Der Neue Schülerkreis Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. veranstaltet am 24. September eine Romtagung zum Thema "Verbindliche Wahrheit und Weiterentwicklung der Lehre der Kirche". CNA Deutsch sprach mit dem Priester und ersten Vorsitzenden des Neuen Schülerkreises, Prof. Dr. Christoph Ohly, über die bevorstehende Veranstaltung (EWTN überträgt live).

Die Romtagung beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem Thema "Verbindliche Wahrheit und Weiterentwicklung der Lehre der Kirche". Das klingt, mit Blick sowohl auf den deutschen "Synodalen Weg" als auch auf die Weltsynode, sehr aktuell. Hatten Sie diesen Bezug vor Augen, als Sie sich für das Thema entschieden haben?

Bereits zum vierten Mal veranstalten wir anlässlich der römischen Begegnungstage des Schülerkreises und des Neuen Schülerkreises ein öffentliches Symposium, bei dem wir ein herausforderndes Thema der Zeit und des Glaubens im Licht der Theologie von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. zu beleuchten versuchen. Seit 2019 standen dabei die Themen des Amtes in der Kirche, die Frage nach Gott und die Botschaft der Erlösung des Menschen in Jesus Christus im Mittelpunkt. Ich darf an dieser Stelle vielleicht sagen, dass es sich wirklich lohnt, die Tagungsbände mit den jeweiligen Vorträgen und Predigten dieser römischen Symposien, die in den Regensburger Ratzinger-Studien veröffentlicht wurden, nachzulesen. Gerade vor einigen Tagen ist der Band zum Treffen aus dem letzten Jahr erschienen.

Das diesjährige Thema ist tatsächlich wieder aktuell, aber auch nicht einfach. Denn die Frage nach dem Verhältnis zwischen verbindlicher Wahrheit des Glaubens und Weiterentwicklung der Lehre der Kirche bedarf vieler differenzierter Überlegungen, um nicht in Einseitigkeiten zu geraten. Ich bin überzeugt, dass uns dazu die theologischen Gedanken von Joseph Ratzinger, die in den Vorträgen aufgenommen werden, hilfreiche und weiterführende Antworten geben können und werden.

Was genau steht in Rom auf dem Programm?

Zunächst einmal dienen diese Tage ja in einem geistlichen Rahmen von Gebet und Eucharistiefeiern der persönlichen Begegnung von Schülerkreis und Neuem Schülerkreis. Vieles wird es aus dem vergangenen Jahr zu erzählen und zu berichten geben. Nach diesen internen Begegnungen, in denen wir uns auch durch Vorträge und Diskussionen fachlich zu diesem ausgewählten Thema austauschen, wird sich dann das Symposium in der bewährten Struktur eines Hauptvortrags, dreier darauf bezogener Statements und einer Podiumsdiskussion dem Thema nähern.

Bereits an dieser Stelle weise ich gerne darauf hin, dass jeder Interessierte vor Ort am Symposium im römischen Augustinianum teilnehmen kann, sich aber zuvor über die Homepage des Neuen Schülerkreises dazu anmelden sollte. Ebenso besteht die Möglichkeit, die Veranstaltung über Radio Horeb und über EWTN live [für Livestream hier klicken] mitzuverfolgen, unter anderem auch in englischer und spanischer Sprache.

Was steht konkret auf dem Programm? Nach der theologischen Einführung durch Kardinal Kurt Koch, dem Protektor der beiden Schülerkreise, wird der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer, ein ausgewiesener Kenner der Theologie von Joseph Ratzinger, den Hauptvortrag halten. Er widmet sich darin der Frage nach der Lehrentwicklung in der Katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Konzil hat der Überzeugung Ausdruck verliehen, die Apostolische Überlieferung kenne unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt (Dei Verbum 8). Wie ist dies genau zu verstehen? Welche Bedeutung kommt dieser Aussage zu? Darauf werden wir sicher anregende Antworten erhalten.

Die drei kürzeren Statements versuchen dann, einzelne Aspekte des Grundthemas zu beleuchten.

Prälat Dr. Markus Graulich SDB aus Rom wird dabei zunächst der Balance zwischen Treue und Veränderung in der Lehr- und Rechtstradition der Kirche nachgehen und die Frage von Verbindlichkeit und Entwicklung insbesondere mit dem Blick auf das Recht der Kirche beleuchten.

Das zweite Statement widmet sich sodann der Liturgie. Das Konzil betont ja einerseits, dass jede liturgische Erneuerung die gesunde Überlieferung bewahren muss, andererseits zugleich die Tür für einen "berechtigten Fortschritt" insofern geöffnet werden kann, dass neue liturgische Formen "aus den schon bestehenden organisch herauswachsen" (Sacrosanctum Concilium 23). P. Dr. Uwe Michael Lang aus London, ein profunder Kenner der Liturgie der Kirche und ihrer Geschichte, nimmt diesen Gedanken auf und erörtert ihn im Licht der gerade auch liturgisch durchdrungenen Theologie des emeritierten Papstes.

Das abschließende Statement ist, wie schon in den Jahren zuvor, stärker auf die Biografie von Joseph Ratzinger und der darin grundgelegten Verbindung zum Tagungsthema ausgerichtet. Prälat Prof. Dr. Helmut Moll aus Köln, der über viele Jahre Mitarbeiter von Kardinal Ratzinger war, wird dazu aus eigener Anschauung Stellung beziehen können.

Die Podiumsdiskussion wird schließlich die Anregungen aus den Vorträgen noch einmal aufnehmen und auch durch Fragen der Anwesenden vertiefen können. Also, ich denke, ein durch und durch spannendes Programm, das wir vor Ort oder über die medialen Wege erwarten dürfen!

Wird sich der Neue Schülerkreis in Rom auch mit dem emeritierten Papst treffen, oder ist das – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich?

Nein, das wird, so denke ich, nicht möglich sein. Aber sicher wird Benedikt XVI. das Symposium aufmerksam mitverfolgen, zumal die Veranstaltung, wie gesagt, live über Radio und Fernsehen gesendet wird.

Der Begriff "Hermeneutik der Kontinuität" bleibt für immer mit Papst Benedikt XVI. verbunden – auch wenn er ihn so nie verwendet hat. Was ist die Kernthese seiner berühmten Weihnachtsansprache aus dem Jahr 2005? Ist sie der Schlüssel zum rechten Verständnis nicht nur des Zweiten Vatikanischen Konzils, sondern der kirchlichen Lehrgeschichte insgesamt?

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Die Ansprache von Benedikt XVI. beim Weihnachtsempfang für die Mitglieder der römischen Kurie am 22. Dezember 2005 gehört ohne Zweifel zu den großen und prägenden Ansprachen seines Pontifikats. Sie ist bereits häufig Gegenstand intensiver theologischer Diskussionen gewesen. Allerdings muss man auch hier terminologisch exakt formulieren.

Der Hermeneutik der Diskontinuität, die aus unterschiedlichen Perspektiven von einem Bruch des Konzils mit der Tradition der Kirche ausgeht, stellt Benedikt XVI. jedoch nicht, wie oft gesagt wird, eine Hermeneutik der reinen Kontinuität gegenüber. Er spricht vielmehr von einer "Hermeneutik der Reform". Damit verbindet er beides. Einerseits die notwendige Treue zur Tradition der Kirche, andererseits eine Dynamik der Erneuerung und Vertiefung des Glaubens, die nicht Veränderung um ihrer selbst willen sucht, sondern die Tiefe und Freude des Glaubens aller Zeiten von Neuem erwecken möchte.

So sagt er in der Ansprache: "Genau in diesem Zusammenspiel von Kontinuität und Diskontinuität auf verschiedenen Ebenen liegt die Natur der wahren Reform." Oder um es mit Worten von Kardinal Koch zu sagen: Das Konzil "hat keine neue Kirche im Bruch mit der Tradition geschaffen und auch keinen neuen Glauben intendiert, sondern eine erneuerte Kirche und eine Erneuerung des Glaubens aus dem Geist der christlichen Botschaft, die ein für allemal offenbart worden ist und in der lebendigen Tradition der Kirche überliefert ist".

Die Frage nach Bruch oder Kontinuität war und ist nirgends so unmittelbar sichtbar für die normalen Gläubigen wie auf dem Gebiet der Liturgie, die Papst Benedikt sehr am Herzen lag. Inwieweit ist dieses Thema unter Papst Franziskus in Vergessenheit geraten?

Das Thema der Liturgie ist zu allen Zeiten der Kirche ein bestimmendes Moment gewesen und ist es ohne Zweifel auch heute. Das begründet sich sicher aus der Tatsache, dass in ihr der Glaube der Kirche gefeiert und vollzogen wird. Er berührt hier auf sensible Weise das Innerste des Menschen in seiner Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft der ganzen Kirche. Wie dieser Bereich vom Verhältnis von Verbindlichkeit und Weiterentwicklung geprägt ist, wird das Statement von P. Lang sicherlich auf hilfreiche Weise erörtern.

Der Neue Schülerkreis, dessen erster Vorsitzender Sie sind, will das Werk von Joseph Ratzinger immer besser erschließen und letztlich auch weiterführen. Wo sehen Sie Forschungslücken, was das Thema der Romtagung angeht?

Alle genannten Vorträge werden aus ihrer jeweiligen thematischen Perspektive wichtige Beiträge liefern, die aus dem Verständnis der Theologie von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. heraus erwachsen sind. Verbindlichkeit und Entwicklung berühren tatsächlich jeden der genannten Bereiche: Offenbarung, Recht, Liturgie, Glaube.

Ich persönlich meine, dass gerade die theologische Erschließung der Offenbarungskonstitution Dei Verbum sowie die darauf zu beziehenden Schreiben Verbum Domini von Benedikt XVI. und Lumen Fidei von Papst Franziskus es wert sind, weiter erforscht zu werden, nicht zuletzt unter der Fragestellung, inwieweit sich hier der Einfluss des Konzilsperitus Joseph Ratzinger auf eines der bedeutsamsten Konzilsdokumente nachweisen lässt. Hier wird sich seine konziliare Mitwirkung als maßgebend erweisen. Seine Theologie ist wirklich wie ein Schatz, aus dem stets Neues entdeckt und beleuchtet werden kann. Es bleibt also auch zukünftig viel zu tun.