aber es ist unerschöpflich und gibt immer neue Tiefen frei. Insofern spricht der Heilige Geist als Interpret Christi mit seinem Wort zu jeder Zeit und zeigt ihr, dass dieses Wort immerfort Neues zu sagen hat" (Salz der Erde, 66). Mit anderen Worten: Die Offenbarung und der christliche Glaube veralten nie. Sie sind immer aktuell, sie haben jeder Generation etwas zu sagen.

1957 wurde Joseph Ratzinger habilitiert. In den darauffolgenden Jahren übernahm er in rascher Folge eine Reihe von Lehrstühlen an verschiedenen Orten: 1958 in Freising, 1959 in Bonn, 1963 in Münster, 1966 in Tübingen und 1969 in Regensburg, wo er bis zum Jahr 1977 Dogmatik dozierte. Es ist nicht möglich, hier näher auf seine Lehrtätigkeit und seine Veröffentlichungen einzugehen. Das Ziel seines Wirkens bestand darin, den Glauben von Schablonen und Verkrustungen zu befreien, ihn in seiner Frische und Lebendigkeit neu einsichtig zu machen und ihn ins Gespräch der Zeit mit einzubringen. Professor Ratzinger war den Studenten nahe. Bei seinen Vorlesungen waren die Hörsäle überfüllt. Schon bald begann er, sich regelmäßig mit seinen Doktoranden in einem "Schülerkreis" zu treffen. Auch unter den Professorenkollegen und in bischöflichen Kreisen war er wegen seiner Kompetenz und menschlichen Bescheidenheit geschätzt. So braucht es uns nicht zu verwundern, dass der Kölner Kardinal Frings den jungen Professor Ratzinger – er dozierte damals in Bonn – als seinen Konzilstheologen erwählte.

In den Jahren des Konzils, also von 1962 bis 1965, war Professor Ratzinger daher oft in Rom. Die Atmosphäre jener Zeit beschreibt er einmal mit folgenden Worten: "Nachdem Papst Johannes das Konzil einberufen und ihm das Motto auf den Weg gegeben hatte, einen Sprung nach vorn zu tun und den Glauben, wie er es ausdrückte zu aggiornieren, ins Heute hereinzubringen, war in den Konzilsvätern ein sehr starker Wille da, jetzt wirklich etwas Neues zu wagen" (Salz der Erde, 78). Kardinal Frings und sein Theologe Ratzinger teilten diese Aufbruchsstimmung. Ihr Einfluss auf verschiedene Konzilstexte ist mittlerweile bekannt, vor allem bei den großen Dokumenten über die Kirche, die Offenbarung und die Mission.

Professor Ratzinger gehörte damals zu den aufgeschlossenen Theologen, denen aber die Treue zum Glauben der Kirche nie eine Frage war. Deshalb erkannte er auch sehr schnell, schon während des Konzils, dass neben dem guten Geist, der eine echte Erneuerung der Kirche anstrebte, auch ein "Konzilsungeist" am Werk war, der verheerende Folgen haben sollte: "Die Väter wollten den Glauben aggiornieren – aber ihn gerade auch dadurch in seiner ganzen Wucht anbieten. Statt dessen bildete sich mehr und mehr der Eindruck, Reform bestände darin, dass wir einfach Ballast abwerfen; dass wir es uns leichter machen, so dass eigentlich Reform nun nicht in einer Radikalisierung des Glaubens, sondern in irgendeiner Art von Verdünnung des Glaubens zu bestehen schien" (Salz der Erde, 80). So kam es rasch zu Polarisierungen: Für die einen war das Konzil nur das Sprungbrett zu ständig neuen Reformen, für die anderen wurde das Konzil mehr und mehr in Frage gestellt. Professor Ratzinger sagte schlicht und einfach. "Das wahre Erbe des Konzils liegt in seinen Texten. Wenn man die sauber und gründlich auslegt, dann ist man vor den Extremismen nach beiden Richtungen hin bewahrt; und dann öffnet es auch wirklich einen Weg, der noch viel Zukunft vor sich hat" (Salz der Erde, 81).

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Wie schon erwähnt, übernahm Joseph Ratzinger 1966 den Lehrstuhl für Dogmatik in Tübingen. Dort hielt er 1967 für alle Fakultäten der Universität eine Vorlesung über die "Einführung in das Christentum". Aus dem 1968 veröffentlichten Buch wurde ein "Bestseller". Im Vorwort erinnert Joseph Ratzinger an die alte Geschichte vom "Hans im Glück", der einen Goldklumpen, der ihm zu schwer war, der Reihe nach eintauschte, um es bequemer zu haben, für ein Pferd, für eine Kuh, für eine Gans, und für einen Schleifstein, den er dann ins Wasser warf, ohne noch viel zu verlieren. "Dem besorgten Christen von heute … drängen sich nicht selten Fragen wie diese auf: Hat unsere Theologie in den letzten Jahren sich nicht vielfach auf einen ähnlichen Weg begeben? Hat sie nicht den Anspruch des Glaubens, den man allzu drückend empfang, stufenweise herunterinterpretiert, immer nur so wenig, dass nichts Wichtiges verloren schien, und doch immer so viel, dass man bald darauf den nächsten Schritt wagen konnte?... Eine weit verbreitete Stimmung (unterstützt) einen Trend, der in der Tat vom Gold zum Schleifstein führt… An dieser Stelle setzt die Absicht des vorliegenden Buches an: Es will helfen, den Glauben als Ermöglichung wahren Menschseins in unserer heutigen Welt neu zu verstehen, ihn auslegen, ohne ihn umzumünzen in ein Gerede, das nur mühsam eine völlige geistliche Leere verdeckt" (Einführung in das Christentum, Gesammelte Schriften, Band 4, 31f.). Hier sehen wir das theologische Grundanliegen von Joseph Ratzinger: Er möchte den Schatz des Glaubens neu verständlich machen und seine Bedeutung für den Menschen und für die Gesellschaft von heute aufzeigen.

3. Erzbischof von München und Freising (1977-1982)

1969 war Professor Ratzinger einem Ruf nach Regensburg gefolgt. Dort wollte er eigentlich bleiben. Sein Bruder Georg leitete den berühmten Chor der Regensburger Domspatzen. Seine Schwester Maria, die ihn auf allen seinen Stationen begleitet hatte, führte den Haushalt und arbeitete als Sekretärin. Er war zeitweise Dekan der Theologischen Fakultät und auch Vizerektor der Universität und durchlebte gesegnete und fruchtbare Jahre.

Im Juli 1976 starb plötzlich der Erzbischof von München, Kardinal Döpfner. Joseph Ratzinger erinnert sich: "Bald kamen Gerüchte auf, dass ich unter den Kandidaten für die Nachfolge sei. Ich konnte sie nicht sehr ernst nehmen, denn die Grenzen meiner Gesundheit waren ebenso bekannt wie meine Fremdheit gegenüber Aufgaben der Leitung und der Verwaltung; ich wusste mich zum Gelehrtenleben berufen" (Aus meinem Leben, 176).

Aber im Jahr darauf – Professor Ratzinger war 50 Jahre alt – wurde er tatsächlich zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Nach einem schweren inneren Kampf gab er die Zustimmung. Am Vorabend von Pfingsten 1977 erhielt er im Münchner Liebfrauendom die Bischofsweihe: "Dieser Tag war unfassbar schön… Der Dom zu München … war herrlich geschmückt und von einer Atmosphäre der Freude erfüllt, die einen geradezu unwiderstehlich angriff. Ich habe erlebt, was Sakrament ist – dass da Wirklichkeit geschieht. Dann das Gebet vor der Mariensäule im Herzen der bayerischen Hauptstadt, die Begegnung mit den vielen Menschen, die den Unbekannten mit einer Herzlichkeit und Freude aufnahmen, die gar nicht mir gelten konnte, sondern die mir wieder zeigte, was das Sakrament ist: Man begrüßte den Bischof, den Träger des Geheimnisses Christi" (Aus meinem Leben 178).

Als bischöflichen Wahlspruch wählte er ein Wort aus dem dritten Johannesbrief: "Mitarbeiter der Wahrheit". In diesem Wort sah er so etwas wie eine Klammer zwischen seiner bisherigen Aufgabe als Theologieprofessor und seiner neuen Sendung als Bischof: "Bei allen Unterschieden ging und geht es doch um das gleiche, der Wahrheit nachzugehen, ihr zu Diensten zu sein. Und weil in der heutigen Welt das Thema Wahrheit fast ganz verschwunden ist, weil sie als für den Menschen zu groß erscheint und doch alles verfällt, wenn es keine Wahrheit gibt, deshalb schien mir dieser Wahlspruch auch zeitgemäß im guten Sinn zu sein" (Aus meinem Leben, 178f.). Diesen großen Auftrag wollte er zusammen mit anderen anpacken. Er suchte immer die Zusammenarbeit, damit "die Kirche in dieser Stunde recht gelenkt wird und das Erbe des Konzils richtig angeeignet wird" (Salz der Erde, 87).

Der neue Erzbischof wurde schon wenige Wochen nach seiner Bischofsweihe von Papst Paul VI. zum Kardinal kreiert. Schnell machte er von sich reden als wortgewandter Künder des Glaubens, als furchtloser Kritiker von Missständen und als mutiger Hirte, der Konflikten nicht aus dem Weg ging. Er schreibt über sein Selbstverständnis in dieser Zeit, in der ihm die kirchlichen Defizite klar vor Augen standen: "Ermüdung des Glaubens, Rückgang der Berufungen, Sinken der moralischen Standards gerade auch unter den Menschen der Kirche, zunehmende Tendenz zu Gewalt und vieles andere. Mir klingen immer die Worte der Bibel wie der Kirchenväter im Ohr, die die Hirten mit großer Schärfe verurteilen, die wie stumme Hunde sind und, um Konflikte zu vermeiden, das Gift sich ausbreiten lassen. Ruhe ist nicht die erste Bürgerpflicht, und ein Bischof, dem es nur darauf ankäme, keinen Ärger zu haben und möglichst alle Konflikte zu übertünchen, ist für mich eine abschreckende Vision" (Salz der Erde, 88). Dabei ging es ihm vorrangig immer darum, Zeuge des auferstandenen Herrn zu sein und die Menschen im rechten Glauben zu stärken. Die Wahrheit und die Schönheit des Glaubens ohne Furcht zu bezeugen – das war und ist ihm ein Herzensanliegen.

4. Präfekt der Glaubenskongregation (1982-2005)

Schon bald nach seiner Papstwahl im Jahr 1978 wollte Johannes Paul II. Kardinal Ratzinger nach Rom holen, zuerst als Präfekt der Bildungskongregation. Aber Kardinal Ratzinger bat darum, nicht sofort von München weggehen zu müssen, da er gerade begonnen hatte, einige notwendige Reformen durchzuführen. 1981 wandte sich der Papst wiederum an Kardinal Ratzinger, diesmal mit der Bitte, die Leitung der Glaubenskongregation zu übernehmen. Nun konnte er nicht mehr absagen, und der Papst erfüllte ihm sofort den Wunsch, auch als Präfekt weiter theologische Werke veröffentlichen zu können. Im März 1982 begann er seine Tätigkeit an der Kongregation, die den Auftrag hat, die katholische Lehre in aller Welt zu fördern und zu schützen. Das ist keine leichte Aufgabe in unserer Zeit mit all ihren Veränderungen und Herausforderungen. Kardinal Ratzinger wusste, dass er immer wieder Kritik werde einstecken müssen. Auf die Frage, was ihm dabei geholfen habe, den Frieden zu wahren, meinte er: "Ich bin ein freier Christenmensch und muss einmal vor Gott Rechenschaft ablegen für das, was ich getan habe, nicht vor den Medien". Kardinal Ratzinger verwies oft auf die großen Zeugen des Gewissens, etwa Thomas Morus oder John Henry Newman, die ihm Vorbild waren.

An der Glaubenskongregation förderte Kardinal Ratzinger von Anfang an die kollegiale Arbeitsweise. Entscheidungen über anfallende Fragen wurden nur gemeinsam – in der wöchentlichen Sitzung mit den Mitarbeitern – getroffen. Wichtigere Fragen wurden immer der montäglichen Versammlung der Konsultoren vorgelegt: Die Konsultoren sind Fachtheologen, die für die Glaubenskongregation arbeiten. Alle großen Entscheidungen wurden von den Mitgliedern der Glaubenskongregation, zu der Kardinale und Bischöfe aus aller Welt gehören, gemeinsam bei ihrer Mittwochsversammlung beraten und entschieden und schließlich dem Papst zur Approbation vorgelegt. Diese Arbeitsweise – Teamwork im besten Sinn – ist und bleibt vorbildlich. Einmal fragten wir Kardinal Ratzinger, weshalb er so oft die Meinung von uns jungen Mitarbeitern hören wollte. Seine Antwort war: "Schon der heilige Benedikt sagt in seiner Regel, dass der Heilige Geist auch durch den Jüngsten sprechen kann". Er war zeitlebens ein offener, ein fragender, ein hörender Mensch.

Darüber hinaus stärkte Kardinal Ratzinger die Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen, vor allem mit den Glaubenskommissionen. Ab 1984 reiste er etwa jedes dritte Jahr in einen anderen Kontinent, um die Vorsitzenden der Glaubenskommissionen dort zu treffen und mit ihnen anstehende Fragen und Probleme zu erörtern. Es war ihm ein großes Anliegen, die Verantwortung der Bischöfe und der Bischofskonferenzen für den rechten Glauben zu stärken. Er betonte, dass für die Weitergabe des Glaubens in unserer Zeit alle an einem Strang ziehen müssen. Je geeinter die Kirche ist, je mehr Rom und die Bischöfe in den einzelnen Ländern mit einer Sprache sprechen, desto mehr werden die Menschen die Kraft des Glaubens erfahren.

In der Sorge bezüglich mancher Theologen, die von der kirchlichen Lehre abweichen, setzte Kardinal Ratzinger den Akzent vor allem auf den Dialog und die Kraft der Argumente. Er erinnerte immer wieder an die kirchliche Berufung der Theologen und ließ das Lehrbeanstandungsverfahren gründlich überarbeiten. Darin sollten einerseits die Rechte der einzelnen Theologen geschützt werden, andererseits war aber auch das Recht der Gläubigen auf die gesunde Lehre zu wahren. In der Auseinandersetzung mit einzelnen Theologen wurde zumeist ein jahrelanger Dialog geführt, bei dem viele Probleme gelöst werden konnten. Nur in ganz wenigen Fällen waren disziplinäre Maßnahmen notwendig.

Besondere Verdienst erwarb sich Kardinal Ratzinger um den Katechismus der Katholischen Kirche. Die Idee für dieses Projekt wurde 1985 auf einer Synode 20 Jahre nach Abschluss des Konzils geboren. Johannes Paul II. beauftragte dann eine Kommission unter Leitung von Kardinal Ratzinger mit der Vorbereitung des Textes. Ein Redaktionskomitee stand der Kommission zur Seite. Ein erster Entwurf wurde allen Bischofskonferenzen, theologischen Fakultäten und katechetischen Instituten vorgelegt. Tausende von Vorschlägen wurden in den Text eingearbeitet, so dass man wirklich sagen kann: Dieser Katechismus ist ein Dokument für die ganze Kirche und zugleich erarbeitet unter Mitarbeit der ganzen Kirche. 1992 wurde der Katechismus von Johannes Paul II. approbiert und als "sicherer und authentischer Bezugstext für die Darlegung der katholischen Lehre" vorgelegt. Dieser Katechismus wird in die Geschichte der Kirche eingehen.

In den 23 Jahren an der Glaubenskongregation musste sich Kardinal Ratzinger mit einer Fülle von Herausforderungen beschäftigen. Am Beginn der 80-er Jahre war die Befreiungstheologie in Südamerika ein großes Thema: Der Glaube möchte ja nicht nur den Weg zum Himmel zeigen, sondern uns auch helfen, hier auf Erden das Leben der Menschen zu verbessern und ungerechte Strukturen zu überwinden. Wie weit darf die Kirche hier gehen? Kann sie marxistische Strömungen unterstützen, um im Kampf gegen die Reichen für die Armen einzutreten? Die Glaubenskongregation wies eine marxistisch inspirierte Befreiungstheologie zurück, zeigte dann aber auch, wie eine echte vom Evangelium inspirierte Befreiungstheologie arbeitet: Sie setzt bei der Befreiung von der Sünde an, möchte zur Erneuerung der Herzen beitragen und so auch die Gerechtigkeit in Politik und Wirtschaft fördern.

Ein weiteres großes Problem ist der Relativismus, der behauptet, dass es die objektive Wahrheit gar nicht gäbe, sondern nur subjektive Meinungen, dass alle Religionen Heilswege seien, dass Christus nur einer von vielen Religionsgründern sei. Zur Korrektur solcher Strömungen, die auch in die Kirche hineinreichen, wurde im Jahr 2000 die Erklärung Dominus Iesus veröffentlicht. Darin sagt die Glaubenskongregation, dass nur einer der Herr und Erlöser ist: Jesus Christus, der für alle Menschen gestorben und auferstanden ist. Freilich können Anhänger anderer Religionen gerettet werden, wenn sie ihrem Gewissen aufrichtig folgen, aber nicht durch Buddha oder sonst jemanden, sondern durch Jesus Christus, den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Die verschiedenen Religionen sind gleichsam das Suchen der Menschen nach dem Geheimnis Gottes, Christus aber ist die Antwort Gottes auf dieses Suchen der Menschen. Deshalb müssen wir den Herrn und sein Evangelium auch allen Menschen verkünden.

Neue Fragen gibt es auch im Bereich der Bioethik. Denken wir an die künstliche Befruchtung, an Embryonenforschung und vieles mehr. Unter Kardinal Ratzinger stellte die Glaubenskongregation klar, dass die Kirche für die unbedingte Achtung des Embryos von der Empfängnis an eintritt und dass neues menschliches Leben gemäß dem Plan des Schöpfers die Frucht der ehelichen Liebe sein soll. Gegen die Gender-Ideologie erinnerte die Kongregation daran, dass Mann und Frau die gleiche Würde haben, aber vom Schöpfer unterschiedlich gewollt sind und sich gerade in ihrer Verschiedenheit zum Wohl aller ergänzen sollen.

In all diesen Jahren war klar, dass Kardinal Ratzinger nicht nur ein enger Mitarbeiter von Johannes Paul II. war, sondern auch ein persönlicher Freund und Ratgeber. Zweifellos tragen große Enzykliken dieses Papstes, wie etwa Veritatis splendor über die Moral, Evangelium vitae über den Lebensschutz, oder Fides et ratio über Glaube und Vernunft, auch seine Handschrift. Kardinal Ratzinger war eine Säule des Glaubens, ein brillanter Theologe und ein demütiger Diener, auf den sich Johannes Paul II. voll und ganz verlassen konnte.

5. Oberster Hirte der Kirche (2005-2013) und emeritierter Papst

Als Johannes Paul II. 2005 starb, war Kardinal Ratzinger Dekan des Kardinalskollegiums. Deshalb hatte er das Begräbnis zu leiten. Seine Worte über den verstorbenen Papst, der am Fenster des Himmels steht, auf uns herabschaut und uns segnet, haben uns tief berührt. Auch die Leitung des Konklave lag in der Verantwortung von Kardinal Ratzinger, der dann selber – schon am 2. Tag des Konklave – am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde.

Benedikt XVI. wusste, dass er als 78-Jähriger keine besonderen Projekte in der Leitung der Kirche angehen konnte: "Ich hatte das Bewusstsein, dass ich vor allen Dingen versuchen musste, zu zeigen, was Glaube in der heutigen Welt bedeutet, wieder die Zentralität des Glaubens an Gott herauszustellen und den Menschen Mut zum Glauben zu geben" (Letzte Gespräche, 28). Mit welchem Programm machte sich der neue Papst an diese Aufgabe? In seiner Predigt bei der Amtseinführung sagte er, dass sein Programm darin besteht, "nicht meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Wille des Herrn zu lauschen und mich von ihm führen zu lassen, damit er selbst die Kirche führe in dieser Stunde unserer Geschichte" (Homilie, 24. April 2005). Hier spricht das Herz von Benedikt XVI.

Wir müssen uns mit einigen knappen Hinweisen begnügen, wie er im Hören auf den Herrn die Menschen im Glauben zu ermutigen versuchte. Er schenkte uns drei Enzykliken über die göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Deus caritas est (2005), "Gott ist die Liebe", so ist der Titel seiner ersten Enzyklika. Darin stellte er uns das Geheimnis des menschgewordenen Gottes und unseren Grundauftrag zur Gottes- und Nächstenliebe neu vor Augen. In seiner zweiten Enzyklika Spe salvi (2007) unterstrich er die Aktualität der christlichen Hoffnung in einer Welt, die oft zur Resignation und zur Zukunftsangst neigt. Und die von ihm erarbeitete, aber dann von Papst Franziskus veröffentlichte Enzyklika Lumen fidei (2013) zeigt uns, wie der Glaube Licht auf unserem Weg ist und wie er – einer brennenden Fackel gleich – von Person zu Person weitergeben wird. In der Sozialenzyklika Caritas in veritate (2009) wandte er sich an alle Menschen guten Willens und unterstrich die Bedeutung der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit. "Der Humanismus, der Gott ausschließt, ist ein unmenschlicher Humanismus" (Nr. 78), so lesen wir in diesem Schreiben.

Benedikt XVI. rief mehrere Bischofssynoden ein. Die dabei behandelten Themen hatten alle mit dem Glauben zu tun: bei der ersten Synode ging es um die Feier des Glaubens in der Liturgie (Sacramentum caritatis, 2006), bei der zweiten um das Wort Gottes, das unseren Glauben nährt (Verbum Domini, 2010), bei der dritten um die Neuevangelisierung in unserer säkularisierten Welt (2012).

Bei den Mittwochskatechesen stellte Benedikt XVI. sehr oft die Heiligen in den Mittelpunkt, angefangen von den Aposteln, über die Kirchenväter, die Heiligengestalten des Mittelalters bis herauf zu den heiligen Frauen und Männern der Neuzeit. Sie sind die großen Leuchten des Glaubens, die eigentlichen Erneuerer der Kirche und der Welt. Unvergesslich sind viele Ansprachen, Betrachtungen und Predigten, die uns Benedikt XVI. geschenkt hat. Viele von uns machten beim Hören seiner Worte die Erfahrung der Emmaus-Jünger, die nach dem Verschwinden des fremden Gastes zueinander sagten: "Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?" (Lk 24,32).

Benedikt XVI. gab klare Orientierung im Disput um die Auslegung des II. Vatikanischen Konzils: Für das rechte Verständnis der Texte bedarf es einer "Hermeneutik der Reform unter Wahrung der Kontinuität" (Ansprache vom 22. Dezember 2005). Das Konzil wollte ja keinen Bruch mit der Vergangenheit. Es wollte keine andere, sondern eine erneuerte Kirche eine Kirche, die sich auf ihre tragenden Wurzeln besinnt und Christus der modernen Welt zu bringen vermag.

Die innere Mitte der Kirche sah der emeritierte Papst zeitlebens in der heiligen Liturgie, in der sich der Primat Gottes ausdrückt. Er setzte sich mit dem Konzil für die echte Erneuerung der Liturgie ein, wollte aber auch den Bruch mit der Tradition überwinden helfen. Die Wiederzulassung der überlieferten Liturgie durch das Schreiben Summorum pontificum (2007) kommt deshalb nicht nur traditionell gesinnten Katholiken entgegen, sie ist auch ein Beitrag zur Versöhnung der Kirche mit ihrer eigenen Vergangenheit und eine Bereicherung für das Leben der Kirche.

Auf seinen Reisen brachte Benedikt XVI. die Frohe Botschaft in viele Länder. Er selbst zählt die Reisen zu den Weltjugendtagen zu den schönsten seines ganzen Pontifikats: "Köln, Sydney, Madrid, das sind drei Einschnitte im Leben, die ich nie vergessen werde" (Letzte Gespräche, 225). Sein Hauptanliegen war es, die jungen Menschen in der Freude am Glauben zu bestärken. Wir Deutschsprachige erinnern uns vor allem an seine Reisen in seine bayrische Heimat, nach Mariazell und Wien sowie nach Berlin, Erfurt und Freiburg, wo er mit seiner Ansprache über die "Entweltlichung" einen Prozess auslöste, den Papst Franziskus nun weiterführt.

Auf die Fortschritte in der Ökumene, die guten Beziehungen zum Judentum und zu den anderen Religionen sowie die vielen Begegnungen mit Politikern und Staatsmännern können wir hier nicht näher eingehen. Jedenfalls bemühte sich Benedikt immer, auf alle Menschen zuzugehen, ihr Gewissen anzusprechen, das Gute in ihnen zu fördern. Krisen in der Kirche und in Rom ging er nicht aus dem Weg, sondern packte an, so gut er konnte. Und neben allen seinen Aufgaben als Papst schaffte er es, ein dreibändiges Buch über "Jesus von Nazareth" zu schreiben, das schon jetzt zur Pflichtlektüre der Theologiestudenten gehört. Dieses Werk lag ihm ganz besonders am Herzen. Denn "die Kirche ist am Ende…, wenn wir Jesus nicht mehr kennen" (Letzte Gespräche, 235).

Manche Leute kritisierten Benedikt XVI. und meinten, er sei mehr Professor als Hirte gewesen. Auf diese Kritik antwortet er: "Ich versuchte vor allem ein Hirte zu sein. Dazu gehört natürlich auch der leidenschaftliche Umgang mit dem Wort Gottes, also das, was ein Professor tun soll. Hinzu kommt, ein Bekenner zu sein, ein Confessor. Die Begriffe Professor und Confessor bedeuten philologisch ja ungefähr das Gleiche, wobei die Aufgabe natürlich mehr in Richtung Confessor liegt" (Letzte Gespräche, 266). Benedikt war ein Confessor-Papst, ein Kenner und Bekenner des Glaubens.

Und dann kam jener 11. Februar 2013, der die ganze Welt in Atem hielt. Benedikt XVI. kündigte seinen Rücktritt an. Er tat dies, weil er ein nüchtern denkender Mann ist und erkannte, dass er nicht mehr die Kräfte besaß, um das Amt des Papstes in unserer schwierigen Zeit auszuüben. Dazu kam seine gläubige Gewissheit, dass der Herr weiterhin für seine Kirche sorgen und ihr einen neuen Papst schenken wird. Und schließlich war und ist er ein Vorbild in der Demut: nur ein demütiger Mensch kann einen solchen Schritt setzen. Bei seiner letzten Audienz am 27. Februar 2013 sagte er über seinen Rücktritt: "Das Schwere der Entscheidung lag gerade auch darin, dass ich vom Herrn ... für immer beansprucht war... Meine Entscheidung, auf die aktive Ausführung des Amtes zu verzichten, nimmt dies nicht zurück. Ich kehre nicht ins private Leben zurück… Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus". Seit vier Jahren verrichtet der emeritierte Papst diesen Dienst des Gebetes für die Kirche und besonders für seinen Nachfolger Papst Franziskus.

Bei der letzten Begegnung mit Pilgern auf dem Petersplatz legte Benedikt XVI. auch ein ergreifendes Glaubensbekenntnis ab: "Ich habe immer gewusst, dass der Herr im Boot der Kirche ist und ... dass das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns, sondern ihm gehört... Ich möchte alle einladen, ihr festes Vertrauen auf den Herrn zu erneuern... Ich möchte, dass jeder sich geliebt fühlt von jenem Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben und uns seine grenzenlose Liebe gezeigt hat. Ich möchte, dass jeder die Freude empfindet, Christ zu sein... Ja, seien wir froh über das Geschenk des Glaubens; es ist das kostbarste Gut, das niemand uns nehmen kann!"

Der aus Tirol stammende Pater Dr. Hermann Geißler FSO ist Mitarbeiter der Kongregation für die Glaubenslehre, seit 2009 Leiter der Lehrabteilung.