Im Jahr 1531 begegnete einem armen Indio namens Juan Diego die Jungfrau von Guadalupe. Auf wunderbare Art und Weise hinterließ sie ihm ein Zeichen und ihr Bildnis in seinem Umhang, durch das Millionen von Indigenen sich zum Glauben bekehrten. Zum heutigen 9. Dezember, seinem Gedenktag, veröffentlicht CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung ein Feature von Paul Badde über den ersten heiliggesprochenen Ureinwohner Lateinamerikas.  

Zehn Jahre nach der Eroberung Mexikos hatte der Indio Cuauhtlatoatzin, der
sechs Jahre zuvor auf den Namen Juan Diego getauft worden war, am Rand der
Hauptstadt vier Erscheinungen der Gottesmutter, nach denen die größte
Massenkonversion der Geschichte ihren Anfang nahm. Danach wurden acht Millionen Indios katholisch, die sich nur 10 Jahre vorher kaum etwas Schöneres
vorstellen konnten, als Spanier wie Katholiken gleichermaßen "in Kakao zu
kochen und aufzuessen". Es war die gleiche Zeit, als in Westeuropa die Kirche
erstmals auseinander brach. Heute aber müsste man die Heiligsprechung Juan
Diegos durch den Papst in Mexico City vielleicht am ehesten als eine
Geschichte von Gottes merkwürdigem Humor erzählen.

Vor einem Jahrzehnt nämlich war es namhaften katholischen Theologen fast
gelungen, kurz und schlüssig nachzuweisen, dass es den berühmten Seher
überhaupt nie gegeben habe. Der Vorgang war unglaublich, bis hoch in den
Norden, wo die "Washington Post" schrieb, den Versuch einer solchen
"Entmythologisierung" könne nur damit verglichen werden, als wolle den
US-Bürgern jemand erklären, "auch die Verfasser der Unabhängigkeitserklärung
hätten nie existiert". Im "Independent" stand es noch knapper: "Das ist, als
wolle man an der Existenz Abraham Lincolns zweifeln." Am Schluss zweifelte
aber dennoch sogar Abt Schulemburg, der greise Hüter des Heiligtums von
Guadalupe, an der Existenz Juan Diegos.

Während der Fall noch heftig diskutiert wurde, geschah dann folgendes: Just
während der Seligsprechung Juan Diegos im Mai 1990 versuchte am Stadtrand
Mexico-Citys ein junger Mann sich umzubringen. Kurz zuvor hatte Juan José
Silva versucht, sich mit seinem Vater zu versöhnen. Der hatte ihn schroff
zurück gewiesen. Im Appartement seiner Mutter war er deshalb schwer bekifft
und bekümmert über das Geländer des Balkons geklettert, um sich in die Tiefe
zu stürzen. Die arme Frau konnte ihn nur noch am Hosenbein festhalten und
verzweifelt schreien: "Hilfe! Juan Diego, gib mir ein Zeichen! Rette meinen
Sohn!" Danach stürzte ihr Sohn aber schon in die Tiefe, 70 Kilo schwer, 10
Meter tief, in einem Winkel von 70 Grad, so dass die Aufprallwucht auf rund
2.000 kg geschätzt wurde. Der Kopf sah grauenhaft aus. Im Durango-Hospital
konnte keiner verstehen, dass er überhaupt noch lebte. Kurz danach wurde der
junge Mann wach und verlangte nach etwas zu essen. Die Ärzte dachten, er
müsse schon tot sein, aber er war hungrig. Eine Woche später verließ er die
Klinik auf seinen beiden Beinen. Untersuchungen ergaben, dass der Sturz
keinerlei Folgen zurückgelassen hatte. Autosuggestion wird man den Vorgang
schwerlich nennen dürfen. Die Ärzte definierten die Heilung als
"wissenschaftlich unerklärlich". Der Neurologe Hernández Illescas bezeichnete
den Fall als "ungewöhnlich und unbegreiflich". Inzwischen ist der junge Mann
Elektronik-Ingenieur.

Es war dieses Wunder, das nun zur feierlichen Kanonisierung Juan Diegos an
diesem Mittwoch geführt hat. Dazu, muss man wissen, bedarf es nämlich
unbedingt eines nachgewiesenen Wunders; anders sind Heiligsprechungen nicht
zu haben, auch nicht, wenn der Papst selber es anders möchte. Dem großen und
verdienstvollen Kardinal Newman beispielsweise gelingt es trotz aller
Bemühungen seiner vielen Bewunderer (wie etwa Kardinal Ratzingers) bis heute
nicht, unter die Heiligen der katholischen Kirche eingereiht zu werden. Auf
seine Fürsprache gab es bisher kein einziges Wunder.

Das ist freilich nur die letzte Kuriosität im Leben Juan Diegos, von dem
nicht viel mehr bekannt ist, als dass dem rund 55jährigen Witwer Maria
erschienen ist, wobei sie ihn auch nicht in dem geschliffenen Oxford-Englisch
Kardinal Newmans, sondern in der Nahuatl-Sprache anredete und "Mein
Kleiner!" nannte - und er ihren Gruß nicht weniger zärtlich mit "Mein
Kleines!" erwiderte. Auf seinem Umhang aber, auf dem ihm die Jungfrau bei
ihrer letzten Erscheinung auch noch ihr Abbild zurückgelassen hatte, sind in
ihren Pupillen in digitaler Vergrößerung vor kurzem 12 Personen als
Spiegelungen entdeckt worden, von denen José Tonsmann von der
Cornwell-University in einem "Indio mit Bart und Schnurrbart" den
fotografischen Abdruck eben jenes Mannes erkennen will, der nie existiert
haben soll.

Zuerst veröffentlicht 2002 in der "Welt". Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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