Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen sagte zum Thema:” Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist nach wie vor das am weitesten verbreitete und drängendste Menschenrechtsproblem in der heutigen Welt. Sie ist sowohl ein abscheuliches Verbrechen als auch ein gesundheitlicher Notfall mit weitreichenden Folgen für Millionen von Frauen und Mädchen in allen Teilen der Welt.” 

Laut dem Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden wird jede dritte Frau in Deutschland in ihrem Leben Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt.

Bei jeder vierten Frau ist der Täter der aktuelle Partner oder ein früherer Partner.

Auf das Jahr gerechnet wird in Deutschland fast täglich eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet.

Statistisch gesehen wird alle 45 Minuten eine Frau Opfer von gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Und es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegt.

Gewalt gegen Frauen und der Menschenhandel fallen unter ein und dieselbe Verbrechenskategorie. 

Papst Franziskus sagte zum Verbrechen Menschenhandel:  Er ist eine abartige Plage und ist eine offene Wunde am Körper der Gesellschaft von heute, eine Geißel für den Leib Christi. Er sagte das sichergestellt werden müsse, dass unsere Institutionen - und in der Tat alle unsere Bemühungen - im Kampf gegen all diese Geißeln wirklich wirksam sind.

Jemand der sich diesem Kampf verschrieben hat, ist ein oft und gern gesehener Gast in unserem Programm. Professor Dr. Michel Veuthey ist seit 2011 stellvertretender ständiger Beobachter des Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf und seit 2017 Botschafter für die Überwachung und Bekämpfung des Menschenhandels des Souveränen Malteserordens. 

Michel, laut UNO werden jeden Tag 137 Frauen von Mitgliedern ihrer eigenen Familie getötet. Natürlich sind die Mörder den Behörden bekannt, und ich nehme an, dass sie jetzt im Gefängnis sitzen. Aber wie kann eine Gesellschaft diese Art von häuslicher Gewalt gegen Frauen verhindern?

Michel Veuthey: “Weißt du, Christian, ich habe mir ein paar Notizen gemacht, aber das sind keine guten Nachrichten, denn COVID kann zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt gegen Frauen führen. Und wie die Polizei in einer Hotline berichtet, hat die häusliche Gewalt in vielen Ländern bereits stark zugenommen, da die Maßnahmen, wie Lockdowns, eine Reihe von Frauen dazu zwingen, zu Hause unter demselben Dach mit ihren Tätern zu bleiben, was die Anfälligkeit der Frauen für häusliche Gewalt noch erhöht.  Und das Risiko wird durch weniger Polizeieinsätze, die Schließung von Gerichten und den eingeschränkten Zugang zur Justiz sowie die Schließung von Unterkünften und Diensten für die Opfer noch vergrößert.

Es bedarf also nicht nur einer verbesserten Strafverfolgung und einer verbesserten Polizeiarbeit, sondern auch einer besseren Verfügbarkeit von Hotlines, Unterkünften und sicheren Orten. Erleichterung des Zugangs von Frauen zur Justiz und zu Schutzanordnungen, Erleichterung des Zugangs von Frauen zu Gesundheitsdiensten. Diese Dienste veröffentlichen und regen zur Nachahmung der von ihnen bewährte Praktiken an und ihrer Reaktion auf die Krise, und insbesondere auf Gewalt gegen Frauen.  Und, wenn ich hinzufügen darf, um häuslicher Gewalt vorzubeugen müssen wir definitiv auch mehr für die ethische Erziehung, die ethische Ausbildung tun, für den Respekt vor Frauen und vor Kindern.”

 

Stichwort COVID 19. Hier noch etwas dazu von Antonio Guterres, UNO Generalsekretär in dem Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen: "Die jüngsten Zahlen der UN-Frauenorganisation bestätigen, dass die Gewalt gegen Frauen und Mädchen während der COVID 19-Pandemie in 13 Ländern zugenommen hat. Fast alle Frauen gaben an, dass sie oder eine Frau, die sie kennen, während der Pandemie geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben.” 

 

So führt demnach die COVID-Pandemie auch dazu, dass Frauen durch Bewegungseinschränkungen, soziale Isolation und wirtschaftliche Unsicherheit anfälliger für Gewalt werden, Michel?

Michel Veuthey: “Auf jeden Fall, ja, die COVID-Pandemie erhöht definitiv die Wahrscheinlichkeit, dass Opfer, insbesondere Frauen und Kinder, auch online Opfer werden. Und sie erschwert auch die Arbeit von Sozialarbeitern, Polizeikräften und Richtern bei der Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels. Und hier möchte ich Sean Cole zitieren, einen australischen Rechtsanwalt, der sagt:

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"Allein seit der COVID-Epidemie haben wir einen 30-prozentigen Anstieg der beantragten Untersuchungen von Material im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Kindern festgestellt, die beim Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder in den Vereinigten Staaten eingegangen sind.”

 

Warum sind die Vereinigten Staaten relevant? Weil es sich um eine Behörde handelt, die Berichte und Hinweise aus der ganzen Welt erhält, betreffend US-und weltweite Internetplattformen, die von Menschenhändlern häufig genutzt werden. Sie können davon ausgehen, dass es die gleichen Plattformen sind, die Du und ich nutzen.

Allein im Jahr 2020 verzeichneten wir 21 Millionen Meldungen, die beim Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder eingegangen sind, verglichen mit 16 Millionen im Jahr 2019, also fast fünf Millionen mehr in einem Jahr.

Wir wissen auch, dass die Philippinen ein Epizentrum dieses Phänomens sind. Der Philippinische Rat gegen den Menschenhandel gab einen Anstieg der Meldungen um 300 Prozent von 2019 auf 2020 bekannt. COVID erhöht also definitiv das Risiko für die Opfer, Frauen und Kinder.

Der UN-Bericht über 'Gewalt gegen Frauen' besagt auch, dass fast die Hälfte der weltweit identifizierten Opfer von Menschenhandel erwachsene Frauen sind. Menschenhandel ist also ein Teil der Gattung Gewalt gegen Frauen. 

Michel, gibt es einen Unterschied zwischen Menschenhandel in Friedenszeiten und während bewaffneter Konflikte und Krisenzeiten?

Michel Veuthey: “Christian, zunächst zu den Zahlen: Nach Angaben des UNODC, des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, sind 70 Prozent der Opfer des Menschenhandels Frauen. Frauen scheinen hauptsächlich zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung verschleppt zu werden, während die Zwangsarbeit hauptsächlich Männer betrifft, nämlich 65 Prozent. Dennoch, wenn man einen Unterschied zwischen bewaffneten Konflikten und Frieden sieht, würde ich sagen, dass in beiden Situationen die Menschenrechte gelten, und dann können wir sehen, dass Menschenhandel in all seinen Formen eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte sind:  des Rechts auf Leben, des Rechts auf Menschenwürde, des Verbots der Folter und so vieler anderer Rechte. Und in bewaffneten Konflikten gibt es natürlich internationale humanitäre Gesetze, die Genfer Konventionen, die auch den Menschenhandel verbieten, sei es gegen Zivilisten oder gegen Kriegsgefangene.

Aber wir müssen sagen, dass die Kriegsopfer, die Migranten, die Flüchtlinge anfälliger für Menschenhändler sind, und deshalb müssen wir auch versuchen, sie zu schützen und die humanitären Organisationen und die UNO-Organisationen, einschließlich der UNO-Friedenstruppen, aufzufordern, sich besonders darum zu kümmern, den Menschenhandel zu verhindern und zu bekämpfen. 

Und wenn ich es kurz auch erwähnen darf, ein anderes heißes Thema in Friedenszeiten ist die sogenannte Legalisierung der Prostitution. Und wie Sie wissen, ist das in Deutschland der Fall, und ich möchte hierzu ein Opfer von Zwangsprostitution zitieren, Sandra Norak, eine deutsche Dame, die ganz klar nein zur Legalisierung von Prostitution sagt.  Prostitution legalisieren, heißt, sagte sie, dass man Menschenhandel legalisiert.”

Stellvertretend für den Heiligen Stuhl bei der UNO in Genf verlas John David Putzer, Geschäftsträger (chargé d’affaires) dieses Statement:

Im weiteren Sinne sind psychische, verbale, körperliche und sexuelle Gewalt "Akte der Feigheit und eine Entwürdigung der gesamten Menschheit ". Je mehr die Würde der Frau gefördert und geschützt wird, je mehr auch die Familie, die Gemeinschaft und die Gesellschaft. Und umgekehrt, jedes Mal, wenn eine Frau Gewalt erleidet, leidet auch die gesamte Gesellschaft darunter.”

Im sogenannten Palermo Protokoll der Vereinten Nationen, aus dem Jahr 2000, in dem der Begriff 'Menschenhandel', rechtlich definiert wird, gehören Ausnutzung der Prostitution oder andere Formen der sexuellen Ausbeutung auch dazu. Interessanter weiser spielt es dabei keine Rolle, ob die Zustimmung des Opfers der beabsichtigten Ausbeutung vorliegt, wenn gewaltsame Mittel (also Menschenhandel) eingesetzt wurden.

Michel, auf Deutschland bezogen: Hier ist man entschieden gegen die Kriminalisierung der Prostitution?

Michel: “Wenn wir von der Kriminalisierung der Prostitution sprechen, sollten wir klarstellen, dass nicht die Prostituierten, nicht die Frauen, kriminalisiert werden sollten, sondern die Männer, die Sex von diesen Prostituierten kaufen und die Männer, die mit dieser sexuellen Sklaverei Geld verdienen, die sollten strafrechtlich verfolgt werden. – Das nur zur Klarstellung."

Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass nicht nur die Opfer des Menschenhandels, sondern auch die Menschenhändler selbst letztendlich eine Gruppe von Opfern derer sind, die diese Dienstleistungen gegen Bezahlung in Anspruch nehmen?

Michel Veuthey: "Du hast es genau auf den Punkt gebracht. Das ist es, was ich auch sagen will, nämlich dass die einzige wirksame Methode zur Bekämpfung des Menschenhandels darin besteht, die Nachfrage zu verringern ja zu unterbinden. Also, die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen, die Nachfrage nach Sklavenarbeit, die Nachfrage nach illegaler Organbeschaffung.

Es ist nämlich durchaus möglich, die Nachfrage zu bekämpfen. Aber dafür muss man Kenntlichmachungen einführen. Wie Du weißt, gibt es viele Label für den Umweltschutz, und man sagt, okay, das ist doch nur eine Schokolade, die produziert wird und die der Umwelt nicht schadet.

Aber ich hätte lieber eine Schokolade, die ohne Kindersklavenarbeit produziert wird. Verstehst Du, was ich meine? 

Ich denke, wenn wir eine Kennzeichnung hätten und die Schokoladenverbraucher und -hersteller davon überzeugen könnten, dass sie mit dieser Kennzeichnung ein besseres Geschäft machen würden, dann würden wir die Nachfrage steigern. Und damit könnten wir den Kindern in Afrika und anderswo ein anständiges Gehalt zahlen oder ihnen zumindest die Möglichkeit geben, einen Teil des Tages zur Schule zu gehen und den anderen Teil des Tages zu arbeiten, aber unter anständigen Bedingungen.”

Papst Franziskus hatte 2015 den „Weltgebetstag gegen Menschenhandel"eingeführt, der jedes Jahr am 8. Februar, also in wenigen Tagen, praktiziert wird.  Papst Franziskus wählte als Datum bewusst den Gedenktag der sudanesischen Heiligen Josephine Bakhita (1869–1947), der Schutzpatronin der Opfer von Sklaverei.

In einem Auszug von Papst Franziskus (aus den Pastoralen Orientierungen zum Menschenhandelbetet der Papst: Liebe heilige Josephine Bakhita, deine Befreiung hat dich zu Christus und seiner Kirche geführt. Dann hat Gott dich zum Ordensleben als Canossianerin berufen.

Du hast deine Berufung erfüllt von großer Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Güte gelebt.
Hilf uns, stets wie du zu sein, besonders wenn wir in Versuchung geraten, wegzuschauen und nicht zu helfen, andere abzulehnen oder gar zu missbrauchen. Bitte für uns, damit Christus unsere Herzen mit Freude erfüllt, so wie er stets deines erfüllt hat.

Das Gebet ist ein Appell des Papstes an jeden Einzelnen von uns, "unsere Augen zu öffnen,
das Elend derer zu sehen, die ihrer Würde und ihrer Freiheit beraubt sind.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Andriy Ryndych. Sprecher: Jan Terstiege und Matthias Ubert. Redaktion, Deutsche Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für EWTN.TV 

 

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