Ende vergangenen Jahres moderierte der Botschafter des Malteserordens bei der UN in Genf eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: "Interreligiöser Dialog zur Konfliktverhütung und -lösung." Die Veranstaltung fand im Rahmen der jährlichen Genfer Friedenswoche statt. Ich sprach mit der Botschafterin.

Frau Botschafterin, diese Veranstaltung brachte zum Ausdruck, dass der interreligiöse Dialog ein wirksames Werkzeug sein kann zur Ergänzung von weltweiten Friedensgespräche. Bitte erklären Sie uns, was dies in der Realität von Konflikten bedeutet.

Marie-Thérèse Pictet-Althann, Ständige Vertreterin des Souveränen Malteserordens bei der UN Genf: Ja, die Interparlamentarische Union und der Souveräne Malteserorden haben diese Veranstaltung organisiert, um das Bewusstsein für den interreligiösen Dialog zu fördern und zu schärfen Für die Konfliktverhütung und Lösungen sowohl an der legislativen als auch an der humanitären Front. Diese Kombination von parlamentarischen und humanitären Bemühungen der Parlamentarier wird nicht oft hervorgehoben. Glaubens motivierte Bewegungen, wie wir alle wissen, gibt es in jedem Land und sind somit auch in Konfliktgebieten weit verbreitet. Der interreligiöse Dialog ist der Prozess der Einbeziehung von religiösen Führern, die einen gewissen Einfluss auf ihre Gemeinschaften haben, in die Teilnahme am Friedensprozess selbst. Sie werden von der lokalen Bevölkerung oft mehr geschätzt und erleichtern es ihnen, den Menschen die Folgen einer Beendigung des Konflikts zu erklären und sie auch zu überzeugen, die Gewalt zu stoppen. In der Realität im Konfliktfall erfolgt dies in Form einer Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen aller Glaubensrichtungen, sowie den lokalen und nationalen Behörden, so dass Differenzen überwunden und ein gemeinsames Ziel erreicht werden kann, im Interesse des Schutzes, der Sicherheit und zum Wohle der Bevölkerung, für die sie verantwortlich sind.

Einer der Podiumsredner war der nigerianische Parlamentarier Raphael Nnanna Igbokwe. Er erinnerte den Anglikanischen Erzbischof von Kaduna an einen kürzlichen Zwischenfall: "Euer Gnaden. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass etwa 400 Geschäfte von Nigerianern in Ghana zwangsgeschlossen wurden. Das führte zu Großen Spannungen. Im Augenblick wollen wir die Krise lösen indem wir parlamentarische Diplomatie anwenden."

Die Botschafterin des Malteserordens sagte während des Podiums, dass, wenn Religion ein Auslöser für gewalttätige Konflikte sei, traditionelle Diplomatie nicht immer der erfolgreichste Weg zum Frieden sei.

Botschafterin Marie-Thérèse Pictet-Althann: Nun, Diplomatie ist die Kunst und Erfahrung, Verhandlungen zwischen Staaten zu führen. Heute haben wir jedoch immer mehr Konflikte, die von nichtstaatlichen Organisationen angezettelt werden. Diese Konflikte basieren sehr oft auf ethnischen Spannungen, Land- und Agrarfragen.

Pater Mussie Zerai, ein katholischer Priester aus Eritrea, der in Rom lebt kennt die derzeitige Lage hautnah: "Wir erleben tatsächlich zurzeit die Kriminalisierung von Einheit. Aber wir bleiben im ständigen Dialog mit den verschiedenen Kirchen, Religionsgemeinschaften und den Politischen Institutionen, um eine Lösung des Problems der Intoleranz zu finden. Denn in den letzten sechs Monaten sehen wir eine stetige Zunahme von rassistischen Bewegungen und Fremdenfeindlichkeit, vor allem gegen die am stärksten gefährdeten Menschen: Migranten und Flüchtlinge."

Intoleranz und Toleranz. Das Wörterbuch definiert Toleranz als: 'die Fähigkeit oder Bereitschaft, die Existenz von Meinungen oder Verhaltensweisen, die man nicht mag oder nicht akzeptiert, zu tolerieren. ' Toleranz ist jedoch kein Recht. Es ist mehr eine Stimmungssache, würde ich sagen, die sich jederzeit ändern kann und zu Intoleranz werden kann. Brauchen wir daher nicht gesetzlich verankerte Rechte anstelle von Toleranz?

Botschafterin Marie-Thérèse Pictet-Althann: Nun, zunächst meine ich, dass Toleranz, die zwar keine rechtliche Verpflichtung ist, natürlich eine moralische ist. Ich glaube, dass die Rechte in den internationalen Übereinkommen gut verankert sind. Das Problem ist jedoch deren Umsetzung, von z.B. Abkommen des Menschenrechtsrates, die nicht vernachlässigt werden sollten, sondern stattdessen eine Priorität für alle Regierungen darstellen sollten.

Internationale Zusammenarbeit und globale Partnerschaften sind daher von entscheidender Bedeutung, um Konfliktprävention und -lösung zu gewährleisten.  

Erzbischof Josiah Idowu-Fearon, anglikanischer Erzbischof von Kaduna, Nigeria:

Islam und Christentum haben viel gemeinsam. Der einzige große Unterschied ist die Person Gottes in Jesus Christus. Ich als Christ glaube, dass Jesus die endgültige Offenbarung Gottes an die Menschheit ist. Im Koran, Sure 49 Vers 13 steht: " Wir haben Euch, männlich und weiblich, geschaffen, aus einer Hand geschaffen und euch zu Nationen und Stämmen gemacht." Warum? Damit ihr lernt euch gegenseitig zu verstehen. Das ist die Grundlage für Allgemeinbildung.

Frau Botschafterin, viele sagen, dass die Erwähnung von Religion im Zusammenhang mit internationalen Angelegenheiten fast automatisch eine rote Flagge sei... die zu Gewalt und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenartigen Gemeinschaften Führe.  Ist es deshalb nicht  wichtig, dass man vor allem Politiker, aber auch alle Gläubigen über andere Religionen aufklärt?

Marie-Thérèse Pictet-Althann: In jedem Fall! denn 84% der Weltbevölkerung identifizieren sich mit einem bestimmten Glauben. Die Regierungen müssen diese starke Kraft in der Weltpolitik und der Zivilgesellschaft sehr ernst nehmen. Im Jahr 2013 gründete der ehemalige US-Außenminister John Kerry im Außenministerium die Abteilung für Religion und Globale Angelegenheiten

Er sagte damals, und ich zitiere: "Eine der größten Herausforderungen, vor denen wir heute in der globalen Diplomatie stehen, ist die Notwendigkeit, die großen Auswirkungen, die ein breites Spektrum religiöser Traditionen auf die Außenpolitik haben, richtig zu verstehen und einzubeziehen.... Wir ignorieren den weltweiten Einfluss der Religionen auf eigene Gefahr..." Zitat Ende... Ich stimme zu, dass Bildung ein wirkungsvolles Instrument ist, das wir nutzen müssen, um Konflikte zu verhindern. Durch die Aufklärung aller über Religionen und Glauben, insbesondere derjenigen, die Entscheidungen treffen, vermeiden wir die Gefahr des Hasses und Missverständnisse, die sehr oft zu Gewalt und Konflikten führen. Die Glaubenskompetenz sollte daher auf allen Ebenen der Gesellschaft gefördert werden.

Existiert eine solche Abteilung auch unter Präsident Donald Trump?

Botschafterin Pictet-Althann: Präsident Trump hat es etwas geändert. Er ernannte einen Sonderbotschafter für Internationale Religionsfreiheit. Es ist der ehemalige Gouverneur und Senator Sam Brownback, der vom Senat für diese Position bestätigt wurde.

Hafid Ouardiri ist Mitglied der Organisation "Appel Spirituel de Genève". Er wies darauf hin, dass der wichtigste Aspekt die Menschlichkeit sei: "Wir müssen zunächst zum Zusammenleben erzogen zu werden, das unsere wahre Identität respektiert, nämlich die Identität als Mensch, Menschlichkeit, sodass wir dann eine humane Gesellschaft aufbauen können. Und dabei können Spiritualität verschiedene Philosophien und Religionen uns helfen."

Welche praktischen Lösungen hat und Maßnahmen unternimmt der Malteserorden, wenn er in Ländern tätig ist in denen politische und religiösen Konflikte herrschen?

Botschafterin Pictet-Althann: Nun, die diplomatischen Beziehungen des Malteserordens zu 108 Staaten sind ein wesentlicher Faktor für die Wirksamkeit seines Handelns, das durch die Unterzeichnung von Kooperationsabkommen mit Ländern und internationalen Organisationen erleichtert wird. Der Orden ist eine unparteiische Organisation, der überall dort, wo es Möglichkeiten zum Austausch und zur Zusammenarbeit zwischen den Parteien gibt, eine Vermittlerrolle spielt. Einige konkrete Beispiele sind unser Engagement im Mittelmeer seit Beginn der Migranten- und Flüchtlingskrise, wo wir zusammen mit der italienische Küstenwache und unseren Ärzteteams in den letzten 10 Jahren 200.000 Menschenleben gerettet haben. Oder unser Dialog über humanitäre Themen in Libyen mit lokalen Institutionen und internationalen Delegationen. In einer Reihe von Treffen, die der Malteserorden in Rom und in Libyen mit Vertretern der Europäischen Union organisierte, wurden Pläne für konkrete Maßnahmen entwickelt, wie z.B. der Aufbau von Kapazitäten für lokale Behörden zur Verhütung von Todesfällen durch Migranten und die Bekämpfung krimineller Netzwerke. Dazu gehört auch, was den Malteserorden betrifft, die Durchführung von Such- und Rettungslehrgängen auf See für die libysche Küstenwache. Internationale Zusammenarbeit und globale Partnerschaften sind daher von entscheidender Bedeutung, um Konfliktprävention und -lösung zu gewährleisten.

Glauben und religiöse Führer haben ihren Platz und spielen eine Rolle bei den laufenden weltweiten Bemühungen um Frieden und Sicherheit, und das ist die wichtige Botschaft, die der Malteserorden und die Interparlamentarische Union bei diesem besonderen Ereignis vermitteln wollten.

Christian Peschken ist UN Genf-Korrespondent für EWTN News. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen: www.peschken.media

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