Alt werden will jeder, aber niemand will alt sein. Älter zu werden bedeutet nicht, alt und gebrechlich zu sein. Goethe schrieb seinen Faust mit 80 Jahren. Michelangelo vollendete die Sixtinische Kapelle mit 71 Jahren. Grandma Moses, eine amerikanische Malerin, begann mit 80 Jahren zu malen – und malte 1500 Bilder. Man ist so alt wie man sich fühlt.

Am 1. Oktober war der Internationale Tag der älteren Menschen. Er wurde 1990 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen und wird seit 1991 begangen.

Im September während des Menschenrechtsrates veranstaltete die UN in Genf einen Dialog mit dem Sonderberichterstatter über die Wahrnehmung aller Menschenrechte älterer Menschen. Der Heilige Stuhl nahm daran teil. Wir sprachen darüber mit dem ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf, Erzbischof Fortunatus Nawachukwu.

In Ihrer Erklärung vor dem Menschenrechtsrat heißt es: „Der Heilige Stuhl verurteilt alle Fälle von strafrechtlicher Inhaftierung, einwanderungsbedingter Inhaftierung, erzwungener Pflege und anderer Freiheitsberaubung älterer Menschen.“ Hat es die Kirche, die katholische Kirche im Westen, es versäumt, der jungen Generation, die heute das Altern ablehnt und die Freiheitsberaubung älterer Menschen unterstützt, den Wert der älteren Menschen zu vermitteln?

Ich danke für diese wichtige Frage. Sie wissen, dass Papst Franziskus der Notwendigkeit, älteren Menschen, Großvätern, Großeltern und Urgroßeltern gebührende und angemessene Aufmerksamkeit zu schenken, viel Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ein Bereich, auf den wir uns konzentriert haben, ist der Bereich der Vorenthaltung der Menschenrechte von älteren, alterndern Menschen.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Inhaftierung, strafrechtlichen Inhaftierung, der Inhaftierung im Zusammenhang mit der Einwanderung und der Inhaftierung, die sich aus erzwungenen Betreuungsmaßnahmen ergeben kann, ohne dass die älteren Menschen dabei konsultiert werden.

Dies sind also Bereiche, die uns Sorgen bereiten. Was ist geschehen? Nun, der Heilige Stuhl hat von den bedauerlichen negativen Auswirkungen des technologischen Fortschritts gesprochen, der eine gewisse Kluft zwischen den Generationen geschaffen hat, wodurch die jungen Leute heute denken, dass die Älteren unzeitgemäß sind. Einige sind sogar der Meinung, dass wir sie einfach zusammenpferchen, einpacken sollten und sie in eine Art altmodischem ‚Archiv für Menschen‘ einsperren sollten.

Wir sind gegen solche Tendenzen. Der Heilige Stuhl, allen voran Papst Franziskus, hat von der Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den Generationen, einer Partnerschaft zwischen den Generationen gesprochen, um diese Kluft zwischen den Generationen zu überwinden.

Mit dieser generationenübergreifenden Partnerschaft soll erreicht werden, dass die jungen Leute wieder entdecken, dass sie, wir alle, die Älteren brauchen. Wir brauchen ihre Erfahrung. Ihre Erfahrung ist etwas, das wir ihnen nicht wegnehmen können. Und aus Erfahrung kommt auch Weisheit. Und so brauchen wir ihre Erfahrung und ihre Weisheit.

Und gleichzeitig brauchen die Älteren selbst die Kraft, die Energie, die Kreativität und den Fleiß der jüngeren Menschen. Anstelle der Kluft zwischen den Generationen setzt sich der Heilige Stuhl also für die Verkündigung und die Partnerschaft und den Dialog zwischen den Generationen ein. Nun ist diese Kluft leider die Folge, eine der Folgen des technologischen Fortschritts.

Papst Franziskus sagte, dass der weise Mann Kohelet (Altes Testament) auf seiner Suche nach Wissen über das Leben, zwischen Sinn und Sinnlosigkeit hin und her taumelte auf dem Boden des Unsinns, als er sich dem Wissen zuneigte, das von der „Leidenschaft für Gerechtigkeit“ losgelöst war.

Exzellenz, Sie zitierten den Heiligen Vater in Ihrem Beitrag beim Menschenrechtsrat: Das Alter „ist eine Zeit, in der man in der Zerbrechlichkeit Stärke findet“. Wie würden Sie diese Aussage vermitteln?

Wir wissen, dass manche Menschen auch heute noch so negativ über das Alter denken, dass sie es als eine Art Krankheit betrachten, vor der wir uns fürchten oder die wir vermeiden müssen. Aber das ist falsch.

Es gibt Freude im Alter. Ein Freund von mir sagte mir, dass das Leben mit 70 Jahren beginnt. Nun, es gibt eine gewisse Freude, Erfüllung die in jedem Alter beginnt. Der Heilige Stuhl schenkt den älteren Menschen Aufmerksamkeit. Und diese Aufmerksamkeit entspringt auch der Lehre der Bibel. Erinnern wir uns an das Gebot, unsere Eltern zu ehren. Ich spreche von Exodus, Kapitel 20, Vers 12: Und das ist das Gebot „Ehre deinen Vater und deine Mutter“. Dieses Gebot ist das einzige Gebot, das mit einem Versprechen verbunden ist. Wenn du deinen Vater und deine Mutter ehrst, sagt das Gebot, dass du in den Genuss der Verheißungen des Gelobten Landes kommen wirst.

Gott selbst ist also dafür, dass wir den Älteren die nötige Aufmerksamkeit und Fürsorge zukommen lassen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass wir nicht nur auf uns selbst schauen sollten. Denn eines Tages werden auch wir alt werden. Normalerweise sagt man, dass man anderen das antun soll, was man selbst gerne hätte. Aber wir gehen sogar noch weiter. Wir sagen, dass der Fokus insbesondere für Christen nicht nur auf sich selbst liegen sollte, sondern darauf, Gutes zu tun.

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Denn der Christ folgt dem Beispiel von Jesus Christus. Und lassen Sie mich daran erinnern, dass eines der frühesten Dinge, an die sich die frühen Christen mit Blick auf Jesus Christus erinnerten, war, dass er Gutes tat. Das lesen wir in der Apostelgeschichte, Kapitel 10, Vers 38. Dort heißt es, dass Jesus Christus, Jesus von Nazareth, mit dem Heiligen Geist und mit Kraft erfüllt war und umherzog, um Gutes zu tun. Und dieses Gute erstreckt sich auf alle Menschen, schließt alle ein, ungeachtet des Alters, ungeachtet der Dinge, die uns unterscheiden. Die christliche Lehre, die christliche Tradition fordert uns also auf, alle Menschen zu umarmen, insbesondere die Schwächeren.

Nun lassen Sie mich sagen, das die Aufmerksamkeit, die den alten Menschen gewidmet wird, der Nachdruck, den die Kirche auf die älteren Menschen legt, auf der Tatsache beruht, dass die Kirche ihre Aufmerksamkeit auch auf die schwächeren Menschen richtet, auf Menschen, die sich vielleicht nicht selbst verteidigen können, wie zum Beispiel Menschen im Mutterleib, ihr ungeborenes Kind, oder Menschen, die behindert oder krank sind. Dasselbe gilt auch für ältere Menschen, die allmählich schwächer und schwächer werden. Es gehört also zur grundlegenden Lehre der Kirche, den weniger Privilegierten, den Schwächeren, den Menschen, die am meisten bedürftig sind, Aufmerksamkeit und Fürsorge zu schenken.

Was möchte der Heilige Stuhl erreichen, indem er sich in den Foren des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen in Genf Gehör verschafft und seine Überzeugungen kundtut, so wie hier zum Thema Wahrnehmung der Menschenrechte älterer Menschen?

Ich habe bereits erwähnt, dass Interventionen des Heiligen Stuhls in der internationalen Diplomatie auf drei Grundsätzen beruht, nämlich: Menschenrechte, Menschenwürde und Gemeinwohl. Und wenn wir mit anderen Menschen in einen Dialog über ältere Menschen treten, geht es uns auch um den Schutz des Lebens und der Würde älterer Menschen und darum, sie in den Kontext des Gemeinwohls zu stellen. Wir wissen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der der Egoismus die Oberhand zu gewinnen scheint. Der Heilige Stuhl appelliert also in gewisser Weise an das Gewissen der Menschen, „Nein“ zu sagen und auch an den Nächsten denken müssen.

Und diese Dimension stammt aus der christlichen Lehre und Tradition. Wir erinnern uns an eines der letzten Dinge, die Jesus den Jüngern sagte – wir denken jetzt an Johannes, Kapitel 13, Verse 34 und 35. Jesus sagte: Liebt einander nicht mehr wie euch selbst. Sondern er sagt: Wie ich, Jesus, euch geliebt habe, und das bedeutet, selbstlos zu lieben. Und dann geht er sogar noch weiter. Er sagt, wenn ihr einander auf diese Weise liebt, dann werden die Menschen erkennen, dass ihr meine Nachfolger seid.

Der Heilige Stuhl geht also in diese Diskussionen, um diese Dimension des christlichen Evangeliums einzubringen, das auch die universelle Brüderlichkeit anspricht. Wir erinnern uns an die große Enzyklika von Papst Franziskus „Fratelli Tutti“, die uns daran erinnert, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, in der einen, der menschlichen Familie.

Nächste Woche sprechen wir mit Fürstin Gloria von Thurn und Taxis über ihre Arbeit in der Lebenrechtsbewegung und mehr.

Bei einer seiner wöchentlichen Generalaudienzen reflektierte Papst Franziskus über das alttestamentliche Buch Kohelet oder Prediger und stellte fest, dass das dort widerkehrende Motto „alles ist eitel“ eine besondere Versuchung in unserer Zeit darstelle. Ältere Menschen müssten der Versuchung widerstehen, zu wissen, ohne zu handeln. Papst Franziskus fordert die älteren Menschen auf, an ihrer Leidenschaft für Gerechtigkeit festzuhalten und der Versuchung zu widerstehen, Wissen anzuhäufen, ohne es in die Tat umzusetzen. Das Alter kommt für jeden. Behandeln Sie die älteren Menschen heute so, wie Sie selbst im Alter behandelt werden möchten, sagte der Papst. Verstecken Sie das Alter nicht, verstecken Sie die Zerbrechlichkeit des Alters nicht.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Kameramann Andriy Ryndych | Deutscher Sprecher: Jan Terstiege | Redaktion, deutsche Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für EWTN Deutschland und CNA Deutsch. Eine Produktion von Pax Press Agency, Sarl.

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