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Tradition und lebendiges Lehramt

Fresko aus dem 1784 entstandenen Zyklus der Zwölf Glaubensartikel in St. Georg, der ehemaligen Klosterkirche des oberschwäbischen Klosters Ochsenhausen

Der weltweit einzige "traditionalistische" Territorialbischof  bietet eine fundierte "Pastorale Wegweisung" an, wie die durch Jahrhunderte überlieferte Liturgie heute und in Zukunft Bestand haben und Frucht bringen kann. 

Die scharfe Diskussion um Liturgie wird nicht erst seit der Intervention von Kardinal Walter Brandmüller geführt, der Aufsehen mit der Aussage erregte, eine "Messe aller Zeiten" habe es nie gegeben.

Die seit Jahrhunderten gefeierte traditionelle lateinische Messe (TLM) ist auch als "tridentinische" und "gregorianische" bekannt, als Feier im Usus Antiquior, als Messe in der außerordentlichen oder überlieferten Form sowie als "Messe aller Zeiten" und "Alte Messe" (Vetus Ordo), im Gegensatz zur in den 1970er Jahren eingeführten "Neuen Messe" (Novus Ordo). 

Nachdem Papst Benedikt XVI am 7. Juli 2007 mit seinem Apostolischen Schreiben "Summorum Pontificum" der traditionellen lateinischen Messe als "außergewöhnliche Form" wieder zu ihrem Recht verholfen hatte und damit eine gewisse Ruhe in die Diskussion gekommen war, provozierte Papst Franziskus am vergangenen 16. Juli mit seinem Schreiben "Traditionis Custodes", viel Kritik und eine erneut scharf geführte Debatte über den Umgang mit Liturgie.

Gänzlich unaufgeregt hat Bischof Rifan ein Buch geschrieben, welches auf beiden Seiten der Diskutanten hilfreich sein kann. Aber man muss es mit Verstand lesen und wohlwollend bedenken. Die Ausführungen des südamerikanischen Bischofs jedoch von vorn herein aus allen Überlegungen herauszuhalten, nur weil er vielleicht nicht zur eigenen "Fraktion" gehört, sind sicher nicht hilfreich.

Dem Vorwort von Bischof Rifan ist ein weiteres Vorwort vorangestellt, das Kardinal Gerhard Ludwig Müller verfasst hat. Der ehemalige Bischof von Regensburg und Präfekt der Glaubenskongregation schreibt:

"Bischof Rifan weist überzeugend nach, daß es gute geistliche Gründe gibt, wenn einige Katholiken die Mitfeier der hl. Messe in der überlieferten älteren Gestalt bevorzugen. Aber er stellt auch fest, daß es dazu keiner Ablehnung des II. Vatikanums bedarf und daß eine fundamentale Kritik an der kirchlichen Autorität mit der Haltung eines gläubigen Katholiken prinzipiell unvereinbar ist. So wie jeder Katholik an der Feier der hl. Messe in einem anderen Ritus geistlich fruchtbar teilnehmen kann, so muß auch innerhalb des römischen Ritus jede der beiden Formen von jedem Katholiken akzeptiert werden, ohne an der Rechtgläubigkeit der anderen zu zweifeln oder sich der Verpflichtung aller zum Gehorsam gegenüber dem Papst und dem zuständigen Bischof in Glaubensfragen und in der Sakramentendisziplin zu entziehen."

Der Kardinal, der sich auch kritisch zu Traditionis custodes, dem Motuproprio von Papst Franziskus zur Abschaffung von Summorum Pontificum geäußert hat, schreibt:

"Die geistliche Reife und die echt katholische Gesinnung von Bischof Rifan zeigt sich in seiner selbstverständlichen Bereitschaft, bezüglich Traditionis custodes ‚diese Wegweisung von Papst Franziskus zu akzeptieren‘, in der Verbindung mit der Erklärung für alle Angehörigen seiner Apostolischen Administratur, ‚am überlieferten Meßritus festzuhalten – nicht aus irrgläubigen Gründen, sondern weil er zu den Reichtümern der katholischen Liturgie gehört.‘" 

Damit wird seitens des Kurienkardinals konstatiert, dass er sich, anders als Papst Franziskus, dessen Entscheidung er nicht verstehen kann und für falsch hält, für den Verbleib des "tridentinischen Ritus" als eine Weise des Liturgischen Lebens der Kirche ausspricht. Er bescheinigt der "kirchlichen Autorität", dass sie mit "rigidem Pochen auf einen blinden Gehorsam, der der Vernunft des christlichen Glaubens und der Freiheit eines Christenmenschen" widerspricht, der "Kirche einen schlechten Dienst" erweise. 

Bischof Fernando Areas Rifan will mit seiner "Wegweisung" zuerst "die Verzerrungen und Ungenauigkeiten in Bezug auf die kirchliche Lehre, die sich bis zu eigentlichen Irrtümern auswachsen" korrigieren. So ist es konsequent, zunächst auf das "lebendige Lehramt" hinzuweisen. Mit dem hl. Thomas von Aquin betont es den Stellenwert, den innerhalb der Kirche die Gewohnheit besitzt. Das Lehramt endet außerdem nicht mit einem bestimmten Datum, sondern ist immer lebendig. Deswegen gehören zu ihm auch diejenigen Dokumente, die das Zweite Vatikanische Konzil erlassen hat. Das lebendige Lehramt endet mit anderen Worten nicht mit dem Konzisbeginn im Jahr 1962. Umgekehrt sind auch nicht die Dokumente und Lehren nicht "überholt", die bis zu jener Zeit vom kirchlichen Lehramt ausgegangen sind. Das lebendige Lehramt legt also die gesamte Lehre der Kirche vor, und es tut dies seit seiner Einsetzung durch Jesus Christus bis heute. 

Damit bescheinigt Rifan auch der Messordnung nach Papst Paul VI. ihre Gültigkeit und Berechtigung. Er bestätigt, dass "radikale Kritik an der neuen Meßordnung zumeist von solchen vorgebracht wird, die zum Sedisvacantismus neigen". Darin erkennt er die Gefahr, dass durch solche Radikalisierung der Glaube an die Kirche vollständig verloren gehen könne, dass also nicht nur Schisma, sondern auch Häresie und Apostasie die Konseqenz sein können. Darum sei es notwendig "die sichtbare Bande der Einheit" zu wahren.

In diesem Zusammenhang erinnert Rifan mit einem längeren Zitat von Michael Davies, einem bekannten katholischen Schriftsteller und Verteidiger der Tradition an weitreichende Gefahren: 

"Man kann ein Wort Papst Pauls VI. aufgreifen und beklagen, daß der Rauch Satans in die Traditionalistenbewegung eingedrungen ist, um die von ihr geleistete Verteidigung des wahren Glaubens zu ersticken. Wenn wir uns erneut vor Augen führen, daß wir es mit einem präternaturalen Gegner von ungeheurer Arglist und Intelligenz zu tun haben, gelangen wir unschwer zur Überzeugung, daß dieser bereit ist, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Gruppen zu spalten und zu zerstören, die sich der Auflösung der Kirche nachdrücklich entgegenstellen. Welches wirksamere Mittel könnte er hier anwenden als die Verleitung zum Schisma? Außerhalb der Kirche wäre die Verteidigung der Tradition ja wirkungslos. Nachdem solche Personen die Kirche erst einmal verlassen haben – und dann, wie alle Häretiker und Schismatiker, vorgeben, die wahre Kirche zu sein – bedarf es, wie man annehmen kann, eines Wunders, damit sie sich ihrer wirklichen Situation bewußt werden. Der Stolz, der Satan zu Fall gebracht hat, liegt hier offen zutage. Es liegt viel Genugtuung darin, zu meinen, man gehöre zu den Auserwählten; eine Haltung, die, wie Pater van der Ploeg feststellt ‚immer das augenfälligste Kennzeichen einer Sekte ist‘."

Nach der Fertigstellung der deutschen Übersetzung im Anschluss an das päpstliche Schreiben "Traditionis custodes" im Sommer diesen Jahres wurde dem Buch eine Stellungnahme Bischof Rifans dazu als "Nachtrag" beigegeben. Der Bischof weist auf Ursachen hin, die in einem gewissen Umfang Auslöser dieses Schreibens waren; zugleich weist er auf die prinzipielle Berechtigung eines Festhaltens am alten Ritus hin:

"Durch seinen Reichtum, seine Schönheit und Erhabenheit, seinen Adel und seine Feierlichkeit und Zeremonien, durch seine größere Genauigkeit und Strenge in den Rubriken, durch seine Sicherstellung gegenüber Mißbräuchen bildet dieser Meßritus eine Bereicherung der katholischen Liturgie, die im wesentlichen eine und vielfältig in ihren Riten ist."

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Zur Person

Fernando Areas Rifan wurde 1950 geboren und 1974 für das brasilianische Bistum Campos zum Priester geweiht. Sein Bischof Antonio de Castro Mayer war mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. verbunden. Er gründete die "Priesterbruderschaft vom hl. Johannes Maria Vianney". Nach einer gütlichen Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl wurde die "Apostolische Personaladministration St. Johannes Maria Vianney" errichtet. Geografisch befindet sie sich auf dem Gebiet und in den Grenzen der Diözese Campos dos Goytacazes, Rio de Janeiro. Rifan wurde 2002 von Papst Johannes Paul II. zum Koadjutor und Titularbischof von Cedamusa ernannt. Nach dem Tod seines Vorgängers trat er noch im selben Jahr dessen Nachfolge als Bischof an. Bis heute ist Fernando Areas Rifan weltweit der einzige "traditionalistische" Territorialbischof.

Bischof Fernando Arêas Rifa, "Tradition und lebendiges Lehramt. Pastorale Wegweisung"; aus dem Französischen übertragen durch Paolo D’Angona, Priester der Diözese Roermond und mit einem Vorwort von Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist im Renovamen Verlag erschienen und hat 170 Seiten.

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