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Gottesbild und Menschenbild

Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010

Die Rede über Gott ist in der Kirche dieser Zeit nahezu verstummt oder zeitgeistlich verunklart. Symptomatisch hierfür könnte die kirchenpolitische Formel der gelegentlich beschworenen „Heiligen Geistkraft“ sein. Wo der dreifaltige Gott aus dem Blickpunkt gerät, wird auch das biblisch-christliche Menschenbild unscharf. Benedikt XVI. hat in „Deus caritas est“ an das Neue des biblischen Glaubens erinnert, es ist jenes Neue, von dem heute auch noch jede Erneuerung der Kirche in Christus ihren Ausgang nehmen und ihr Ziel finden sollte.

Zu den Mysterienkulten in der Zeit der Antike, die noch heute ungemäß verherrlicht wird, steht der biblische Glauben im klaren Widerspruch. Benedikt verweist auf das Buch Deuteronomium: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, der Herr ist nur einer.“ (Dtn 6,4) Er legt sodann dar: „Es gibt nur einen Gott, der der Schöpfer des Himmels und der Erde und darum auch der Gott aller Menschen ist. Zweierlei ist an dieser Präzision einzigartig: daß wirklich alle anderen Götter nicht Gott sind und daß die ganze Wirklichkeit, in der wir leben, auf Gott zurückgeht, von ihm geschaffen ist. Natürlich gibt es den Schöpfungsgedanken auch anderswo, aber nur hier wird ganz klar, daß nicht irgendein Gott, sondern der einzige, wahre Gott selbst der Urheber der ganzen Wirklichkeit ist, daß sie aus der Macht seines schöpferischen Wortes stammt. Das bedeutet, daß ihm dieses sein Gebilde lieb ist, weil es ja von ihm selbst gewollt, von ihm »gemacht« ist.“ Gott liebt diese Welt, die ganze Schöpfung, und er hat den Menschen als Mann und Frau ins Dasein gerufen, als sein Ebenbild, in der binären, aufeinander zugeordneten Geschlechtlichkeit. Gott liebt, und seine Liebe, so Benedikt, sei eine „wählende Liebe“: „Aus allen Völkern wählt er Israel und liebt es — freilich mit dem Ziel, gerade so die ganze Menschheit zu heilen. Er liebt, und diese seine Liebe kann man durchaus als Eros bezeichnen, der freilich zugleich ganz Agape ist.“ Gottes Leidenschaft werde oft mit „kühnen erotischen Bildern beschrieben“, als „Brautschaft“ und „Ehe“. So sei jeder Götzendienst darum „Ehebruch und Hurerei“. Gott wünscht sich die Treue der seiner Geschöpfe, er wirbt um ihre Liebe, weil er liebt: „Die Liebesgeschichte Gottes mit Israel besteht im tiefsten darin, daß er ihm die Thora gibt, das heißt, ihm die Augen auftut für das wahre Wesen des Menschen und ihm den Weg des rechten Menschseins zeigt; diese Geschichte besteht darin, daß der Mensch so in der Treue zu dem einen Gott lebend sich als Geliebten Gottes erfährt und die Freude an der Wahrheit, an der Gerechtigkeit — die Freude an Gott findet, die sein eigentliches Glück wird.“ Gottes Liebe ist gänzlich unverdient: „Die leidenschaftliche Liebe Gottes zu seinem Volk — zum Menschen — ist zugleich vergebende Liebe. Sie ist so groß, daß sie Gott gegen sich selbst wendet, seine Liebe gegen seine Gerechtigkeit. Der Christ sieht darin schon verborgen sich anzeigend das Geheimnis des Kreuzes: Gott liebt den Menschen so, daß er selbst Mensch wird, ihm nachgeht bis in den Tod hinein und auf diese Weise Gerechtigkeit und Liebe versöhnt.“

Der Schöpfer der Welt ist „ein Liebender mit der ganzen Leidenschaft wirklicher Liebe“. Das Hohelied beschreibe „im letzten das Verhältnis Gottes zum Menschen und des Menschen zu Gott“. Benedikt sieht darin eine „Quelle mystischer Erkenntnis und Erfahrung“: „Ja, es gibt Vereinigung des Menschen mit Gott — der Urtraum des Menschen –, aber diese Vereinigung ist nicht Verschmelzen, Untergehen im namenlosen Ozean des Göttlichen, sondern ist Einheit, die Liebe schafft, in der beide — Gott und der Mensch — sie selbst bleiben und doch ganz eins werden.“ 

Eine weitere Neuheit des biblischen Glaubens liege im Menschenbild, das mit dem Gottesbild verbunden sei. Allein bleibt der Mensch suchend. Er sucht die Zweisamkeit, die „Ganzheit“, und nur „im Miteinander von Mann und Frau“ könne der Mensch ganz werden (vgl. Gen 2,24). Gemeinsam stellen Mann und Frau die „Ganzheit des Menschseins“ dar. Sie werden „ein Fleisch“ miteinander. Benedikt schreibt dazu: „Der Eros verweist von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören. So, nur so erfüllt sich seine innere Weisung. Dem monotheistischen Gottesbild entspricht die monogame Ehe. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe.“ Diese Art der Liebe steht in sichtbarem Gegensatz zu den Kulturformen der Antike – und wer diesen Maßstab außer Acht lässt, dem bleibt das Wesentliche der Neuheit des biblischen Glaubens Anstoß und Ärgernis. Die Wahrheit kann geleugnet, verlacht, verhöhnt und verfolgt werden. Aber die Wahrheit bleibt Wahrheit.

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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