Es ist auf den Tag genau acht Wochen her, dass wir bei der Feier der Karfreitagsliturgie den bewegenden Worten der Johannespassion zugehört haben. "Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er 'Es ist vollbracht'. Und er neigte das Haupt und gab den Geist auf."

Auf den ersten Blick wird der Tod eines Menschen geschildert. "Er hat den Geist aufgegeben" sagen wir manchmal, wenn es darum geht, das Sterben eines Menschen pietätvoll zu umschreiben.

Es kann unserem Nachdenken helfen, wenn wir uns die Szene vor Augen halten, in der Jesus kurz vor seinem Hinscheiden eine ganz besondere menschliche Gemeinschaft stiftet, indem er zu seiner Mutter Maria und seinem Lieblingsjünger Johannes sagt "Frau, da ist Dein Sohn. – Da ist Deine Mutter!" Vor diesem Hintergrund können wir ahnen, dass es sich um mehr handelt als nur um die Chronik eines Todes. Und so ist es auch tatsächlich: im griechischen Urtext steht eben nicht einfach "er gab den Geist auf". Nein, wortwörtlich steht dort: er übergibt, er verschenkt den Heiligen Geist.

Mit anderen Worten: der Johannesevangelist nimmt die geistgewirkte Geburtsstunde der Kirche vorweg. Im Tod Jesu geschieht die Aussendung des Heiligen Geistes. Der Mutter, dem Sohn: will sagen der Gemeinschaft derer, die Jesus als den Auferstandenen erleben und bekennen werden, wird der Heilige Geist geschenkt. Auf dem Hügel von Golgatha ist Pfingsten. Diese Beobachtung, die uns auf den ersten Blick ungewohnt und fast befremdlich erscheinen mag, eröffnet freilich einen tiefen Sinn für das, was Pfingsten bedeutet. Gerade am heutigen Freitag könnten wir uns daran erinnern lassen, dass das Bild von den Feuerzungen und die wirkmächtige Predigt der Apostel nicht alles umschreibt, was mit der Sendung des Heiligen Geistes gemeint ist.

Pfingstliches Leben hat im Karfreitag seinen Ursprung. In der Passion, in der hingebenden Liebe Christi am Kreuz lernen wir, dass auch die Bereitschaft zum Teilen oder gar Hergeben des Lebens in der Kraft des Geistes geschieht. Nicht nur ein aufbrausend-fröhliches Rufen des Halleluja ist Kennzeichen des österlichen Glaubens, sondern auch die Bereitschaft zum Verzicht und zur Hingabe.

Wenn wir etwa in unserer Sprache den Ausdruck "ich mag Dich leiden!" verwenden, dann ist damit gemeint, dass unsere Liebe nicht nur eine Schönwetterangelegenheit sein darf, sondern treu ist "in guten und in schweren Tagen". Mutter Teresa, die Heilige der Nächstenliebe, hat es als Maxime und als Losung christlicher Haltung so beschrieben: "Lieben, bis es weh tut!"

Das soll freilich nicht bedeuten, dass Christinnen und Christen als griesgrämige Leidensfanatiker und Masochisten auffallen sollten. Aber in einer Zeit, in der viele Menschen dem Leiden aus dem Weg gehen und schon beim leisesten Wehweh Todesängste entwickeln, kann es schon eine Botschaft sein, dass die Tapferkeit unter dem Kreuz dazugehört – und einen großen Sinn hat!

Monsignore Wolfgang Sauer ist Ehrendomkapitular der Erzdiözese München und Freising und war u. a. langjähriger Geistlicher Direktor des Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuches (IFP), Missionsdirektor der Erzdiözese Freiburg und Mitglied verschiedener Gremien und Verwaltungsräte katholischer Hilfswerke.

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