Es ist ein durchwachsener Kino-Start: Vorsichtig-kritische Reaktionen, aber auch vernichtende Rezensionen hat der Film von Wim Wenders über Papst Franziskus eingefahren, der seit gestern in deutschen Kinos zu sehen ist. Doch gibt es auch großes Lob für das vom ehemaligen Kommunikationschef des Vatikans in Auftrag gegebene Papst-Porträt.

Während viele Kritiker weltlicher Medien das Wenders-Werk als "Propagandafilm" bezeichnen oder gleich von "reinem Kitsch" schreiben, der pathetisch, "ein bisschen lang, ein bisschen redundant" ist, bewerten manche katholische Rezensenten außerdem sogar die Franziskus-Darstellung als "kaum mit dem Papstamt vereinbar", eine Projektion "nicht nur im wörtlichen Sinn", die am Ende sogar die Frage aufwerfe, "ob der Papst häretisch sei". Warum dennoch so mancher begeistert ist vom Film: Das erklärt die freie Journalistin Teresa Müller-Alander in ihrer Rezension für CNA Deutsch.    

Am 14. Juni ist Wim Wenders neuer Film "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" in den Kinos gestartet. Es ist ein wortgewaltiges Meisterstück, eine Hommage an das Leben und an einen Mann, der die Welt aufrütteln will.

Wim Wenders jüngster Film ist kein Dokumentarfilm. Es ist ein außergewöhnliches Porträt. Er selbst sagte in mehreren Interviews, er wollte keinen Film über den Papst, sondern mit ihm. Eine bessere Idee hätte er nicht haben können, denn "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" lebt von seinem authentischen und charismatischen Protagonisten, der hier wie schon in anderen Wenders-Produktionen selbst zu Wort kommt.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche ist dem Zuschauer dabei sehr nah; so nah, dass man ihm beim Nachdenken zusehen kann. Dafür bediente sich Wenders einer besonderen Technik. Er drehte mit einem Teleprompter, der den Eindruck erweckt, der Papst richte seine Botschaften direkt an einen selbst.

Franziskus redet über "seine" Themen: Armut, Einfachheit, Umweltbewusstsein, Menschlichkeit. Die Kirche müsse arm werden, denn eine Kirche, die nach Reichtum strebe, zerstöre sich selbst. Dieser Appell nach Einfachheit, diese eindringliche Abkehr von Machtstreben und einer materiellen Welt, durchzieht den Film. Es ist ein großes Anliegen des Papstes, der nicht nur davon spricht, sondern auch danach lebt. Eine Aufnahme zeigt einen Autokorso, der sich durch New Yorks Straßen zieht: Inmitten von hochpreisigen Autos fährt ein Kleinwagen, darin der Papst.

Wenders, der für die Dreharbeiten auch Zugriff auf das Archiv des Vatikan bekam, wählte für seinen Film kraftvolle Szenen wie diese aus. Szenen, die unter die Haut gehen und zu Tränen rühren. Er zeigt die jubelnde Menge auf dem Petersplatz nach der Papstwahl; herzliche Begegnungen mit Politikern und Religionsvertretern; Ansprachen im UN-Quartier, im Slum, im Arbeiterviertel. Der Zuschauer folgt dem Papst in ein Kinderkrankenhaus, begleitet ihn zu den Opfern des Taifuns auf den Philippinen; sieht Standing Ovations im amerikanischen Kongress, die Begeisterung von Jugendlichen und die erschütternde Träne eines Gefängnisinsassen auf die Worte des Papstes: "Wisst ihr, wer der erste Heilige war? Ein Verbrecher.“ Die Aufnahmen lassen erahnen: Dieser Papst spricht die Menschen an - mit der Gabe der einfachen und klaren Worte.

Wenders selbst sagt über Franziskus, er sei ein besonders guter Kommunikator. Er wollte keinen investigativen Film. Kritik am Papst bleibt bewusst ausgespart. Herausgekommen ist ein Meisterstück, das auf Kommentierung verzichtet und in anrührenden Bildern einen unverstellten Blick auf seinen Protagonisten gibt.
Einzig eine bis dato unveröffentlichte Aufnahme lässt den Gegenwind, der Franziskus entgegen bläst, erahnen. Es ist ein Ausschnitt aus der Weihnachtsansprache des Papstes an die Kurie. Franziskus schimpft. Er verurteilt jegliches Machtgerangel in der Kurie, spricht von kleinen Gruppen, die "ein Krebsgeschwür" seien. Die Kamera schwenkt zu den Kardinälen: In den Gesichtern der Ausdruck unglaubwürdigen Staunens, begleitet von verschämtem Händekneten, zustimmendem Nicken oder verstimmtem Stirnrunzeln.

Die Aufnahme verdeutlicht: Dieser Papst ist nicht bequem. Er will nicht gefallen. Im Film zieht Wenders Parallelen zu Franz von Assisi, der die damalige Kirche zu erneuern suchte. Franziskus sagt über seinen Namensvetter, er sei "ein Heiliger des Ohrs". Genau das benötige diese Welt so sehr: dass man einander zuhöre und nicht ins Wort falle. Er ziehe Beziehungen allem Materiellen vor, betont er im Film. Dabei gehe es nicht darum, zu bekehren oder den anderen auf seine Seite zu ziehen. Franziskus möchte Begegnungen auf Augenhöhe. Er möchte eine menschliche Kirche, eine menschliche Welt.

Eine Aufnahme im Film zeigt ihn vor einer Menschenmenge auf den Philippinen. Kurz zuvor hatte Taifun Haiyan eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Angesichts der großen Trauer der Menschen verzichtet der Papst auf viele Worte, mehr noch, er artikuliert seine Sprachlosigkeit und betet still mit den Leidgeprüften. Es ist eine der stärksten und zugleich eine der schwächsten Stellen im Film, der den Pontifex nach dieser Szene antworten lässt, Gott lasse dem Menschen den freien Willen. Zu kurz und fragwürdig bleibt diese Antwort auf die Frage nach der Theodizee, nach dem Sinn des Leidens in der Welt. Man sieht diesem Papst an, dass er mitleidet er lässt sich jedoch vom Leid nicht erdrücken. "Die Zukunft der Kirche ist die Hoffnung", postuliert Papst Franziskus im Film.

Zurück bleibt der Eindruck eines unfassbar positiven Mannes, dem auch Wenders "eine enorme Energie“ bescheinigt. Für den Starregisseur selbst ist "Papst Franziskus - ein Mann seines Wortes" so etwas wie ein Manifest.
Sein Film vereint die Lebensweisheiten eines alten Mannes, der mehr gesehen und gehört hat als das Gros der Menschheit. Er ist eine Hommage an das Leben - mit allem, was es ausmacht. Die Authentizität des Papstes, dessen kraftvolle Botschaften und Energie stecken an. Es kann passieren, dass man nach dem Film die Welt aus den Angeln heben möchte. Das würde Papst Franziskus gefallen.

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