Kurz vor 9 Uhr am Donnerstag, den 21. Juni hebt das Flugzeug mit Papst Franziskus und vielen Journalisten an Bord vom römischen Flughafen Fiumicino ab. Zielort: Genf, Schweiz, historisch bekannt als das "protestantische Rom" für seine Verbindung zu Johannes Calvin. Der Zweck dieser kurzen Tagesreise: Besuch von Papst Franziskus zum 70. Jubiläum des Ökumenischen Weltkirchenrats.

Dieses Treffen markierte auch 50 Jahre Zusammenarbeit zwischen dem Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und der römisch-katholischen Kirche auf der Suche nach der Einheit der Christen. Das Thema des Besuchs war: "Gemeinsam gehen, beten und arbeiten", und es begann mit einem Gebet in der Kapelle des ÖRK.

Christian Peschken, U.N. Genf Korrespondent für EWTN traf den Apostolischen Nuntius in der Schweiz in Bern und fragte ihn, warum es zwischen dem letzten Papstbesuch und diesem 14 Jahre gedauert hat.   

Erzbischof Thomas E. Gullikson, Apostolischer Nuntius in der Schweiz: Das ist eine berechtigte Frage. Während der Vorbereitungen des Papstbesuchs bin ich auf einen Artikel gestoßen, in dem erwähnt wird, dass zwischen dem ersten Besuch, den Papst Johannes Paul II der Schweiz abgestattet hat und seinem zweiten, zwanzig Jahre lagen. Mit anderen Worten: Der Abstand des Besuchs von Papst Franziskus zum letzten Papstbesuch ist kürzer als der zwischen den beiden Besuchen von Johannes Paul.  Ich denke, der Hauptgrund ist - obwohl die Schweiz ein wichtiges Land, in dem Genf wiederum eine wichtige Stadt ist – dass da draußen eine ganze Welt ist! Da braucht er eine Weile. Der Papst ist ja nur eine Person und kann nicht die ganze Zeit auf Achse sein.

Und war es eine ökumenische Wallfahrt, kein offizieller Staatsbesuch?

Also, im Zusammenhang mit dem Papst hat der Begriff „Staatsbesuch“ nicht besonders viel Bedeutung. Für gewöhnlich sagt man, dass wo immer er hingeht, er aus pastoralen Gründen kommt, er kommt als Hirte, er ist immer ein Vater, er kommt, um sein katholisches Volk zu treffen – aber auch andere Männer und Frauen guten Willens.  In diesem Fall war der Ausgangspunkt… der Auslöser, der diesen Besuch möglich machte, eine Einladung des ökumenischen Weltkirchenrates, zu kommen und mit ihnen den siebzigsten Jahrestag ihrer Gründung zu begehen. Der Heilige Vater nahm diese Einladung mehr als bereitwillig an. Ich denke, das ist der Hauptgrund. Und danach hat er gesagt, wir nehmen natürlich auch die bilateralen Beziehungen des Vatikans und der Schweiz mit dazu. Und wir finden auch noch Zeit für eine Messe am Abend, um in direkten Kontakt, sakralen Kontakt mit unserem katholischen Volk in der Schweiz zu treten.

Was unterscheidet denn den vatikanischen Nuntius in einem Land -wie zum Beispiel hier der Schweiz - von einem Nuntius bei einer Organisation wie zum Beispiel bei den Vereinten Nationen?

Ich würde sagen, dass - seit etwa zehn Jahren - beide grundsätzlich eine gleich hohe Stellung haben. Oder anders gesagt: der Titel „Apostolischer Nuntius“ ist ein personengebundener Titel, genau wie in vielen Ländern der Titel des Botschafters ein personengebundener Titel ist.

Als Botschafter kann man dann Botschafter in einem Land sein oder vielleicht auch General Konsul wie in New York - alles unter dem Titel des Botschafters. Grundsätzlich haben wir beide also, was die Stellung betrifft, den gleichen Rang, der Nuntius für die Schweiz und Lichtenstein und der ständige Beobachter in Genf. Nur dass seine multilateralen Verpflichtungen keine Akkreditierung für ein bestimmtes Land beinhalten. Das wäre der einzige Unterschied. Außerdem kann ein Nuntius auch Päpstlicher Gesandter sein – das bedeutet, dass er keine politischen oder zivilen Pflichten hat. Aber im Grunde liegt der Unterschied nur im Aufgabenbereich. Ich pflege die Beziehungen mit diesem Land hier und seiner Kirche. Und er dann eben mit dem Land, wo er ist oder mit einer oder mehreren internationalen Organisationen.  

Wie sehen die Pflichten eines Nuntius aus, verglichen mit denen eines normalen Botschafters?

Ich habe der französischen Botschafterin, als sie mich - als den Vorsitzenden - zum ersten Mal besuchte, gesagt, dass ich im Vergleich zu Botschaftern eine Art Dinosaurier bin -  im Sinne von „etwas aus einer vergangenen Zeit“. Meine Hauptaufgabe ist es auch heute noch, persönliche Beziehungen zu pflegen, während 'normale' Botschafter heutzutage ihre Aufgabe entweder als harte oder weiche Diplomatie bezeichnen würden. Ein Botschafter, der ausschließlich mit weicher Diplomatie beschäftigt ist, gibt vielleicht Tango- Unterricht, veranstaltet Fotoausstellungen oder gibt einer Tanzgruppe oder einem Orchester oder so etwas den Einsatz. Harte Diplomatie dagegen, und das ist der Großteil, hat eine ganze Menge mit Handel zu tun, mit dem Handelsverkehr zwischen seinem Heimatland, das er ja repräsentiert, und - in meinem Fall hier -, mit der Schweiz. Dagegen ist für mich der wirtschaftliche Aspekt überhaupt nicht relevant. Ich bleibe schön auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen und dergleichen, zumindest soweit sie die Regierung betreffen. Wenngleich das in einem Land wie der Schweiz sehr leicht ist, weil es keine wirklichen Fragen oder Probleme gibt. Deswegen widme ich meine Zeit hauptsächlich der Suche nach Themen, die die Kirche hier in der Schweiz betreffen.

Kommen Sie auch mit Botschaftern anderer Länder zusammen und tauschen sich aus?

Weil ich der Vorsitzende des diplomatischen Korps bin – ich bin oberster Diplomat – fühlen sich die meisten Diplomaten, die kommen und gehen, verpflichtet, zu mir zu kommen und sich vorzustellen.  Vielleicht auch, um ein paar Tipps von mir zu kriegen, was das Leben in Bern betrifft. Und so schauen sie immer wieder mal vorbei – viele auch dann, wenn sie wieder gehen - um sich zu verabschieden. Im Auftrag des Korps bin ich auch dafür verantwortlich, offiziell Empfänge auszurichten, um neue oder ausscheidende Botschafter zu begrüßen oder zu verabschieden.

Haben Sie auch pastorale Aufgaben – Messen zelebrieren zum Beispiel?

Öffentlich dann, wenn ich eingeladen werde. Ja. Es ist ganz lustig, dass ich der erste von vier Nuntien bin, der auch Deutsch spricht. Deshalb bekomme ich jede Menge Einladungen verschiedenster Art aus den deutschsprachigen Teilen der Schweiz. Und dann heißt es immer: „Oh, Exzellenz, was für eine Ehre! Wir können uns nicht erinnern, dass jemals ein Nuntius gekommen wäre!“ und ich

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antworte: „Das war nur deshalb so, weil vorher keiner Deutsch sprechen konnte.“ Aber ich versuche mein Bestes - weil ich die Sprachkenntnisse habe -  die Einladungen, die an mich gerichtet werden, anzunehmen. Ob es jetzt ein Gemeindefest ist, eine Firmung oder der Jahrestag einer Glockenweihe. Ich gehe hin, wenn sie mich einladen.

Sie sollten dabei erwähnen, dass Bern im deutschsprachigen Teil der Schweiz liegt.

Bern liegt genau an der Grenze. Hier in Bern kann man auf der Straße entweder Deutsch oder Französisch hören. Und in der unmittelbaren Nähe von Bern kommt man in französischsprachiges Gebiet. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum Bern zur Hauptstadt der Schweiz ausgewählt wurde, weil es genau auf der Grenze zweier Sprachen liegt.

Lassen Sie uns ein wenig über die Geschichte sprechen.  Schon zu Zeiten der Reformation, ab 1586, residierte ein Nuntius in Luzern. Diese Nuntiatur bestand 287 Jahre. Dann kam 1873 der Kulturkampf. Der Nuntius musste gehen, und sehr lange, nämlich bis 1920, war kein weiterer mehr hier. Gab es einen bestimmten Grund dafür, dass die Schweiz dann wieder einen Nuntius einlud, sich in Bern niederzulassen?

Nun ja, es gibt verschiedene Theorien – kommt darauf an, bei wem man nachliest. Ich habe zu diesem Thema mindestens drei verschiedene Historiker gelesen und bei ihnen liest man in Bezug auf das, was sich verändert hatte, dass sozusagen der Nuntius aufgrund der atmosphärischen Lage gebeten wurde, nach Bern zu kommen. Die Verhandlungen wurden 1915 aufgenommen, tatsächlich gekommen ist er dann 1920. Zum Teil, weil naja, sich diese Stimmung des Kulturkampfs gelegt hatte. Manche meinen, dass es wegen des neutralen Status war, den beide -der Heilige Stuhl und die Schweiz-  im Zweiten Weltkrieg eingenommen hatten. Dass sie in dieser Zeit irgendwie durch ihre Zusammenarbeit für Frieden in Welt wieder zusammengefunden hätten. Aber ich glaube tatsächlich, die beste Erklärung für das, was passiert ist, ist die, dass die Schweiz im Kulturkampf einiges unternommen hatte, was das Land gegenüber seinen Bürgern in eine sehr schwierige Lage gebracht hat und es Dinge gab, die man nicht mehr intern lösen konnte. Sie hatten den katholischen Bischof von Genf ausgewiesen, sie wollten den katholischen Bischof von Basel loswerden und auch den kompletten Bruch der italienisch sprechenden Bevölkerung im Tessin mit Mailand und Como. Ohne die Hilfe des Heiligen Stuhls konnten sie keines dieser Dinge bewerkstelligen. Und so mussten sie infolgedessen wieder - sagen wir - einen Weg zueinander finden.  Und der Heilige Stuhl war mehr als bereit, dem zu entsprechen, als der Zeitpunkt stimmte und von Schweizer Seite der Wunsch ausgedrückt wurde, auf höchster Ebene, auf Botschafterebene, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmenö

Glauben Sie, dass sich der Besuch des Papstes in Genf auf die katholische Kirche in der Schweiz auswirken wird?

Nun, wir hoffen das. Etwas in dieser Art wäre positiv, aber wir sprechen hier natürlich immer von nicht greifbaren Dingen.  Wenn wir über so etwas reden, habe ich die Freiheit, alles zu sagen, was ich will und irgendwie kann mich keiner zur Rechenschaft ziehen. Es ist keineswegs so, dass - weil der Heilige Vater kommt, - plötzlich diese oder jene konkrete Sache geändert wird, dass die Diözesen neu organisiert werden oder dass hier eine neue Kirche oder irgendetwas eröffnet wird. Im Prinzip ist die Hoffnung immer die, dass auf die eine oder andere Weise die Katholiken und auch andere Menschen in der Schweiz vielleicht zu einem gewissen, zu einem besseren Verständnis von unserem Glauben kommen. Und von der Aufgabe des Heiligen Vaters, die ganze Kirche mit dem Band der Liebe und Zuneigung zusammenzuhalten.

Der Papst beendete seinen eintägigen Besuch mit einer Messe in einer riesigen Halle am Flughafen, die jedes Jahr den Internationalen Automobil-Salon Genf beherbergt und die Größe von sechs Fußballfeldern hat. Laut der Organisatoren haben 37.000 Gläubige teilgenommen.

Nach der Messe flog Papst Franziskus zurück nach Rom. Er beschrieb den Tag als eine "Begegnung" und fuhr fort: "Wenn eine Person einer anderen begegnet und Wertschätzung für die Begegnung empfindet, dann berührt das immer das Herz". 

Christian Peschken ist U.N. Genf-Korrespondent für EWTN. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins 'Vatikano'. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media

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