Bekenntnisse gehören zum christlichen Glauben. In der heiligen Messe sprechen und singen wir das Credo. Viele von uns pflegen zu Kirchen und Kathedralen eine besondere, intensive und innige Beziehung und sagen mit leuchtenden Augen: "Das ist meine Kirche." Sie alle haben sicher eine solche Lieblingskirche. Für Katholiken in der Diözese Hildesheim war der 22. März 1945 ein trauriger Tag. Nach einem Fliegerangriff am frühen Nachmittag lag der Mariendom in Schutt und Asche. Die Bilder der Zeitgeschichte, die der Hildesheimer Weihbischof Heinz-Günter Bongartz in sein Buch über den Dom Mariä Himmelfahrt eingebettet hat, lassen den tiefen Schmerz erahnen, der viele Menschen im Bistum am Ende des Zweiten Weltkrieges erfüllte. Zugleich erinnert Bongartz auch an ein Zeichen der Hoffnung, nämlich an den überregional bekannten und ebenso bei vielen Nichtchristen beliebten Tausendjährigen Rosenstock, der Hitlers tausendjähriges Reich, das zwölf Jahre zu lange dauerte, überlebt hatte. Hoffnung blüht auf in Hildesheim, jedes Jahr wieder in Gestalt der "unverwüstlichen Rose", und erfüllt die Herzen der Gläubigen, die zu ihrer in den Jahren 2010 bis 2014 sanierten Domkirche pilgern. Sie verweilen an den Gräbern der heimgegangenen Bischöfe und bewundern die mittlerweile prächtig ausgeleuchtete Kirche mit ihren mittelalterlichen Kunstschätzen, von der Bernwardtür über den Heziloleuchter bis hin zu der Laurentiuskapelle, die zur Anbetung einlädt. Seit 2014 amtiert Weihbischof Bongartz als Domdechant und ist von ganzem Herzen dem Hohen Dom zugetan: "Der Raum predigt. Er verkündet in Stille von einem sprechenden Gott." Auch die "Renovierung und liturgische Neugestaltung" von 2010 bis 2014 habe dazu beigetragen, dass der Dom in einer "neuen Schlichtheit von der Schönheit Gottes sprechen" könne. Bongartz lässt den Leser zudem teilhaben an Schätzen seines eigenen theologischen, philosophischen und literarischen Wissens. Wer möchte, kann sich mithilfe von zahlreichen Zitaten und kostbaren Gedanken – von Pascal Mercier über Fjodor M. Dostojewskij bis hin zu Alfred Delp und Joseph Ratzinger – mit den besonderen Dimensionen des Domes zu Hildesheim vertraut machen und davon inspirieren lassen. Das Wissen trägt zur geistlichen Vertiefung bei. Bongartz nimmt zudem einige Sentenzen auf, die oft zitiert werden. Das Nachdenken darüber ist erhebend, in zumindest einem Fall ist aberzumindest einem Fall ist aber eine Korrektur angebracht. Beim Lob der Kirchenmusik und der neuen Orgel verweist der Weihbischof auf das dem heiligen Augustinus zugeschriebene Wort: "Wer singt, betet doppelt." Kennen Sie den Ausspruch? Schon beim Sinnieren darüber stellen sich Fragezeichen ein. Niemand kann eine Quelle dafür angeben, aber gesprächsweise und auch in Vorträgen und Büchern wird diese Wendung oft neu aufgenommen. Warum eigentlich lässt sich das nicht wissenschaftlich belegen? Augustinus hat das nie gesagt – denn warum sollte ein gesungenes Gebet wertvoller, gottgefälliger sein als ein schweigend und sprechend vorgebrachtes, als ein Seufzer oder ein Stammeln vor Gott?

Die Kunst- und Kulturgeschichte wird von Weihbischof Bongartz ausgiebig und kenntnisreich gewürdigt. Wertvolle Fotografien ermuntern Auswärtige zu einem Besuch im Hildesheimer Dom. Die schönsten Momente der Lektüre bieten aber tief persönlichen Einsichten, wenn Weihbischof Bongartz von seiner Liebe zum Dom erzählt: "So ist der Dom wie ein Therapiezentrum für die Seele. Mit seiner Schönheit hilft der Dom, die Liebe zur Schöpfung und zu den Menschen zu berühren. Er stößt an, an die Liebe zu glauben. Jeder Moment in dieser Kathedrale des Bistums ist eine Ermutigung und eine Mahnung zugleich, über die Welt hinauszugehen, um die Liebe zu wagen." Zwar sei es, wie Bongartz zugesteht, oft schwer, "die Welt zu lieben". Zugleich sagt er knapp theologisch: "Einer hat damit nie aufgehört. Gott selbst." Wer wollte ihm da widersprechen?

Theologisch richtig ist in gleicher Weise sein Gedanke zur Evangelisierung: In den schönsten Kirchen sollen wir uns wie zu Hause fühlen, aber gesandt sind wir in die Welt hinein, um durch das Zeugnis des eigenen Lebens die Botschaft von Gottes Liebe der Welt mitzuteilen. Bongartz beschreibt die Dynamik des Glaubens und sagt, dass zur Identität des Katholischen das "Wachstum" und die "Veränderung" gehören. Zwar birgt auch der Dom zu Hildesheim Schätze der Kirchen- und Kulturgeschichte, aber ein Museum ist diese Kirche gewiss nicht. Die Kirche helfe dem Menschen, zu erkennen, ja als Person "zu erspüren, dass er nicht allein auf dieser Welt ist, sondern eine Berufung in sich trägt, die von Gott kommt". Das zeigt die Bernwardtür, die Bongartz als die "Ouvertüre des Domes" bezeichnet: "Die Tür beschreibt, wer wir sind. Die Tür erzählt, wer wir werden, wenn wir diesem Wort trauen, das hinter dieser Tür für den verkündet wird, der durch diese Tür mit offenem Herzen hindurchgeht. … Das Bildprogramm der Bernwardtür als Ouvertüre des Domes lässt uns hoffen, dass in diesem Haus der Gott anzutreffen ist, der uns in unserer Würde neu stärkt und sendet."

Weihbischof Heinz-Günter Bongartz hat einen geistlichen Weg zur Erkundung des Hildesheimer Mariendoms verfasst. Dieses Buch ist aber auch eine Liebeserklärung. Bongartz bekennt sich zu seiner Lieblingskirche. Die Leserschaft wird ihm auf dem Weg durch Geschichte und Gegenwart des Mariendoms gern folgen und vielleicht selbst den Aufbruch nach Hildesheim wagen, mitnichten auf den Spuren des UNESCO-Weltkulturerbes – zu dem der Mariendom seit 1985 gehört –, sondern auf den Wegen Gottes. Vielleicht wird die eine oder der andere nach der Lektüre des Buches und dem Besuch der Kathedrale verstehen, warum sich der Weihbischof zu dem Dom Mariä Himmelfahrt so leidenschaftlich, aufrichtig und innig bekennt: "Für mich ist der Dom zu Hildesheim die schönste Kathedrale der Welt. Sie ist »mein« Dom geworden, weil ich in diesem Haus immer wieder aufs Neue entdecken kann, wie Gott unter uns Menschen wirken will."

 

Heinz-Günter Bongartz: "Im Haus des Herrn will ich wohnen. Geistlicher Weg durch den Mariendom in Hildesheim" ist im Verlag Schnell & Steiner erschienen und hat 192 Seiten. 

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