"Wenn die Ukraine Teil der NATO ist und beschließt, die Krim mit militärischen Mitteln zurückzugeben, werden die europäischen Länder automatisch im Krieg mit Russland sein", so Wladimir Putin, russischer Staatspräsident vor wenigen Tagen, " Die militärischen Kapazitäten der NATO und Russlands sind nicht vergleichbar. Auch wenn Russland eine militärische und nukleare Supermacht ist, wird es keine Gewinner geben und Sie werden gegen Ihren eigenen Willen in diesen Konflikt hineingezogen. es wird passieren, bevor Sie mit den Augen blinzeln können. und weder Herr Macron noch ich wollen eine solche Entwicklung." 

Klare Worte des russischen Präsidenten während eines Treffens mit dem französischen Staatspräsident Macron der das Treffen initiiert hatte, um mit Putin darüber zu sprechen, wie ein Krieg vermeidbar ist. 

In der katholischen Doktrin gibt es zwar "gerechte Kriege" die allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sind. Der Krieg, so heißt es, muss aus einem gerechten Grund geführt werden. Nun, leider behaupten immer alle Kriegsbeteiligten von sich, das sie den Krieg aus gerechten Gründen führen.  Der heilige Johannes Paul II. brachte es auf den Punkt. "Krieg ist eine Niederlage für die Menschheit." 

Zum derzeitigen Russland / Ukraine Konflikt haben die ukrainischen und polnischen Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung geschrieben, Auszug: "Die derzeitige Situation stellt eine große Bedrohung für die Länder Mittel- und Osteuropas und für den gesamten europäischen Kontinent dar, die das Erbe vieler Generationen zerstören kann, die eine friedliche Ordnung und Einheit in Europa aufgebaut haben" … Krieg könne „niemals ein geeignetes Mittel zur Lösung internationaler Probleme sein", warnen sie. Er schaffe im Gegenteil „neue, schwerwiegendere Konflikte", wie die Vergangenheit gezeigt habe…Frieden zu suchen und zu fördern, sei der Auftrag eines jeden Christen." 

Gerecht oder ungerecht, begründet oder unbegründet wir wollen das jetzt untersuchen zusammen mit unserem regelmäßigen Gast und katholischen Mitstreiter, Gilles Emmanuel Jacquet, Assistenzprofessor an der Genfer Schule für Diplomatie und internationale Beziehungen mit dem Lehrschwerpunkt Weltgeschichte und Forschungsmethodik. Gilles gilt als Experte und wurde zum Thema Ukraine Konflikt z.B. kürzlich von Fox News in Genf befragt.   

Glaubst Du, dass zum Beispiel die Vereinten Nationen etwas Hilfreiches tun können, im derzeitigen Ukraine-Konflikt?

Gilles Emmanuel Jacquet: "Nun, es wird für die Vereinten Nationen sehr schwierig sein, zu intervenieren, weil das einzige Gremium der UN, das in der Lage ist, entscheidende Maßnahmen zur Situation in der Ukraine zu ergreifen, der UN-Sicherheitsrat ist. Und im Sicherheitsrat sitzt Russland. Wenn also die USA, das Vereinigte Königreich oder Frankreich einen Vorschlag unterbreiten, der von Russland als nachteilig angesehen wird, wird Russland sein Veto einlegen. Und auf der anderen Seite, wenn Russland eine Entscheidung trifft, die nicht im Interesse seiner westlichen Partner ist, werden seine westlichen Partner ihr Veto einlegen. Wenn wir uns anschauen, welche internationalen oder regionalen Organisationen beteiligt sind, dann ist es hauptsächlich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die O S Z E. Außerdem gab es das sogenannte Protokoll von Minsk und die so genannten Normandie-Formate, die sich mit dem Konflikt befassen sollten. Aber in letzter Zeit waren sie leider sehr erfolglos." 

Der UNO Generalsekretär Antonio Guterres auf die Frage, ob die UNO als Schlichter tätig wird. 

"Nun, zunächst einmal gibt es ein Format, in dem die Mediation in dem Kontext, über den wir sprechen, stattfindet. Dieses Format basiert auf dem Minsker Abkommen und den so genannten Normandie-Vierern, und es war den Mitgliedern der Normandie-Vier - Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine - immer klar, dass dies keine Verhandlungen im Rahmen der UNO sind. Es gibt also keine UN-Resolution, die das unterstützt, und die Parteien haben nie akzeptiert, dass die UN in dieser Situation als formeller Vermittler auftritt. Eines kann ich garantieren: Meine guten Dienste stehen ständig zur Verfügung, um den Abbau von Spannungen zu erleichtern." 

Das Protokoll von Minsk, von 2014, ist ein Papier zur Umsetzung eines Friedensplanes des ukrainischen Präsidenten Poroschenko und des russischen Präsidenten.

Hauptziel war ein begrenzter Waffenstillstand. Der wurde jedoch gebrochen aber 2015 kam auf Initiative von Deutschland und Frankreich ein erneutes Waffenstillstandsabkommen zustande.

Das Normandie-Format das Gilles erwähnte ist ein semi-offizieller, Friedensplan für die Ukraine zwischen Regierungs- und Außenministern zwischen Russland, Frankreich und Deutschland, im Jahre 2014 geschmiedet wurde. Wie Gilles ja sagte, sind so weit beide diese Pläne in der Anwendbarkeit im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Ukraine Krise fruchtlos.  

Gilles, kurz nochmal zurück zu den Vereinten Nationen. Deren Erfolgsbilanz in Sachen Konfliktbeendigung sieht nicht sehr rosig aus. ich erinnere an Syrien, da ist seit 2019 nichts bei herausgekommen. 

Gilles: "Ja, genau. Wenn wir uns anschauen, was in Syrien passiert ist, war die UNO ebenfalls machtlos. Und noch einmal, es ist das gleiche Problem. Es geht um den Sicherheitsrat in Syrien, in der Ukraine und in vielen anderen Konflikten, die wir heute haben. Das Problem ist, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats indirekt in diese Konflikte verwickelt sind. Daher ist es für sie sehr schwer, Entscheidungen zu Gunsten des Friedens zu treffen oder Entscheidungen zu treffen, die ihren eigenen strategischen oder politischen Interessen schaden können. Das ist also der Grund, warum die UNO bei der Konfliktlösung heutzutage hinterherzuhinken scheint."

Ein sehr alarmierendes Zeichen. Kürzlich hat der US-Präsident die US-Bürger in der Ukraine aufgefordert, das Land zu verlassen, und die meisten Europäer halten es für sehr wahrscheinlich, dass zu einem ernsthaften Konflikt kommen wird.

Gilles: " Nun, ja, wir haben gehört, dass US-Bürger aufgefordert wurden, Kiew und die Ukraine zu verlassen. Einige US-Diplomaten und auch andere westliche Diplomaten haben die ukrainische Hauptstadt verlassen. Und wir haben kürzlich auch gehört, dass viele ukrainische Oligarchen aus dem Land geflohen sind. Viele Leute meinen daher, dass dies kein gutes Zeichen ist.

Der ukrainische Präsident Zelensky meinte dazu, dass die USA und die westlichen Länder solche Signale nicht geben sollten, weil sie die Spannungen verschärfen und die Situation verschlimmern. Es mag also ein schlechtes Zeichen sein, aber es bedeutet nicht unbedingt, dass Russland einmarschieren wird.

Wenn wir analysieren, welches Interesse Russland an einer Invasion hat, finden wir allerdings nicht viele logische Gründe, denn sie würde eine harte Reaktion gegen Russland und zusätzliche Sanktionen auslösen.

Aber, ja, Du hast Recht. Es ist kein gutes Zeichen, wenn Menschen das Land verlassen. "

Nun, der Ukraine-Konflikt hat uns Europäern drastisch die Augen geöffnet, dass wir unsere eigene Sicherheit nicht als selbstverständlich voraussetzen dürfen. was meinst Du?

Gilles: "Genau … Der Ukraine Konflikt erinnert die Europäer daran, dass sie nicht in der Lage waren, eine Art europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen, über die sie gerade am Ende des Kalten Krieges gesprochen haben. Es gab viele Gelegenheiten, aber ich würde sagen, es wurden auch viele Gelegenheiten verpasst.

1991 gab es diese Vereinbarung, dass die NATO nicht nach Osten erweitert wird, und es gab Diskussionen darüber, Russland weiter zu integrieren, nicht in die NATO, sondern in einen russischen NATO-Rat. Während der Ukraine-Krise im Jahr 2014 hat, die Europäische Union versucht, zu intervenieren, aber die meisten ihrer Maßnahmen wurden in gewisser Weise durch das damalige Vorgehen der US-Regierung sabotiert. Was wir also in dieser Ukraine-Krise sehen, ist eindeutig die strategische Schwäche der Europäischen Union."

Apropos Krieg, Gilles, es scheint mir, das ist meine persönliche Meinung, dass Amerika doch meist Kriege führt, die viele Tausende von Kilometern von den USA entfernt sind. Aber sollten die Europäer, insbesondere Deutschland, nicht lieber versuchen, mit Russland freundschaftlich verbunden zu sein? Das Land liegt im Grunde um die Ecke … und für Deutschland für die EU hängt doch auch so viel davon ab mit Russland verbunden zu sein. Warum glauben die Staatsoberhäupter das es notwendig sei in diesem Konflikt mitzumischen?   

Gilles: "Nun, es stimmt, dass man in den USA oder in der US-Regierung und in Europa oder als Mitglied einer europäischen Regierung nicht unbedingt die gleiche Sicht auf den Konflikt hat. Es stimmt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika viele Tausende von Meilen entfernt sind. Sie sind also von diesen Konflikten nicht so betroffen wie wir.

Sie sind nicht so sehr von den durch diese Konflikte verursachten Migrationsbewegungen betroffen wie wir, was die Sicherheit betrifft. Es gibt nicht die gleiche Perspektive. Wir sind Europäer. Wir sind auch Nachbarn der Ukraine und Russlands, und wir wissen, welche Auswirkungen Konflikte auf unseren Kontinent haben. Wir haben sie mehrfach erlebt. Wir haben hier also nicht die gleiche Perspektive. Und auch aus deutscher Sicht müssen wir das im Auge behalten. Aber in Deutschland, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern, gibt es eine hohe Energieabhängigkeit von russischem Erdgas. Deshalb versuchen einige Länder, nuancierter oder vorsichtiger zu sein. Also ich würde sagen, dass es generell ein anderer Ansatz ist, den wir in Europa haben. Frankreich zum Beispiel war in der Vergangenheit gegen die Invasion im Irak. Wir haben also eindeutig nicht die gleichen Sichtweisen. "

Wie Du es eben erläutert hast, auf den Konflikt bezogen fehlt es an einer gemeinschaftlich. koordinierten Vorgehensweise, es scheint so als ob jeder seine eigene Suppe kocht und eigene Ziele verfolgt? 

Gilles: "Ja, und auch in Bezug auf die Europäische Union haben wir keinen einheitlichen strategischen Ansatz. Wir haben viel über eine Partnerschaft mit Russland gesprochen, aber das hat in den letzten Jahren nicht gut funktioniert, vor allem im Hinblick auf die Krise in der Ukraine 2014.

Das Problem ist auch, dass es in der Europäischen Union Länder gibt, die den strategischen Plänen der USA in Europa oder in der Welt sehr kritisch gegenüberstehen. Europa ist gespalten, und da wir keine strategische Vision haben, ist es für die USA sehr einfach, ihre strategische Vision bei ihren Verbündeten in Europa durchzusetzen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir keine einheitliche Stimme haben, warum wir nicht gehört werden, warum wir keinen sinnvollen Ansatz für die Konfliktlösung in der Ukraine haben, und darüber hinaus Konflikte in Eurasien. "

Ist es nicht auch das sich Hineindrängen lassen, in einen Konflikt, weil man eben keine sinnvolle und koordinierte Strategie hat?

Gilles: "Ich denke es ist eher ein Spiel mit Druck, Druck, der seit vielen Jahren auf Russland ausgeübt wird. Das ist nicht neu. Es ist in gewisser Weise auch ein Bluff, wenn einige Länder von Krieg sprechen, oder von einer 'harten' Reaktion. Ich würde sagen, es ist hauptsächlich eine Masche. Die Leute reden viel, aber ich bin sicher, dass sie nicht hoffen, in einen militärischen Konflikt verwickelt zu werden." 

Gilles ist dies der Beginn einer neuen Epoche des kalten Krieges zwischen Russland und Europa?

Gilles: "Leider, ja, es ist ein neuer kalter Krieg. Selbst Brzeziński einer der höchsten Beamten der USA, war während der Krise 2014 in den kalten Krieg verwickelt. Er sagte, dass wir in Bezug auf Russland nicht die richtigen Entscheidungen getroffen hätten und dass wir Russland vielleicht zu sehr verärgert hätten und dass es einen anderen Ansatz geben müsste.

Auch hier würde ich sagen, dass es seit 1991, seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, eine Geschichte verpasster Gelegenheiten ist: Es gab Versuche, eine Art, sagen wir, strategische Architektur oder auch Mechanismen zur Friedensregelung für unseren Kontinent in Partnerschaft mit Russland aufzubauen. Doch mit dem Irak-Krieg, der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die USA, dem Konflikt in Südossetien und dem Arabischen Frühling änderten sich die Dinge. Und nach diesen Ereignissen wurde die Kluft zwischen Russland und seinen westlichen Partnern deutlich größer. Es wird also sehr schwierig sein, diese Kluft jetzt zu überbrücken, aber es ist notwendig für den Frieden in Eurasien. "

Papst Franziskus dankte allen Menschen, die sich am 26. Januar im Gebet für den Frieden in der Ukraine vereint hatten.  "Lasst uns weiterhin den Gott des Friedens anrufen, damit die Spannungen und Kriegsdrohungen durch einen ernsthaften Dialog überwunden werden. Damit dieser auch zur Diskussion im Normandie-Format beitragen kann. Und lasst uns nicht vergessen: Krieg ist Wahnsinn."

Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Andriy Ryndych. Sprecher: Jan Terstiege und Matthias Ubert. Redaktion, Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für EWTN .TV.

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