Müsste die Theologie sich nicht endlich stärker an der "Lebenswirklichkeit" orientieren? Ist das Gebot der Stunde heute nicht, die Erkenntnisse der Wissenschaften theologisch zu reflektieren und sich von den gängigen Meinungen dieser Welt beleben, anregen, vielleicht bezaubern, führen oder gar verführen zu lassen? Müssten wir alle nicht auch anders beten, tiefsinniger, tiefgründiger werden? Lässt sich am Ende gar die Corona-Pandemie als Offenbarung und Weckruf zu einer zweiten Reformation begreifen? Forderte nicht jüngst ein Weihbischof aus Basel ein neues Konzil? Wir leben alle im Gewoge der Zeiten und unseres Alltags, bezeichnet auch von der Betriebsamkeit in der Kirche. Über eine versöhnlich-gastfreundliche Abendmahlsgemeinschaft aller Christen wird geredet – aber wissen und verstehen wir Katholiken noch, was Eucharistie ist? Leben wir aus der Danksagung? Oder garnieren wir gängige Meinungen geschickt mit Zitaten aus der Bibel? Wenn wir Fragen zu stellen beginnen, hören die Fragen anscheinend gar nicht mehr auf. Von Aufbrüchen wird gesprochen, aber Abgründe sind auch gegenwärtig. Die Konfusion wächst.

Karol Józef Wojtyła dichtete:

 

"Es gibt tief verworrene Fäden. Wenn du sie zu entwirren meinst,

fühlst du, daß du mit ihnen dich selbst auch herausreißen müßtest.

Schau nur, verstehe – blicke nicht allzu hartnäckig drein,

damit dich der Abgrund nicht schluckt,

(kein Abgrund des Seins, nur der Abgrund des Denkens allein)."

 

Statt vom Licht des Glaubens zu künden, sehen wir, wenn wir auf die Kirche schauen, Unsicherheiten, Demonstrationen von Interessengruppen und eine ungehemmte Meinungsfreude. Die Theologie wirkt bisweilen, als wollte sie die Selbstauflösung in eine gefällige Philosophie betreiben. Die Verwirrung greift um sich, erfasst vielleicht auch uns selbst. Dem aber, was wortmächtig in der Welt erscheint, so der spätere Papst Johannes Paul II., kommt überhaupt keine Bedeutung zu. Es sind "verworrene Fäden". Das Nichtige wird zur Gefahr, wenn wir uns davon beherrschen lassen. Wir sollten zuschauen, uns aber nicht beirren lassen. Gleichmut empfiehlt der Dichter, Gelassenheit, mit Blick auf den "Abgrund des Denkens", und Gottvertrauen.

 

"So arbeite einfach, vertrau. Versenk dich in dich nur soviel,

um deinen Hochmut zu kennen (schon demütig im Verzicht).

Hüte vielmehr den Willen. Erguß von starkem Gefühl

kommt selten vor und erfaßt Gott nicht."

 

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(Der Gedanke ist eine seltsame Weite, Freiburg 1979, 18-19)

 

Einfach arbeiten, im Vertrauen auf Christus und seine Kirche, dazu rät Wojtyła. Aber müssen wir uns nicht mit den Themen der Zeit beschäftigen? Sollten wir nicht endlich die katholische Kirche zumindest in Deutschland erst dogmatisch entkernen und dann kulturchristlich erneuern – nach unseren Maßstäben? Müssten wir nicht endlich "die Wissenschaft" akzeptieren lernen? Einfach arbeiten, das heißt doch auch: einfach glauben, das Credo sprechen, die Kindergebete vielleicht und nicht viel Wirbel machen. Auch eine Innenschau ist nicht nötig. Das ist ebenso verzichtbar wie vieles andere, das nur die Zeit füllt, aufwühlt, erregt, uns im Grunde entfremdet, voneinander und von Gott. Wer sich zur absoluten Autonomie des Subjekts bekennt, entfesselt vielleicht den eigenen Willen und glaubt an irgendeine Form vermeintlicher oder tatsächlicher Freiheit, die – in der Abwendung von Gott und Seiner Kirche – nur die Hölle auf Erden sein kann. Nicht unser Wille soll geschehen, sondern Sein Wille. So einfach ist das? Ja, warum denn nicht? Ich glaube daran. Darum spreche ich gern das Vaterunser und nicht ein Credo des Postmodernismus. Und Sie tun das auch? Wie schön! Der "Erguß von starkem Gefühl" scheint unnötig zu sein, pralle Leidenschaft ebenso, jeder Eifer, versehen mit frömmelnden Sprüchen und sentimentalen Wortgirlanden. Das komme vor, selten zwar, aber – und bemerkenswert – all das "erfaßt Gott nicht". Johannes Paul II. wirbt für die Einfachheit des Glaubens: "So arbeite einfach, vertrau." Anders gesagt vielleicht: Gib dich in Seine Hände. Lass Ihn machen. Er wird schon wissen. Wer, wenn nicht Er? Vertraue Gott, denn das genügt. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Christi – und von der Liebe zu Seiner Kirche.

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