Auf den Brief der Nordischen Bischofskonferenz mit Bitten und Hinweisen zum „Synodalen Weg“ hat jetzt die Deutsche Bischofskonferenz den Antwortbrief ihres Vorsitzenden veröffentlicht. Es bleibt offen, ob mit den Aussagen des Antwortbriefes die Sorgen der nordeuropäischen Bischöfe beseitigt werden.

Höflich, aber bestimmt

Der Brief aus Kopenhagen ist sehr höflich formuliert. Die Kritik ist nur grundsätzlich und wird nicht im Detail vorgetragen. Die Bischöfe aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland erinnern darin zunächst an den Aufruf von Papst Franziskus zur „radikalen Bekehrung“. 

Dann mahnen sie eine allgemein gültige Verantwortung an: „Unsere Aufgabe ist es, uns das durch die Kirche vermittelte depositum fidei ungemindert zu eigen zu machen, mit Dankbarkeit und Ehrfurcht.“ 

Unter der Überschrift „Fidei Depositum“ wurde im Jahr 1992 der neue Katechismus der Katholischen Kirche vom damaligen Papst veröffentlicht, im Auftrag des 2. Vatikanischen Konzils.

Er „ist eine Darlegung des Glaubens der Kirche und der katholischen Lehre, wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird“, schrieb Johannes Paul II. in der Einleitung. „Der Herr hat seiner Kirche die Aufgabe anvertraut, das Glaubensgut zu hüten, und sie erfüllt diese Aufgabe zu allen Zeiten“, so der Papst.

Fidei Depositum ist zugleich der Begriff für das „hinterlegte Glaubensgut“ der Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt den wichtigsten Auftrag: „Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden.“ … Damit lässt das Konzil keinen Zweifel: Die Offenbarung Gottes oder „das Evangelium“ wurde von Jesus mitgeteilt und bleibt unverändert für alle Zeit gültig! 

Und noch mehr: „Der Herr hat den Aposteln geboten, das Evangelium allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre“ (Dei Verbum 7). Diese Worte verleihen dem Evangelium einen hohen Stellenwert sowohl als Quelle des Glaubens – sowohl der Heilswahrheit und als auch der Sittenlehre. 

Den Schatz des Glaubens treu bewahren

Weiter beschreibt das Konzil: „Das ist treu ausgeführt worden, und zwar sowohl durch die Apostel, die durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergaben, was sie aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder was sie unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten, als auch durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration des gleichen Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben.“

So beschreibt das Zweite Vatikanische Konzil: „Das Evangelium“ besteht aus der Heiligen Schrift, die im apostolischen Auftrag und mit Hilfe des Heiligen Geistes aufgeschrieben wurde. Und es gibt darüber hinaus weitere Bestandteile: Die Apostel haben Jesus jahrelang begleitet und dabei auch non-verbal vieles miterlebt und gelernt. Und sie wurden inspiriert vom Heiligen Geist. Diese Quellen bilden die Grundlage für die Texte der Heiligen Schrift und für die mündliche apostolische Überlieferung.

„Das Evangelium“ stimmt mit dem überein, was das Konzil (DV 8) auch „Heilige Überlieferung“ nennt: „Was von den Aposteln überliefert wurde, umfaßt alles, was dem Volk Gottes hilft, ein heiliges Leben zu führen und den Glauben zu mehren. So führt die Kirche in Lehre, Leben und Kult durch die Zeiten weiter und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt.“

Haltmachen vor dem Unveränderlichen

Hiermit wird die überaus große Bedeutung des Depositum Fidei deutlich. Und daran entzündet sich die Kritik der nordischen Bischöfe. Sie schreiben: „In der legitimen Suche nach Antworten auf solche Fragen unserer Zeit, müssen wir jedoch vor jenen Themen halt machen, die unveränderliche Teile der Lehre der Kirche beinhalten.“ Und sie mahnen, nicht „dem Zeitgeist nachzugehen“.

Außerdem weisen sie darauf hin, dass nicht jeder Gläubige dazu neigt, „an Debattenrunden teilzunehmen“. Und sie mahnen zur Einheit: „Wir haben ein höheres Kriterium der Einheit nötig. Christus allein ist unsere Hoffnung!“ Wichtig ist auch der Satz: „Es ist wohl kaum der Fall, dass eine Verarmung des Glaubensinhaltes zu einer neuen Fülle kirchlicher Vitalität führen wird.“ Mit dem Wunsch, gegenseitig die Einheit zu wahren, endet der Brief.

Nur schlecht informiert?

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat sich in seinem am 5. April veröffentlichten Antwortbrief vom 28. März bemüht, „ein beruhigendes und befreiendes Wort (zu) sagen.“ Die geäußerten Befürchtungen entsprechen „nicht den tatsächlichen Beratungen“. Diese Formulierung unterstellt den nordischen Bischöfe, dass sie falsch oder schlecht informiert seien. 

Bischof Georg Bätzung schreibt dann, dass ein einfach „Weiter so“ die Kirche zerstöre. Wörtlich fügt er hinzu: „Dass es dabei gilt, sich das durch die Kirche vermittelte Depositum Fidei ungemindert zu eigen zu machen, wird von den auf dem Synodalen Weg ernsthaft Engagierten in keiner Weise angezweifelt.“ Das stimmt: Die Mitglieder der Synodalversammlung glauben, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Öffentlich gehen sie aber auf keine Kritik ein und setzen sich nicht mit den Äußerungen auseinander, die von anderen Meinungen vorgetragen werden.

Dann schreibt Bätzing, „dass das unveränderbare und unaufgebbare Depositum Fidei nicht so verstanden werden darf, dass jede kirchliche Praxis, jede Regelung und jede Sozialgestalt von Kirche, die im Lauf der Geschichte und unter ganz bestimmten Zeitumständen entwickelt wurden, von sich aus schon gleich dieses unveränderbare Depositum darstellen. Viele Organisationsaspekte, Strukturen und auch Kompetenzzuweisungen in der Kirche wurden auf konkrete geschichtliche Rahmenbedingungen hin ausgebildet und müssen dann auch Gegenstand von Veränderung und Erneuerung sein …“

Woran darf man schrauben und woran nicht?

Hier erst zeigt sich der Beginn einer Argumentation. Sinngemäß meint er: Ja, das Glaubensgut ist unveränderbar, aber das gelte nicht für jede Ausdehnung und jeden Umfang. Wo das eine aufhört und das andere anfängt – darauf gehen weder Bischof Bätzing noch die Texte des Synodalen Weges ein. Das wäre aber angebracht, ja unverzichtbar. Nur so könnte eine argumentative theologische Diskussion stattfinden.

„Auf der Suche nach neuen Wegen“, so Bischof Bätzing in seiner Antwort, orientiere sich der deutsche Prozess „an den zentralen Erkenntnisquellen des Glaubens: der Schrift und der Tradition, dem Lehramt und der Theologie sowie dem Glaubenssinn der Gläubigen und den Zeichen der Zeit“. 

Bätzing und der Denkfehler auf dem Synodalen Weg

Hier erfolgt nun ein entscheidender Fehler. Bischof Bätzing zählt sechs Erkenntnisquellen des Glaubens auf, das Konzil nennt aber nur zwei: „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes“ (DV 10). 

Bischof Bätzing – und bereits der verbindlich beschlossene Orientierungstext des „Synodalen Weges“ in Deutschland – gehen über die in der 2000-jährigen Kirchengeschichte kontinuierlich erfolgte Klärung der Erkenntnisquellen hinweg. Stattdessen werden neue Offenbarungsquellen genannt, die zwar für die theologische Diskussion eine Bedeutung haben, aber mehr nicht. Sie neben die anerkannten Erkenntnisquellen zu stellen oder ihnen gar eine höhere Bedeutung beizumessen, ist theologisch so abenteuerlich, dass dies als revolutionär einzuordnen ist. Sind hier die Grenzen der Rechtgläubigkeit, kirchlich gesprochen die Grenzen zur Häresie, nicht schon längst überschritten? Dieser Vorgang erklärt die Sorge der Nordischen Bischofskonferenz. 

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der dogmatischen Konstitution über das Wort Gottes (Dei Verbum) grundlegend beschrieben: „Das in der Heiligen Überlieferung und in der Heiligen Schrift enthaltene ’heilige Erbe’ des Glaubens ist von den Aposteln der Kirche als ganzer anvertraut worden. … Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, ist allein dem lebendigen Lehramt der Kirche – das heißt den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem Bischof von Rom – anvertraut“ (DV 10).

Das „Heilige Erbe“ als von Gott geoffenbartes Glaubensgut ist also unveränderbar und gilt für alle Zeiten. Die Lehre der Kirche kann also nicht – bei Bedarf – an aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen angepasst werden. Der apostolische Auftrag bedeutet vielmehr das Gegenteil: Bewahrung dessen, was von Jesus den Aposteln anvertraut wurde.

Fidei Depositum – das bedeutet nicht unbedingt Rückwärtsgewandheit und Beharren auf dem Ewiggestrigen. Die Lehre der Kirche entwickelt sich tatsächlich weiter – aber innerhalb ihrer geltenden Identität, nicht durch Brüche oder beliebige Hinzufügungen, die sich dem Zeitgeist anpassen. 

Kein anderes Evangelium!

Am Anfang des Galaterbriefes beschreibt Paulus in warnenden Worten, wie wichtig die Treue zum überlieferten „Evangelium“ ist: „Ich bin erstaunt, dass ihr euch so schnell … einem anderen Evangelium zuwendet. Doch es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verfälschen wollen. Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“

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