Es ist wohl das umstrittenste Buch über Papst Franziskus, und die erste Auflage von "Diktatorpapst" ist bereits vergriffen – am 18. September 2018 erscheint die zweite, korrigierte und verbesserte, Auflage. 

Wie kontrovers das Buch ist, das zeigt bereits die Beschreibung des Konklave: Jorge Mario Bergoglio, damals Erzbischof von Buenos Aires, habe bereits vor dem Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. über dessen überraschenden Schritt Bescheid gewußt. Damit, so die Behauptung, konnten sich Bergoglio und die ihn unterstützende "Mafia von Sankt Gallen" entsprechend vorbereiten und das Konklave dominieren. 

Das englischsprachige "The Dictator Pope" erschien zuerst 2017, die italienische Ausgabe lautet "Il Papa dittatore" und der französische Titel benennt es ebenso: "Le Pape dictateur". Demnach musste konsequenterweise die deutsche Übersetzung den Titel tragen: "Der Diktatorpast".

Während die zuerst genannten Titel zunächst noch eletronisch unter dem Pseudonym "Marcantonio Colonna" erschienen sind, wurde das druckfrische Buch in der deutschen Sprache auch unter dem wirklichen Namen des Buchautors publiziert, der sich im März 2018 selbst identifzierte: Henry J.A. Sire.

Der 69 Jahre alte britische Schriftsteller und Historiker, Mitglied des Malteser-Ritterordens – nach seiner Enttarnung dort suspendiert – wurde 1949 in Barcelona in einer französisch-stämmigen Familie geboren. Er studierte unter anderem am Exter College von Oxford und ist Autor mehrere Bücher, darunter "Phoenix from the Ashes", eine kritische Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Sofort mit dem Erscheinen der Originalausgabe setze die entgeisterte Suche nach dem wahren Autor an. Ob sich die Vatikanische Diplomatie einschaltete, wie spekuliert wurde? Darüber kann nur spekuliert werden.

Als das Pseudonym über den englischen Verlag offiziell aufgedeckt wurde, antwortete Sire auf die Frage, warum er das Buch geschrieben habe, wie folgt: Er habe, da er in Rom lebte, die Kluft wahrgenommen, die zwischen dem Medien-Image des Papstes und der Realität liege: Die Menschen im Vatikan kannten Franziskus ganz anders, so Sire. Der Autor betonte, er habe eigentlich gewollt, dass diese Menschen das auch dem Papst sagen; ebenso wie was sie von ihm erwarteten.

Natürlich wusste er auch, dass dies nicht geschehen werde, so der Historiker. Ihm sei es aber wichtig gewesen, die Menschen auf diesen Umstand einer falschen Wahrnehmung hinzuweisen und zu warnen. Bei einem künftigen Konklave solle nicht noch einmal derselbe Fehler gemacht werden, so Sire, nämlich einen Kardinal zu wählen, den niemand kenne und der sich dann als ein ganz anderer herausstelle, als man erwartet habe.

Beim Schreiben dieses Textes wurde der Rezensent auf eine Kritik des aktuellen Wim Wenders Films "Ein Mann seines Wortes" aufmerksam, ein Auftragsfilm über Papst Franziskus, den am 14. Juni 2018 Alexander Kissler im Magazin "Cicero" veröffentlichte. Darin zerlegt er nicht nur den Regisseur Wenders, der eine einzige Lobeshymne auf Franziskus verfilmte, sondern er demontierte auch eine Papstfigur, die scheinbar als Weltenretter in die Geschichte eingehen wolle.

Es ist diese Wahrnehmung, die Sire als "Charakterstudie" beschreibt, und als Resümee schreibt Kissler über den Wenders-Film und Papst Franziskus sarkastisch: "Am Ende dieses Monologs für zwei Stimmen verabschiedet sich Bergoglio mit einem buddhistischen Gruß, und jemand singt 'Nature gives us everything'. Ein neues Kapitel der Offenbarung ist aufgeschlagen. Statt der Märtyrer lehren Braunbär, Berggorilla und Enzian den rechten Weg." Zwar ist Kisslers Essay keine Antwort auf den "Diktatorpast", doch seine spitzen Analysen treffen auch dessen Kern.   

Tatsächlich sind aus dieser Sicht nicht das Buch und der Titel des Buches skandalös; vielmehr ist es die Tatsache, dass Papst Franziskus den Katholiken ständigen Anlass gebe, so über ihn zu denken. Und dieser Anlass besteht weiterhin, ja: Er ist gerechtfertigt, finde ich. 

Bereits die ersten Zeilen des Vorwortes sind aufsehenerregend und zeigen, wie unterschiedlich Papst Franziskus wahrgenommen wird:

"Wenn Sie mit den Katholiken von Buenos Aires sprechen, dann wird man Ihnen von dem wunderbaren Wandel erzählen, den Jorge Mario Bergoglio durchgemacht habe. Ihr düster dreinblickender Erzbischof sei über Nacht zum lächelnden, fröhlichen Papst Franziskus geworden, einem Idol des Volkes, mit dem es sich vollen Herzens identifiziere. Sollten Sie sich dagegen mit irgendjemandem im Vatikan unterhalten, dann werden Sie von genau dem gegenteiligen Wunder hören. Sobald die öffentlichen Kameras ausgeschaltet sind, verwandle sich Papst Franziskus in eine ganz andere Gestalt: arrogant, geringschätzig zu den Menschen, verschwenderisch mit Schimpfwörtern und berüchtigt für seine wüsten Wutausbrüche, von denen jeder zu kosten bekommt, vom Kardinal bis hin zum Chauffeur."

Im ersten Kapitel geht es dann wiederum aufsehenerregend weiter, wenn über die "Sankt-Gallen-Mafia" berichtet wird. Keinen geringeren Zeugen als den deutschen Autor und Vatikanexperten Paul Badde zieht "Marcantonio Colonna" hier heran, als er aus dessen zuverlässigen Informationen zitiert, "wie drei Tage nach dem Begräbnis von Johannes Paul II. die Kardinäle Martini, Lehmann und Kasper aus Deutschland, Bačkis aus Litauen, van Luyn aus Holland, Danneels aus Brüssel und Murphy-O’Connor aus London' sich in der sogenannten Villa Nazareth in Rom trafen, dem Haus Kardinal Silvestrinis, der das Alter eines Stimmberechtigten überschritten hatte, um dort im Geheimen die Taktik zu besprechen, wie man die [sieben Jahre zuvor erfolgte] Wahl Joseph Ratzingers abwenden könne.'"

In sechs Kapiteln wird Jorge Bergoglio als Jesuitenpater, als Bischof wie als Papst beobachtet und von Zeugen beschrieben. Und immer wieder werden auch jene Fakten angesprochen, die ein guter und zum Gehorsam erzogener Katholik nicht allzu kritisch sieht, die er gerne übersieht. Denn gerade gläubige Katholiken, gerade jene, die sich nicht dem deutschen Gremienkatholizismus zugehörig fühlen, erkennen immer deutlicher, dass sie der derzeitige Papst mehr und mehr in Besorgnis und Angst versetzt, manche fühlen sich gar verraten; manche wissen nicht mehr, was katholisch ist. Sie nehmen die entstandenen Verwirrungen ernst. Und sie befürchten, dass sie nicht von Gott kommen, sondern ein Werk des 'großen Verwirrers', des Teufels. Dies ist im Buch treffend geschrieben. 

Manche Informationen werden vor allem den eher traditionell orientierten Katholiken längst bekannt sein. Es tut dem Buch aber keinen Abbruch. Jenen, die im katholischen und vatikanischen Tagesgeschäft nicht bewandert sind, werden bei der Lesung des Buches "Der Diktator-Papst" die Augen aufgehen. Auch und gerade, wenn sie die Sicht des Autors nicht teilen.

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Offenbar hat sich in Deutschland keiner der großen Verlage getraut, das Buch von "Marcantonio Colonna" herauszugeben. War es ihnen zu wenig gewinnversprechend und wollten sie es sich nicht mit – viel lukrativeren und auflagenstarken – Büchern mit den deutschen Kardinälen und Bischöfen verderben? Oder war ihnen sowohl der Titel als auch das Thema zu speziell, zu heiß? Umso dankbarer für die Erscheinung des Buches können die Leser dem kleinen und für kirchliche Themen eher unbekannten Verlag "Renovanem" sein: Denn selbst wer nicht die Einschätzungen teilt erfährt hier, was mittlerweile prominente Kritiker am Pontifikat bemängeln.

So ist es dem Verlag nachzusehen, dass in der ersten Auflage einige Rechtschreibfehler vorkommen, die das flüssige Lesen behindern können. Es bleibt zu hoffen, dass die nun erschienene, zweite Auflage diese behoben hat. 

Marcantonio Colonna / Henry Sire: "Der Diktatorpapst" ist im Renovanem-Verlag erschienen und hat 260 Seiten. 

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