04 September, 2021 / 11:00 AM
Der Fernsehsender EWTN, wozu mittlerweile auch zahlreiche andere Apostolate, darunter CNA Deutsch und sein deutschsprachiger Ableger EWTN.TV, gehören, ist vielen Katholiken ein Begriff. Dass die Gründerin eine einfache Nonne war, ist indes weniger bekannt – von ihrer Biographie ganz zu schweigen.
Rita Antoinette Rizzo wurde am 20. April 1923 in der US-amerikanischen Kleinstadt Canton (Ohio) geboren. Ihre Vorfahren waren italienische Einwanderer. Das Wohnviertel, in dem die spätere Äbtissin und EWTN-Gründerin aufwuchs, beschreibt Raymond Arroyo, ihr Biograph:
„Dieses ethnische Ghetto - in dem Dirnen an die Fensterscheiben ihrer Bordelle klopften, um ihre Freier anzulocken; in dem Ladenbesitzer in der gleichen Straße zusammen mit Auftragskillern lebten; in dem die Priester der Pfarrei versuchten, kleine Gauner zu einem besseren Leben anzuleiten; in dem sich das Profane mit dem Sakralen vermischte, und jeder sich anstrengte, irgendwie über die Runden zu kommen - dies nun war die Umgebung, die auf Rita Rizzo bei ihrer Ankunft im Jahre 1923 wartete. Sie kam im Haus von Mary und Anthony Gianfrancesco, ihren Großeltern mütterlicherseits, auf die Welt. Diese wohnten einen Häuserblock entfernt von der berüchtigten Cherry Street. […] Auf der anderen Seite des Hauses, an der Kreuzung der Liberty Street und der Eleventh Street, befand sich das Lokal von Großvater Gianfrancesco, ein beliebter Treffpunkt für die neu ankommenden Einwanderer.“
Die Verhältnisse, unter denen Rita aufwachsen musste, waren – gelinde gesagt – desolat. Die Eltern wurden geschieden und die Mutter bekam das Kind zugesprochen. Verwahrlost lebten sie in einer Einzimmerwohnung. Es folgte schwierige Jahre, in denen es Probleme in der Schule gab und Krankenhausaufenthalte notwendig waren. Lehrer und Priester kümmerten sich wohl, aber letztlich war sie auf sich selbst gestellt. Erst als Rita ihre Berufung erkannte und wusste, wo und wie sie leben wollte, war sie wieder gesund. Am 14. August 1944 schreibt sie einen Brief aus dem Kloster an ihre Mutter. Darin heißt es:
„Meine allerliebste Mutter, wenn Du diesen Brief bekommst, werde ich in Cleveland sein. Ich bin in das Anbetungskloster an der Kreuzung zwischen Fortieth Street und der Euclid Avenue eingetreten. Du kennst es besser unter dem Namen Kloster St. Paul. Ich weiß, meine liebste Mutter, dass dies ein Schock für Dich sein wird. Doch wenn ich Dich um Erlaubnis gebeten hätte, wärst Du mit diesem Schritt nie einverstanden gewesen. Auf diese Weise eintreten zu müssen, hat mir furchtbar wehgetan. Ich wünschte mir, Du würdest mich Unserem Herrn als Seine Braut übergeben. Es wird für Dich schwierig sein, all das zu verstehen, doch dies ist Sein heiligster Wille.“
Am nächsten Tag, an Maria Himmelfahrt, tritt sie in den Orden der „Armen Klarissen“ ein. Die Gemeinschaft kommt ursprünglich aus Troyes in Frankreich. Die damaligen „Franziskanerinnen vom Allerheiligsten Sakrament“ nannten sich später „Klarissen von der ewigen Anbetung“. Von Wien aus wurde 1921 das erste amerikanische Kloster in Cleveland bzw. Canton gegründet. Mutter M. Agnes, die Gründerin des Klosters, war noch jene Äbtissin, die Rita ins Kloster „Sancta Clara“ aufgenommen hat.
Obwohl Schwester M. Angelica wegen mancherlei Beschwerden ins Krankenhaus muss, ist sie doch eine sehr rege Person. Bereits in den 50er-Jahren entstehen Überlegungen zur Gründung eines neuen Klosters in Alabama. 1961 wurde der Bau des Klosters von Rom genehmigt und schon im folgenden Jahr, am 8. Mai 1962, verlassen Mutter Angelica und vier weitere Schwestern das Kloster Sancta Clara in Canton.
Das neue Kloster in den Südstaaten entsprang zwar der Inspiration von Mutter Angelica, doch ohne Erzbischof Thomas Joseph Toolen (1886–1976) wäre diese Gründung des Klosters „Unserer Lieben Frau von den Engeln“ nicht möglich gewesen. Am 20. Mai 1962 wurde das Kloster von Toolen eingeweiht. Seither führten die Schwestern ein Leben des Gebets und der Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes.
Mutter Angelica war eine sehr starke Frau. Von ihr konnte „knallharte, unwillige, zuweilen zornige Schärfe“ ausgehen. Das hat ihre Anhänger fasziniert, doch ihre Gegner lehrte sie so das Fürchten. Ausgestattet mit diesen Gaben war es ihr möglich, beginnend mit geringsten Mitteln, den weltweit größten katholischen Fernsehsender aufzubauen. Schon in den 70er-Jahren trat sie in einigen US-Medien auf. Doch genügte ihr das nicht. Sie wollte mehr. Ausgehend vom ihrem Kloster „Unsere Liebe Frau von den Engeln“ wurden ab 1981 die ersten Sendungen über einen Satelliten hinaus in die Welt getragen. EWTN war „geboren“ und ist heute weltweit verbreitet. Die Gründerin scharte professionelles Personal um sich, hielt jedoch selbst die Zügel in ihren Händen.
Im Jahr 2001 erlitt Mutter Angelica einen Schlaganfall. Zwar war sie schon im Jahr zuvor von ihrem Amt als Chefin von EWTN zurückgetreten, doch war sie noch immer sehr engagiert und mobil. Dies sollte sich nun ändern. Zwar erholte sie sich zunächst und bewahrte ihren Sinn für Humor, doch die Sprachfähigkeit konnte sie nie mehr vollständig wiedererlangen. Sie litt viele Jahre bis zu ihrem Tod am Ostersonntag, dem 27. März 2016.
Das englischsprachige Buch von Raymond Arroyo über Mutter Angelica endet im Februar 2004 und ist im folgenden Jahr erschienen. Die erste deutsche Ausgabe stammt aus dem Jahr 2009. Es ist, wie der Nachdruck des nun vorgelegten Taschenbuches, im Verlag Media Maria als gebundenes Buch erschienen.
Über die Jahre bis zu ihrem Tod hat Arroyo 2018 ein zweites Buch verfasst „Mother Angelica. Her Grand Silence: The Last Years and Living Legacy“. Es ist wünschenswert, auch dieses Buch über das große Schweigen von Mutter Angelica in deutscher Sprache lesen zu können.
Auf die Frage, warum sie einen Schlaganfall erlitten habe und kaum sprechen könne kam die Antwort: „Läuterung. Meine Läuterung!“. Einige Monate später, an Weihnachten dieses Jahres 2001
Sprach sie zu ihren Schwestern dieses kurze Gebet, das sie Gott darbrachte:
„Herr, hier bin ich,
ich bin nicht sehr intelligent,
(Die Geschichte geht unten weiter)
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ich bin ein Wrack.
Nimm alles, was ich habe,
und mache es schön für Gott.“
Raymond Arroyo, "Mutter Angelica. Eine Nonne schreibt Fernsehgeschichte", ist im Verlag Media Maria erschienen und hat 440 Seiten.
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